Transkript
Jahresbericht 2019/2020
Ordentliche Generalversammlung der FMP vom Juni 2020
Das Schweizer Gesundheitssystem zeigt im Jahre 2019 keine relevanten Veränderungen. Wahrscheinlich nicht zuletzt aufgrund der Nationalratswahlen vom Oktober 2019 wurden die gesundheitspolitischen Themen nicht weiter vorangetrieben. In der neuen Legislatur stehen die Gesundheitspolitiker vor diversen Vorlagen, die seit Jahren beraten werden und die zu einem Abschluss kommen müssen. Die Botschaft zum ersten Kostendämpfungspaket des Bundesrats wurde am 24. August 2019 verabschiedet. Diese Massnahmen setzen schwergewichtig im ambulanten Bereich an. Mit diesen Massnahmen drohen uns ein ambulantes Globalbudget und durch die Verlagerung stationärer Leistungen in den ambulanten Bereich auch Rationierungen von ambulanten Leistungen. Die Ärzteschaft will sich vehement dagegen wehren. So hat beispielsweise die Ärztegesellschaft des Kantons Zürich (AGZ) in einem Schreiben an den Bundesrat gefordert, dass das Gesundheitsversorgungssystem der Schweiz und seine Reformierung sich zuerst am Bedarf und den Bedürfnissen der Menschen zu orientieren haben, welche die Versorgungsleistungen benötigen. Entsprechend soll eine Reformierung die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Angehörigen der Gesundheitsberufe die benötigten Leistungen unter guten Bedingungen und mit guter Qualität erbringen können. Der Vorstand der Ärztegesellschaft des Kantons Zürich hat gar ein anerkanntes Forschungsinstitut beauftragt, eine qualitative und quantitative Analyse des Bedarfs und der Bedürfnisse der Menschen vorzunehmen, die das Versorgungssystem potenziell oder tatsächlich in Anspruch nehmen und den Menschen die Versorgungsleistungen anbieten. Vor Kurzem sind die Resultate dieser Analyse publiziert worden.
Zusammengefasst wünschen sich die Patienten, dass die Grundversorgung gestärkt und die Patientenautonomie gefördert wird. Patienten und Ärzte sollen in der Lage sein, alle notwendigen Informationen auszutauschen, partnerschaft-
lich medizinische Entscheidungen zu treffen und gemeinsam vorauszuplanen. Dazu braucht es Zeit! Entsprechend sollen allgemeine Zeit- und Budgetlimitierungen vermieden werden, denn diese treffen letztlich vor allem die Schwächsten. Die Bevölkerung ist sehr zufrieden mit der Qualität der ärztlichen Behandlung und will, dass diese auf dem heutigen hohen Niveau bleibt. Tiefere Prämien bei längeren Wartezeiten würden für die meisten Menschen eine Verschlechterung bedeuten. Weniger Spitäler und die Einschränkung der freien Spitalwahl sind am ehesten akzeptierte Massnahmen zur Kostensenkung. Ärzteorganisationen haben in ihrer Stellungnahme dem Bundesrat offen mitgeteilt, dass sie für den Fall, dass das Gesetzesvorhaben mit der Deckelung der ambulanten Kosten in dieser Form durchgezogen werden sollte, das Referendum ergreifen beziehungsweise ein von der Ärzteschaft ergriffenes Referendum mittragen werden. Auch die FMP ist bereit, ein solches Referendum zu unterstützen. Die Frühjahrssession 2020 im Parlament musste nach zwei von drei Sessionswochen aufgrund der Coronakrise abgebrochen werden. Somit mussten zur Behandlung durch die Räte vorgesehene Geschäfte auf einen späteren Zeitpunkt neu traktandiert werden. Betreffend die Zulassung von Leistungserbringern einigten sich National- und Ständerat darauf, dass auf eine Koppelung mit der Vorlage über die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen verzichtet wird. Strittig ist derzeit noch,
ob den Krankenkassen ein Beschwerde-
recht gegen die kantonale Erlassung zur
Zulassungssteuerung einzuräumen ist.
So erwarten uns weitere Entscheidungen
zum Kostendämpfungspaket 1 erst im
Sommer 2020. Auch bezüglich des Pro-
jekts TARDOC wurde vom Bundesamt
für Gesundheit die Prüfung der Tarif-
struktur erst im Sommer 2020 in Aussicht
gestellt. So ist nicht damit zu rechnen, dass
der neue Tarif vor dem 1. Januar 2021 in
Kraft treten kann.
Ein wichtiger Schritt in die richtige Rich-
tung ist der FMCH im Jahre 2019 gelun-
gen. Zusammen mit der FMH hat sie mit
der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht
(FINMA) Gespräche geführt. Das Ergeb-
nis war, dass Zusatzhonorare im ambulan-
ten Bereich zulässig sind. Generell müssen
aber sowohl im ambulanten als auch im
stationären Bereich die Mehrleistungen
ausgewiesen und dokumentiert werden.
Sind die Mehrleistungen ausgewiesen,
können Zusatzhonorare gestellt werden,
unabhängig von der Versicherungsde-
ckung der Patienten.
Wie die meisten Ärzteorganisationen be-
kundet auch die FMP Mühe, junge Ärzte
zu motivieren, in einer Ärzteorganisation
politisch aktiv zu werden. So hat sich die
FMP für das nächste Jahr das Ziel ge-
setzt, in die Aufklärung und Motivation
der jungen Ärzte zu investieren, damit
diese wichtige politische Arbeit der Ärzte
auch für die nächste Generation aufrecht-
erhalten werden kann. Das Ziel muss ein
Nachwuchsprojekt sein, bei dem die jun-
gen Ärzte gegen Ende ihrer Ausbildung
zum Facharzt auf die aktuellen politischen
Probleme der Ärzteschaft hingewiesen
werden. Zu diesem Zeitpunkt muss man
sie motivieren, in einer Form für die An-
liegen der Ärzte weiterzukämpfen, damit
Organisationen wie die FMP auch weiter-
leben.
s
Dr. med. Gerardo Juan Maquieira Präsident FMP Schweiz
Der besseren Lesbarkeit wegen verzichten wir auf die weibliche Form, gemeint sind immer beide Geschlechter.
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ARS MEDICI 13 | 2020