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Häufige proktologische Beschwerden
Wie eine Schmerzlinderung erreicht werden kann
BERICHT
Foto: zVg
Hämorrhoiden und Analfissuren sind häufige und schmerzhafte proktologische Beschwerden, die je nach Stadium oder Akuität anders behandelt werden müssen. Wie die therapeutischen Möglichkeiten aussehen, erläuterte Prof. Stephan Vavricka am FOMF Innere Medizin in Zürich.
Hämorrhoiden sind häufig und können sehr
störend und schmerzhaft sein. Über die Prä
valenz gibt es trotz der Häufigkeit wenig Daten.
Man könne aber davon ausgehen, dass etwa
40 Prozent in der Bevölkerung an Hämorrhoi
den erkrankten, schätzt Vavricka. In einer ös
terreichischen Studie mit 976 Patienten mit
kolorektalem Karzinom hatten 39 Prozent
auch Hämorrhoiden, davon 45 Prozent mit und
Prof. Stefan Vavricka
55 Prozent ohne Symptome (1). Weil Hämor rhoiden auch häufig asymptomatisch sein kön
nen, ist die Dunkelziffer vermutlich hoch. Beide Geschlechter
sind etwa gleich betroffen, die Altersverteilung liegt ungefähr
bei 45 bis 65 Jahren (2). Hämorrhoiden entstehen infolge
einer Schwäche des analen Bindegewebes mit Verlagerung der
Gefässpolster nach distal und Venendilatation, Grössen
zunahme und Prolaps. Das macht sich am häufigsten durch
eine schmerzfreie rektale Blutung (Frischblut) bemerkbar. Als
weitere Symptome können Pruritus, Nässen und Schmieren,
Prolaps mit oder ohne Schmerzen auftreten.
Risikofaktoren sind allem voran eine Schwangerschaft, häufig
auch eine faserarme Ernährung, chronisches Pressen, Obsti
pation und Diarrhö, wenig Bewegung sowie eine positive
Familienanamnese.
Hämorrhoiden werden in verschiedene Schweregrade einge
teilt: Grad I: Vorwölbung im Proktoskop; Grad II: Austreten
nach aussen bei Pressen mit spontaner Reposition; Grad III:
KURZ & BÜNDIG
� Häufige Gründe für Hämorrhoiden und Analfissuren sind eine faserarme Ernährung und langes Pressen beim Stuhlgang.
� Hämorrhoiden von Grad I bis II können konservativ behandelt werden oder endoskopisch mittels Gummibandligatur (Grad I–III).
� Die Therapie von akuten Analfissuren ist konservativ, chronische Manifestationen sollten operiert werden.
Austreten nach aussen bei Pressen mit digitaler Reposition; Grad IV: Spontanprolaps ohne Reposition.
Therapie der Hämorrhoiden
Generell helfen Lebensstilmodifikationen mit faserreicher Ernährung und genügend Flüssigkeit, regelmässiges körper liches Training, gute Analhygiene, kein starkes und langes Pressen beim Stuhlgang und Vermeiden von obstipierenden oder abführenden Medikamenten. Bei nicht prolabierenden Hämorrhoiden vom Grad I/II zeigen Nahrungsfasern eine gute Wirkung. In einer Metaanalyse über 7 randomisiert kontrollierte Studien mit 378 Patienten bewirkten 20 bis 30 g Fasern pro Tag eine Halbierung des Risikos für eine Beschwerdepersistenz sowie für eine Blutung (3). Zur medikamentösen Unterstützung eignen sich stuhlregulie rende Substanzen (z. B. Transipeg®, Movicol®), eine ballast stoffreiche Diät (z. B. Metamucil®) und orale Flavonoide. Eine Kombination aus den Flavonoiden Diosmin und Hesperidin (Daflon®) führt zur Konstriktion der Venen, zu einer Er höhung des Gefässwiderstandes und zu einer verminderten Gefässpermeabilität, wie eine Metaanalyse über 14 randomi siert kontrollierte Studien mit 1514 Patienten mit Hämor rhoiden von Grad I bis III zeigte. Die Risikoreduktion für eine Beschwerdepersistenz lag bei 58 Prozent. Flavonoide scheinen einen günstigen Effekt in der Therapie von symptomatischen Hämorrhoiden zu haben (4). Lokale Therapien in Form von Salben, Cremes oder Suppositorien dienen der Reduktion von Juckreiz, Brennen und der Schmerzlinderung. Sie enthalten meist Kortikosteroide oder Lokalanästhetika. Als endoskopische Massnahme bei Hämorrhoiden Grad I bis III gilt die Gummibandligatur, die die zuführenden Gefässe in die Hämorrhoiden abbindet, wodurch das abgetrennte Ge webe abstirbt. Mit einer Erfolgsrate von 85 Prozent ist diese Methode sehr effektiv, und sie weist eine tiefe Rückfall- be ziehungsweise Nachbehandlungsrate auf. Komplikationen können jedoch in Form von Schmerz, Nachblutungen, Thrombose, Ulkus, Harnretention oder Abszess auftreten. Die Trias mit Schmerz, hohem Fieber und Harnretention ist Zeichen einer «pelvic sepsis». Weitere endoskopische Verfahren für Grad I bis II sind die Sklerotherapie und die Infrarotkoagulation (5, 6). Sie würden
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in der Schweiz nicht so häufig wie die Gummibandligatur durchgeführt, erklärte Vavricka. Bei Hämorrhoiden von Grad III und IV empfiehlt sich die chirurgische Entfernung, zumal die Gummibandligatur bis Grad II gleich effizient ist wie die konventionelle Hämorrhoid ektomie, aber schlechter bei Grad III. Die Patientenzufrieden heit ist bei beiden Methoden vergleichbar, die Gummiband ligatur führt jedoch zu weniger postinterventionellen Schmerzen und Komplikationen (7).
