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STUDIE REFERIERT
Funktionelle Störungen
Management von Blähungen in der Praxis
Funktionelle Blähungen und abdominelle Distension sind häufig und beeinträchtigen Lebensqualität und Wohlbefinden. Das Management der Beschwerden ist vielseitig: Verhaltenstherapeutische, diätetische und symptomatische medikamentöse Massnahmen kommen ebenso zum Einsatz wie eine Modulation des Mikrobioms.
Advances in Therapy
Sowohl Patienten mit als auch solche ohne Reizdarmsyndrom (RDS) leiden häufig unter Blähungen oder einem geblähten Bauch – allein oder zusammen mit anderen funktionellen gastrointestinalen Störungen. Über Blähungen berichten etwa 30 Prozent der Erwachsenen, Patienten mit RDS fast immer. Nur etwa die Hälfte klagt gleichzeitig über eine abdominelle Distension, diese ist eher bei Patienten mit chronischer Verstopfung ein Thema.
Achtung bei Alarmzeichen
Die Diagnose der primär funktionellen Blähungen und der abdominellen Distension kann gemäss den Rom-IV-Kriterien dann gestellt werden, wenn die Beschwerden nicht mit anderen funktionellen gastrointestinalen Beschwerden überlappen und organische Ursachen wie eine Zöliakie oder andere Malabsorptions- und Motilitätsstörungen sowie eine chronische Obstipation ausgeschlossen wurden. Die Koexistenz milder abdominaler Schmerzen und/ oder gering ausgeprägter Anomalitäten der Darmbewegungen ist erlaubt. Die Symptome sollten vor mindestens 6 Monaten begonnen und während der letzten 3 Monate bestanden haben. Alarmzeichen wie Gewichtsverlust, rektale Blutung oder eine Anämie bedürfen einer unverzüglichen Abklärung.
Wichtige Anhaltspunkte
Anamnestisch sollten Veränderungen abhängig von der Tageszeit oder der Art der aufgenommenen Nahrung beziehungsweise abhängig von bestimmten Nahrungskomponenten (Milchprodukte, Weizen, Fruktane, Fett, Ballaststoffe, schlecht verdaute und absorbierte Kohlenhydrate) sowie Veränderungen der
Darmgewohnheiten erfragt werden. Auch Symptome, die auf ein RDS, eine funktionelle Obstipation oder eine funktionelle Dyspepsie hinweisen, sollten dokumentiert werden, da das gleichzeitige Vorliegen einer anderen funktionellen gastrointestinalen Störung Einfluss auf die Behandlungsmodalitäten haben kann. Bei der körperlichen Untersuchung sollte auf eine Zunahme des Bauchumfangs sowie Anzeichen eines Darmverschlusses geachtet werden. Eine abdominale Induktivitätsplethysmografie erlaubt eine ambulante kontinuierliche Messung des Bauchumfangs und damit die Objektivierung einer abdominellen Distension. Auch ohne validierte Guidelines zum Vorgehen bei Blähungen empfiehlt die RomIV-2016-Arbeitsgruppe bei Verdacht auf Anämie ein Blutbild sowie eine Zöliakieserologie (und Duodenumbiopsien bei positivem Befund), ein Abdomenröntgen zum Ausschluss einer Obstruktion und einen Atemtest für die Diagnose einer bakteriellen Überwucherung und einer Fehlbesiedlung des Dünndarms.
Individuell vorgehen
Ohne Alarmzeichen oder Anzeichen einer organischen Erkrankung empfehlen die Autoren ein schrittweises, individuelles Vorgehen. Bei Patienten mit milden Symptomen reiche vielleicht schon die Versicherung, dass es sich um gutartige Beschwerden handle. Die richtige Ernährung ist bei der Therapie von Blähungen entscheidend und sollte früh implementiert werden. Je nach Ausmass der Restriktionen sollten geschulte Ernährungsberater involviert werden, um Ernährungsdefizite zu vermeiden und die Compliance zu verbessern. Zur symptomatischen Behandlung von Blähungen stehen verschiedenen Optio-
nen zur Verfügung. Bei einigen Patienten können Spasmolytika eine Linderung der Symptome bewirken. Simethicon konnte in einer kleinen Doppelblindstudie die Häufigkeit und die Schwere der Aufblähung und der Blähungen mindern. In zwei anderen kontrollierten Studien konnte durch Pfefferminzöl die abdominelle Distension im Vergleich zu Plazebo signifikant reduziert werden. Trotz ihrer Popularität mangele es an Evidenz für gebräuchliche Wirkstoffe wie Aktivkohle, Iberogast® und Magnesiumsalze, so die Autoren. Bei Patienten mit Verstopfung könne die medikamentöse Therapie mit Lubiproston, Prucaloprid oder Linaclotid zu einer Verbesserung der Obstipation sowie zu einer Abnahme der Blähungen führen. Auch eine Modulation des Mikrobioms mag exzessive Fermentation und Blähungen reduzieren. Eine Verbesserung der Blähungen sei in kontrollierten Studien beispielsweise unter Rifaximin beschrieben worden, auch Probiotika könnten zu einer therapeutischen Option werden, obgleich die Studien bislang – möglicherweise aufgrund fehlender Standardisierungen im Design – gemischte Ergebnisse geliefert hätten, wie die Autoren anmerken. Eine Biofeedbacktherapie kann sich via Verminderung diaphragmatischer und interkostaler Muskelkontraktionen günstig auf Blähungen und Bauchumfang auswirken. Auch eine kognitive Verhaltenstherapie mit oder ohne begleitende Gabe von Antidepressiva kann Blähungen reduzieren. Mü s
Quelle: Mari A et al.: Bloating and abdominal distension: clinical approach and management. Adv Ther 2019; 36: 1075–1084.
Interessenlage: Die Autoren der referierten Studie geben an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
ARS MEDICI 19 | 2020
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