Transkript
EDITORIAL
Immer der Nase nach
Wer je auf SARS-CoV-2 getestet hat oder selbst getestet wurde, weiss, dass das kein Zuckerschlecken ist. Während sich die Untersucher in mannigfaltige Schutzkleidung zwängen müssen, kämpfen die Untersuchten mehr oder weniger tapfer mit dem Würgereiz oder den Unannehmlichkeiten einer nasopharyngealen Probennahme. Nach einer Testreihe mit COVID-19-Patienten im Spital kam ein Team der Yale University, USA, zu dem Schluss, dass eine Speichelanalyse den aufwendigen Abstrich ersetzen könnte. Dadurch würden nicht nur Arztpraxen und Testzentren entlastet, sondern auch das Infektionsrisiko bei der Probennahme eliminiert und tonnenweise Schutzkleidung gespart, denn die Speichelprobe könnte sich jeder Patient auch selbst entnehmen (1). Auch die Selbstentnahme von Nasenabstrichen zum SARSCoV-2-Nachweis hat man bereits unter die Lupe genommen. Forscher aus den USA und Israel kamen zu dem vorläufigen Schluss, dass man damit zwar Infizierte mit hoher Viruslast recht sicher entdecken, aber diejenigen mit niedrigerer Viruslast leicht übersehen könne (2). Doch ob Profiabstrich, Speichel oder selbstgenommene Nasenprobe – letztlich erfordern alle Verfahren Testkits und Laborgeräte, geschultes Personal sowie ein gewisses Know-how bei der Probenentnahme. Einen anderen Weg geht man am Flughafen von Helsinki. Hier sind Hunde im Einsatz, die SARS-CoV-2Infektionen erschnüffeln können. Die Hunde kommen
dabei nicht direkt mit den Probanden in Kontakt, so-
dass der Test auch für Menschen mit Angst vor Hun-
den oder mit einer Hundehaarallergie kein Problem
ist. Die Probanden müssen nur eine Wischprobe von
ihrer Haut nehmen und diese in einen Behälter legen.
In einem anderen Raum beschnüffelt der Hund die
Probe. Falls sie positiv ist, wird der Passagier zu einer
Teststation des Universitätsklinikums Helsinki ge-
schickt (3).
Die feine Hundenase für Diagnosezwecke zu nutzen,
hat sich bereits bei anderen Erkrankungen bewährt.
Hunde, die für ähnliche Verfahren ausgebildet sind,
lernen innert weniger Tage (besonders talentierte
Spürnasen noch schneller), auch SARS-CoV-2-Infi-
zierte zu erkennen – und das mit erstaunlicher Treff-
sicherheit. Systematisch erfasst wurde dies in einer
Studie der Veterinärmedizinischen Universität Hanno-
ver. Acht «sniffer dogs» analysierten gut 1000-mal
Speichel- oder Tracheobronchialsekrete von Men-
schen mit oder ohne SARS-CoV-2-Infektion. Die Sen-
sitivität betrug 82,6 Prozent, die Spezifität 96,3 Pro-
zent (4). In einer französischen Studie mit Achsel-
schweissproben von Personen mit und ohne SARS-
CoV-2-Infektion klassifizierten 4 der 8 Hunde 100 Pro-
zent der Proben korrekt, die anderen 4 Hunde lagen zu
83 und 94 Prozent richtig (5).
Angesichts dieser Erfahrungen fordern die Académie
Nationale de Médicine und die Académie vétérinaire de
France weitere Forschung auf diesem Gebiet, die ver-
mehrte Schulung von Hunden zur Erkennung SARS-
CoV-2-Infizierter und die Entwicklung von Leitlinien für
den Einsatz der Supernasen in der Praxis (6).
s
Renate Bonifer
1. Wyllie AL et al.: Saliva or nasopharyngeal swab specimens for detection of SARS-CoV-2. N Engl J Med 2020; 383(13): 1283–1286.
2. Callahan C et al.: Nasal-swab testing misses patients with low SARS-CoV-2 viral loads. medRxiv 2020; preprint Jun 14, 2020; doi: 10.1101/2020.06.12.20128736.
3. Pressemitteilung der Universität Helsinki vom 24. September 2020. 4. Jendrny P et al.: Scent dog identification of samples from COVID-19 pa-
tients – a pilot study. BMC Infect Dis 2020; 20: 536. 5. Grandjean D et al.: Detection dogs as a help in the detection of COVID-19.
bioRxiv 2020; preprint June 5, 2020; doi.org/10.1101/2020.06.03.132134. 6. COVID-19 olfactory screening test using trained dogs. Press release
from the National Academy of Medicineand the Veterinary Academy of France. Bull Acad Natl Med 2020; online ahead of print Sept 15, 2020; doi: 10.1016/j.banm.2020.09.019.
ARS MEDICI 21 | 2020
641