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BERICHT
Funktionelle Verdauungsbeschwerden
Abklärung und Therapie beim Hausarzt
Reizdarm ist ein häufiges Leiden. Eine sorgfältige Abklärung mit Ausschluss aller Alarmsymptome bereitet den Boden für die Therapie. Realistische Ziele und eine gute Arzt-Patienten-Beziehung unterstützen den Therapieerfolg. In der Therapie ergänzt ein neues Phytotherapeutikum die medikamentösen Optionen.
Das Reizdarmsyndrom (irritable bowel syndrome, IBS) ist nach der Refluxerkrankung wahrscheinlich die zweithäufigste gastrointestinale Erkrankung. Es hat einen hohen Anteil an psychiatrischer Komorbidität wie somatoforme Störungen, Angststörungen und Depression. Das Syndrom führe zu einer starken Einschränkung der Lebensqualität und verursache hohe Kosten, berichtete PD Dr. Daniel Pohl, Leiter Funktionsdiagnostik Gastroenterologie, Universitätsspital Zürich. Gemäss den ROM-IV-Kriterien braucht es für eine IBS-Diagnose rezidivierende abdominelle Schmerzen im Zusammenhang mit dem Stuhlgang und Veränderungen in Stuhlfrequenz oder Stuhlkonsistenz (1). Die Subtypen des IBS beziehungsweise die Zugehörigkeit zur diarrhö- oder obstipationslastigen Form der Erkrankung werden anhand der Bristol-Stuhlform-Skala festgelegt (2). Die Ursache des IBS ist letztlich ungeklärt, immer wieder rückt die Ernährung als Symptomauslöser ins Blickfeld. Bis zu ein Viertel der Bevölkerung gibt Nahrungsmittelunverträglichkeiten an, bei IBS-Patienten besteht bei bis zu 65 Prozent eine Assoziation zwischen den Beschwerden und den Nahrungsmitteln (3). Einen Versuch wert ist die FODMAP-Diät, bei
Kasten:
Eckpunkte Reizdarm (IBS)
▲ ROM-IV-Kriterien: Schmerz obligat für IBS-Definition ▲ Diagnose: strukturierte Abklärung ▲ physiologische Testung (Nahrungsmittelbelastungstests helfen bei der Symptomreproduktion und können Therapieentscheide steuern ▲ gynäkologische Abklärung bei der Frau nicht vergessen ▲ neue S3-Leitlinie IBS (D-A-CH) kommt 2020
Eckpunkte Reizmagen (FD)
▲ ROM-IV-Kriterien: Subtypisierung PDS, EPS ▲ multifaktorielle Anamnese ▲ Diagnose: strukturierte Abklärung, Endoskopie obligat für Diagnosestellung ▲ H.-pylori-Testung; wenn positiv, handelt es sich um eine H.-pylori-Dyspepsie und nicht um einen FD
der Nahrungsmittel mit fermentierbaren Zuckeranteilen vermieden werden. Bei etwa drei Viertel der Patienten wirkt eine FODMAP-arme Ernährung symptomlindernd. Patienten, deren Symptome allerdings jenseits des 50. Altersjahrs beginnen oder mit Gewichtsverlust, Blut im Stuhl oder nächtlichen Beschwerden einhergehen, sollten ebenso wie Patienten mit einer Familienanamnese mit Kolonkarzinom, chronisch entzündlichen Darmerkrankungen oder Ovarialkarzinom zur weiteren Abklärung dem Gastroenterologen zugewiesen werden.
Was abklären?
