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STUDIE REFERIERT
Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
Schwangerschaft bei mildem Erkrankungsstatus kein Problem
Die Inzidenz chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (IBD) ist in der zweiten bis vierten Lebensdekade am höchsten, und viele Frauen mit IBD glauben, dass sie auf Kinder verzichten sollten. Eine kürzlich publizierte Studie aus Korea bestätigt, dass IBD per se kein Grund ist, einer IBD-Patientin von einer Schwangerschaft abzuraten.
Alimentary Pharmacology and Therapeutics
Die Autoren der retrospektiven Kohortenstudie stützen sich auf Daten der nationalen koreanischen Krankenversicherung, in der 98 Prozent der Bevölkerung erfasst sind. Ausgewertet wurden die Daten von 2058 Frauen mit IBD, die zwischen 2007 und 2016 schwanger waren; 589 hatten Morbus Crohn und 1469 Colitis ulcerosa. Die Schwere der Erkrankung zu Beginn der Schwangerschaft wurde anhand der Medikation abgeschätzt und in zwei Kategorien eingeteilt: keine bis leichte Krankheitsaktivität und mittelschwere bis schwere Krankheitsaktivität. Als Kontrolle dienten 20 580 Schwangere gleichen Alters ohne IBD. Folgende Schwangerschaftskomplikationen wurden in Bezug auf IBD analysiert: Frühgeburt, Präeklampsie/Eklampsie, Schwangerschaftsdiabetes, Totgeburt, vermindertes intrauterines Wachstum des Fetus (vermindertes Geburtsgewicht). Im Allgemeinen war die Schwangerschaftsquote der Frauen mit IBD niedriger als bei Frauen ohne IBD (25,7% vs. 32,3%; p < 0,001), was nach Ansicht der Studienautoren weniger an mangelnder Fertilität als am freiwilligen Verzicht auf eine Schwangerschaft wegen der IBD gelegen haben dürfte. Krankheitsaktivität ist entscheidend Die Studie zeigt, dass für die Inzidenz von Schwangerschaftskomplikationen bei IBD in erster Linie die Krankheitsaktivität entscheidend ist. Bei den Schwangeren ohne oder mit nur leichter IBD-Aktivität fanden sich keine statistisch signifikanten Unterschiede bei den oben genannten Parametern im Vergleich mit der Kontrollgruppe. Schwangere, deren IBD als mittelschwer bis schwer eingestuft wurde, hatten hingegen eine niedrigere Rate an Lebendgeburten (65% vs. 69,9%; OR: 0,79; 95%-KI: 0,66–0,94). Auch die Rate der Spontanaborte war bei ihnen höher als bei Frauen ohne IBD (14,9% vs. 11,9%: OR: 1,33; 95%-KI: 1,04– 1,68) sowie die Anzahl der Kaiserschnitte (46,4% vs. 38,8%; OR: 1,41; 95%-KI: 1,14–1,74). Ein intrauteriner Wachstumsverzug des Fetus war insgesamt selten, jedoch deutlich häufiger bei Schwangeren mit mittelschwerer bis schwerer IBD (3,4% vs 1%; OR: 3,20; 95%-KI: 1,75–5,84). Keinen Unterschied fand man zwischen den Schwangeren mit IBD aller Aktivitätsgrade und der Kontrollgruppe bezüglich der Risiken für Präeklampsie/ Eklampsie, Schwangerschaftsdiabetes und Totgeburten. Das Risiko einer Frühgeburt wird durch eine IBD ebenfalls nicht gesteigert. Bei den Schwangeren ohne oder mit nur leichter IBD war es sogar niedriger als in der Kontrollgruppe ohne IBD (1,3% vs. 2,2%). Krankheitsaktivität vorher minimieren Diese Studie bestätigt aktuelle Empfeh- lungen, wonach bei Kinderwunsch ei- ner IBD-Patientin die Krankheitsaktivi- tät erfasst und gegebenenfalls durch eine geeignete Medikation minimiert werden sollte. Eine kortikosteroidfreie, durch Endoskopie oder andere objek- tive Marker bestätigte Remission sollte mindestens 3 Monate vor Eintritt der Schwangerschaft bestehen. «Wir schla- gen vor, dass Frauen mit einer IBD, die schwanger werden wollen, intensiver behandelt werden, um die Remission zu erreichen», so das Fazit der Studienau- toren aus Korea. RBO s Quelle: Lee HH et al.: Pregnancy outcomes in women with inflammatory bowel disease: a 10-year nationwide population-based cohort study. Aliment Pharmacol Ther 2020; 51(9): 861–869. Interessenlage: Die referierte Studie wurde vom koreanischen Nationalfonds finanziert. ARS MEDICI 11+12 | 2020 357