Transkript
FORTBILDUNG
Nachsorge nach Polypektomie oder Entfernung eines kolorektalen Karzinoms
Was die aktuelle britische Leitlinie empfiehlt
Wie sieht das koloskopische Nachsorgeprogramm nach der Entfernung von Dickdarmpolypen oder nach Resektion eines kolorektalen Karzinoms aus? Gibt es Alternativen zur klassischen Koloskopie? Eine aktualisierte Guideline gibt Antworten auf diese Fragen.
Gut
Die meisten kolorektalen Karzinome (CRC) entwickeln sich aus prämalignen Polypen – ein Prozess, der sich über Jahre erstreckt. Die endoskopische Polypektomie kann Inzidenz und Mortalität des CRC senken. Einige Patienten mit prämalignen Polypen (Adenome oder serratierte Polypen), die bei einer Koloskopie entdeckt wurden, entwickeln mit höherer Wahrscheinlichkeit metachrone Polypen oder CRC. Das endoskopische Follow-up von Patienten mit diesen Polypen wird als Surveillance-Koloskopie (Nachsorgekoloskopie) nach Polypektomie bezeichnet. Ebenso können Patienten nach einer CRC-Resektion ein metachrones CRC entwickeln, deshalb bietet man ihnen nach der Operation ebenfalls eine koloskopische Nachsorge an. Das Nachsorgeprogramm zielt darauf ab, metachrone prämaligne Polypen zu detektieren und zu resezieren sowie Läsionen zu erfassen, die bei der initialen Untersuchung nicht identifiziert wurden. Damit soll Krebs verhindert und die CRC-Mortalität gesenkt werden.
Surveillance-Koloskopien belasten Patienten und Endoskopieteams
Prämaligne Polypen sind häufig. Man findet sie bei 25 bis 50 Prozent der Personen im Screeningalter, doch nur etwa 5 Prozent der Bevölkerung entwickeln im Lauf ihres Lebens ein CRC. Es ist möglich, Personen hinsichtlich ihres zukünftigen CRC-Risikos zu stratifizieren sowie Patientengruppen
zu identifizieren, die über ihre Indexpolypektomie hinaus ein erhöhtes CRC-Risiko haben. Doch trotz der heute üblichen Stratifizierung stellen die Nachsorgekoloskopien für Patienten und endoskopische Abteilungen eine erhebliche Belastung dar. In Grossbritannien entfallen etwa 15 Prozent der jährlichen Koloskopien auf Nachsorgekoloskopien nach Polypektomie.
Britische Nachsorge-Guideline auf den neuesten Stand gebracht
Kürzlich aktualisierten britische Fachgesellschaften ihre Leitlinie zum Einsatz von Nachsorgekoloskopien und nicht koloskopischen bildgebenden Verfahren nach Polypektomie oder CRC-Resektion. Den Leitlinienautoren ging es darum, folgende Fragen aufzuarbeiten: s Welche Patienten sollten nach Polypektomie oder nach
Karzinomresektion an einem Nachsorgeprogramm teilnehmen? s In welchen Abständen sollten die Kontrolluntersuchungen stattfinden? s Wann kann die Nachsorge beendet werden? Die Leitlinie wurde von folgenden Institutionen gemeinsam beauftragt: British Society of Gastroenterology, Association of Coloproctology of Great Britain and Ireland sowie English Bowel Cancer Screening Programme (Public Health England). Patienten mit hereditären kolorektalen Syndromen wurden nicht berücksichtigt, da es hierfür eine separate aktualisierte Leitlinie gibt.
MERKSÄTZE
� Die koloskopische Entfernung prämaligner Polypen aus dem Dickdarm ist ein wirksames Instrument zur Vorbeugung kolorektaler Karzinome.
� Wenn die Indexkoloskopie mit Polypektomie einen Hochrisikobefund ergibt, sollte nach drei Jahren eine Nachsorgekoloskopie durchgeführt werden.
� Wurde ein kolorektales Karzinom reseziert, sollte innerhalb eines Jahres eine Koloskopie erfolgen.
Die wichtigsten Empfehlungen
Nach intensiver Literaturrecherche formulierten die Leit linienautoren unter anderem folgende Empfehlungen und Vorschläge: s Empfehlung: Hochrisikokriterien für ein zukünftiges CRC
sind: s ≥ 2 prämaligne Polypen, davon ≥ 1 fortgeschrittener
kolorektaler Polyp (definiert als serratierter Polyp, der ≥ 10 mm gross ist oder eine Dysplasie enthält, oder als Adenom, das ≥ 10 mm gross ist oder eine hochgradige Dysplasie enthält) oder s ≥ 5 prämaligne Polypen.