Bei allen IBS-Patienten empfiehlt es sich, eine Zöliakie auszuschliessen und eine altersentsprechende Darmkrebsvorsorge einzuleiten. Bei gemischten oder diarrhölastigen IBS-Typen (IBS-D/M) gehören ein Calprotectintest, eine Messung der Pankreaselastase, eine Parasitologie und Biopsien in verschiedenen Segmenten im Rahmen einer Koloskopie zur Abklärung. Bei einem obstipationslastigen IBS (IBS-C), das auf einfache Laxanzien nicht anspricht, geben die Analmanometrie und gegebenenfalls eine MRI-Defäkografie weiteren Aufschluss. Bei weiblichen Patienten mit Reizdarmsyndrom solle ein gynäkologisches Konzil mit endovaginalem Ultraschall ein Ovarialkarzinom, eine Endometriose, eine Ovarialzyste oder eine Adnexitis ausschliessen, so die Empfehlung von Pohl. Beim Reizmagen beziehungsweise bei der funktionellen Dyspepsie gibt es ebenfalls keine Evidenz für eine strukturelle Erkrankung, die die Symptome erklären könnte (4). Störendes Völlegefühl, störendes frühes Sättigungsgefühl, störender epigastrischer Schmerz oder Brennen in den letzten drei Monaten definieren die funktionelle Dyspepsie (5). Es werden zwei Typen unterschieden: PDS (postprandial distress syndrome) mit postprandialem Sättigungs- und Völlegefühl und EPS (epigastric pain syndrome) mit Magenschmerzen oder Brennen, das auch unabhängig von einer Nahrungsaufnahme auftreten kann. Postprandiales Brennen oder Schmerz, Blähungen, Aufstossen und Nausea begleiten die funktionelle Dyspepsie (4, 5). Nach Ausschluss von Alarmzeichen wie Symptombeginn > 40 Jahre, Gewichtsverlust, Dsyphagie, chronisches Erbrechen, Ikterus und nächtliche Symptome besteht die Diagnostik aus einem Basislabor,
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Therapiekonzept IBS Symptomstärke/Frequenz
TRANSIT
Periphere Therapieansätze
PERZEPTION
Zentrale Therapieansätze
1
Luminale/mukosale Wirkung
• Diät (FODMAPS) • Laxativa, Ballast-
stoffe • Spasmolytika • Cholestyramin • Naturheilmittel:
Iberogast Carmenthin (Liste B) • Loperamid • Probiotika/Stuhl-TPL • Rifaximin
2
Zelluläre Wirkung
• Linaclotid • Lubiproston • Prucaloprid
3 Zentrale Wirkung
4 Zusätzliche Therapien
• Antidepressiva (TCA, SSRI, SNRI)
• kognitive Verhaltenstherapie
• Hypnose • «Mind-Body»
Quelle: Prof. S. Vavricka, FOMF 2020.
kung zu nehmen, indem man sie über die Benignität und die gute Prognose der Erkrankung informiere. Zuzuhören, die Erwartungen des Patienten abzuklären, realistische Ziele zu setzen und den Patienten in den Therapieentscheid einzubeziehen wirke sich auf die Arzt-Patienten-Beziehung und letztlich auch auf den Therapieerfolg positiv aus, betonte Prof. Stephan Vavricka, Zentrum für Gastroenterologie und Hepatologie, Zürich. Der Ratschlag zu mehr körperlicher Bewegung und die Überweisung zu einer Ernährungsberatung sind zusätzlich zur medikamentösen Therapie sinnvoll. Bei der Pharmakotherapie kann einerseits mit peripheren Therapieansätzen der Transit verbessert werden, andererseits lässt sich mit zentralen Therapieansätzen die Schmerzwahrnehmung verbessern (Abbildung). Peripher auf das Lumen oder die Mukosa wirken beispielsweise Diäten, Laxativa, Ballaststoffe, Spasmolytika und Cholestyramin, ebenso Phytotherapeutika wie Iberogast® und Carmenthin®, das aus einer Mischung aus Pfefferminz- und Kümmelöl (Menthacarin) besteht. Eine zelluläre Wirkung haben Linaclotid, Lubiproston und Prucaloprid. Mit zentralen Ansätzen wie Antidepressiva, kognitiver Verhaltenstherapie, Hypnosen und Mind-Body-Therapie soll die Schmerzperzeption moduliert werden.
einer Gastroskopie und einer Abdomensonografie zum Ausschluss anderer Ursachen. Zusatztests wie Nahrungsmittelbelastungstests, Messung der Magenentleerung fester Substanzen mittels 13C-Oktansäure-Atemtest oder eine 24-Stunden-Impedanz-pH-Metrie zur Abgrenzung einer Refluxerkrankung geben weitere Hinweise.