Behandlung von Analfissuren meist konservativ
Auch Analfissuren sind schmerzhaft. Der längs verlaufende Einriss der Analhaut zeigt sich typischerweise (90%) in Rich tung des Steissbeins, atypische Fissuren verlaufen dagegen in Richtung Genitale und sind oft mit Morbus Crohn, Leuk ämie, HIV, Tuberkulose, Lues oder einem Karzinom assoziiert oder akzidentell. Fissuren entstehen oft durch harte Kot ballen, bei chronischer Obstipation und durch Manipulation. Es entsteht ein Circulus vitiosus mit Schmerzen, die einen Spasmus des inneren Sphinkters auslösen, der zu einer ver minderten Perfusion führt und in der Folge zu hartem Stuhl, was wiederum Schmerzen bereitet. Bei einer akuten Analfissur entstehen bei der Defäkation die Schmerzen, die bis zu 15 bis 30 Minuten anhalten. Es zeigt sich hellrotes Blut auf dem Toilettenpapier. Hier ist die Therapie meist konservativer Natur mit Spasmolytika, um eine bessere Perfusion zu ermög lichen. Bei einer chronischen Analfissur persistieren die Symptome länger als 6 bis 8 Wochen trotz adäquater Therapie. Es besteht bereits eine tief reichende Destruktion bis in den inneren Analsphinkter. Es kommt zur Ausbildung von Narbenge webe, zu sichtbaren Fasern des M. sphincter ani internus in der Basis, zu einer Hautfalte (Wächtermariske) und häufig zu einer hypertrophierten Analpapille. Bei der chronischen Anal fissur braucht es meist eine operative Massnahme. Die konservative Basistherapie bei Analfissuren besteht aus Sitzbädern und einer faserreichen Ernährung. In einer pros pektiv randomisierten Studie mit 103 Patienten mit erstmali ger akuter Analfissur wurde zweimal tägliches Sitzbaden plus Einnahme von zweimal täglich 10 g Weizenkleie versus lokale Lidocain- (2%) oder lokale Hydrocortisontherapie (2%) verglichen. Nach 3 Wochen waren in der Sitzbad-Weizen kleie-Gruppe 87 Prozent der Fissuren abgeheilt, in der Hydro cortisongruppe 82 Prozent und in der Lidocaingruppe 60 Prozent (8). Gute Erfolge bringt auch die topische Therapie mit Nitro glyzerincreme (0,2%). Diese wird dreimal täglich lokal auf getragen, was zu einem verminderten intrasphinkterischen
Druck und zu einer erhöhten Perfusion im Bereich der Fissur
führt. Die Heilungsrate liegt zwischen 27 und 85 Prozent, die
Rezidivrate zwischen 0 und 43 Prozent. Als Nebenwirkung
von Nitroglyzerin können Kopfschmerzen auftreten, was zum
Therapieabbruch führen kann. Eine valable Alternative ist die
Nifedipincreme (0,2%). Der Kalziumkanalblocker bewirkt
ebenfalls eine Verminderung des intrasphinkterischen Drucks.
Nifedipincreme wird dreimal täglich lokal aufgetragen. Die
Heilungsrate liegt zwischen 45 und 95 Prozent, die Rezidiv
rate zwischen 4 und 50 Prozent. Es gibt allerdings keine
Fertigprodukte, bei erwiesener Wirksamkeit treten seltener
Kopfschmerzen auf (9, 10). Bei beiden topischen Creme
behandlungen sollte das Resultat nach 3 bis 6 Wochen über
prüft werden, rät Vavricka. Bringen diese Therapien nicht den
gewünschten Erfolg, kann Botulinumtoxin A versucht wer
den. Das Nervengift wird in den Schliessmuskel injiziert, was
zu einer zeitlich limitierten (2 bis 3 Monate) unvollständigen
Lähmung des Schliessmuskels führt. Der Schliessmuskel
krampf wird damit rasch gelöst. Die Heilungsrate liegt zwi
schen 25 und 96 Prozent, die Rezidivrate bei 4 bis 50 Prozent.
Der Vorteil dieser Therapie liegt in der einmaligen Injektion
und der Schmerzfreiheit ab dem ersten Tag. Als Nachteile
müssen die Kosten, die Schmerzen bei der Injektion, die mög
liche Perianalvenenthrombose (5–10%), die vorübergehende
Inkontinenz (3–12%) und die Infektgefahr genannt werden
(9, 10).
s
Valérie Herzog
Quelle: «Proktologie», FOMF Innere Medizin, 4. Dezember 2019 in Zürich.
Referenzen: 1. Riss S et al.: The prevalence of hemorrhoids in adults. Int J Colorectal Dis
2012; 27: 215–220. 2. Johanson JF et al.: The prevalence of hemorrhoids and chronic constipa-
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