Therapeutische Möglichkeiten bei Reizdarm
Bei der Behandlung der Reizdarmpatienten sei es sehr wichtig, den Patienten die Angst vor einer schlimmen Erkran-
Tabelle:
Medikamentöse Therapie (Auswahl)
Leitsymptom Blähungen, Blähbauch, Völlegefühl Schmerzen
Krämpfe
Verstopfung
Durchfall
Arzneimittel
Phytotherapeutika (z. B. Pfefferminz-/ Kümmelöl) Entschäumer (z. B. Simeticon)
Phytotherapeutika (z. B. Pfefferminz-/ Kümmelöl) Spasmolytika (z. B. Scopolamin)
Phytotherapeutika (z. B. Pfefferminz-/ Kümmelöl) Spasmolytika (z. B. Scopolamin)
Phytotherapeutika (z. B. Sennesfrüchte) Ballaststoffe (z. B. Flohsamen) Probiotika Laxanzien (z. B. Macrogol)
Ballaststoffe (z. B. Flohsamen, Sterculia) Peristaltikhemmer (z. B. Loperamid)
Quelle: Prof. S. Vavricka, FOMF 2020
Neues Phytotherapeutikum
Für Patienten, die pflanzliche Arzneimittel bevorzugen, ist mit
dem Kombinationspräparat aus Pfefferminz- und Kümmelöl
(Menthacarin) ein weiteres Phytotherapeutikum auf den
Schweizer Markt gekommen. Pfefferminzöl wirkt entspan-
nend auf die Muskulatur, bessert Bauchkrämpfe und redu-
ziert Motilitätsstörungen, wirkt analgetisch und antibakteri-
ell, regt den Gallefluss an und reduziert die Schaumbildung
(6). Kümmelöl wirkt selektiv auf das Wachstum pathogener
und gasbildender Keime wie beispielsweise Bacteroides fragi-
lis, Candida albicans und Clostridium spp. Damit reduziert es
Schaumbildung und wirkt schmerzlindernd. Nützliche Bakte-
rien wie beispielsweise Laktobazillen, Bifidobakterien und E.
coli werden dabei nicht gehemmt (7). In der Kombination
wirken die beiden ätherischen Öle additiv und synergistisch
gegen übermässiges Schmerzempfinden im Bauchraum und
gegen Blähungen (8, 9). Gemäss einer Studie mit 50 Patienten
sprechen 69 Prozent der Patienten innerhalb einer Woche auf
Menthacarin mit einer Verbesserung der Symptome an (10).
In einer prospektiven, multizentrischen, randomisierten Dop-
pelblindstudie mit Menthacarin 2 × 1 Kapsel/Tag versus Pla-
zebo während 28 Tagen (n = 114) sank der Schmerzscore für
Schmerzen und Krämpfe unter dem Verum signifikant stärker
als unter Plazebo, ebenso der Discomfort-Score, mit dem
Druck- und Völlegefühl erhoben wurden (11). In einer Ver-
längerungsstudie blieb die Wirkung auf Schmerzen und
Krämpfe ebenso wie auf Druck- und Völlegefühl über
12 Wochen erhalten (12). Die Grössenordnung der Wirkung
in Bezug auf Schmerzreduktion und Linderung des Druck-
und Völlegefühls entspricht etwa der des nicht mehr erhältli-
chen Prokinetikums Cisaprid (13).
s
Valérie Herzog
Quelle: «Funktionelle Verdauungsbeschwerden» FOMF-WebUp, 10. Juni 2020.
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