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ARS MEDICI 8 | 2020
FORTBILDUNG
s Empfehlung: Personen mit Hochrisikobefunden in der Indexkoloskopie, die jünger als 75 Jahre sind, sollten sich nach drei Jahren einer Nachsorgekoloskopie unterziehen.
s Vorschlag: Aufgrund des langen Zeitraums von einer Clearance-Koloskopie (Koloskopie, bei der alle prämalignen Polypen entfernt werden) über die potenzielle Entwicklung neuer Polypen bis zu einer möglichen Entwicklung eines symptomatischen Karzinoms sollte eine Nachsorge nur bei Personen stattfinden, deren Lebenserwartung mehr als zehn Jahre beträgt und die im Allgemeinen nicht älter als 75 Jahre sind.
s Empfehlung: Personen ohne Hochrisikobefunde bei der Indexkoloskopie sollten sich im Allgemeinen keiner koloskopischen Nachsorge unterziehen, jedoch am nationalen Darmkrebsscreening teilnehmen, wenn sie dazu eingeladen werden.
s Empfehlung: Patienten, bei denen eine potenziell kurative CRC-Resektion durchgeführt wurde, sollten sich innerhalb eines Jahres nach Diagnosestellung einer Clearance-Kolo skopie unterziehen.
s Empfehlung: Wenn bei Patienten mit CRC-Resektion eine Clearance-Koloskopie in der postoperativen Phase durchgeführt wurde, sollte die nächste Nachsorge nach drei Jahren stattfinden. Ob dann weitere Nachsorgeuntersuchungen erforderlich sind, sollte entsprechend den Hochrisikokriterien nach Polypektomie entschieden werden.
s Empfehlung: Die Rezidivraten nach en bloc durchgeführten R0-EMR (endoskopische Mukosaresektionen) oder -ESD (endoskopische Submukosadissektionen) von grossen, nicht gestielten kolorektalen Polypen oder frühen Polypkarzinomen sind gering. Deshalb sind keine Kontrollen der Abtragungsstelle erforderlich. Betroffene Patienten sollten sich nach drei Jahren einer Postpolypektomienachsorge unterziehen. Der Bedarf an weiteren Nachsorgeuntersuchungen sollte dann im Einklang mit den Hochrisikokriterien nach Polypektomie entschieden werden. Nach Polypabtragung in Piecemeal-Technik (stückweise Abtragung) sind Kontrollen der Abtragungsstelle notwendig: zunächst nach zwei bis sechs Monaten, dann erneut nach zwölf Monaten.
s Empfehlung: Ob eine weitere koloskopische Nachsorge erforderlich ist, sollte je nach den koloskopischen Befunden entschieden werden, die bei den Nachsorgeinterventionen
erhoben werden. Dabei sollten jeweils dieselben Hochrisi-
kokriterien zur Risikostratifizierung verwendet werden.
s Empfehlung: Patienten mit Hochrisikobefunden bei einer
Nachsorgekoloskopie sollten sich nach drei Jahren einer
erneuten Nachsorgekoloskopie unterziehen.
s Empfehlung: Patienten ohne Hochrisikobefund in der
Nachsorgekoloskopie sollten aus dem koloskopischen
Nachsorgeprogramm entlassen werden, jedoch am natio-
nalen Darmkrebsscreening teilnehmen, wenn sie dazu ein-
geladen werden.
s Empfehlung: Ist nach einer Polypektomie eine Kolonnach-
sorge erforderlich, stellt die Computertomografiekolo
skopie (CTC) eine akzeptable Alternative dar, wenn die
Koloskopie nicht vollständig durchgeführt werden konnte
oder aufgrund des klinischen Zustands des Patienten nicht
möglich ist.
s Empfehlung: Wenn bei Patienten nach einer in kurativer
Absicht erfolgten CRC-Resektion eine Kolonnachsorge er-
forderlich ist, sollte eine CTC nur bei Patienten erfolgen,
bei denen eine Koloskopie kontraindiziert oder aufgrund
des klinischen Zustands des Patienten nicht möglich ist.
s Empfehlung: Wenn eine Postpolypektomienachsorge indi-
ziert ist, ist der potenzielle Nutzen einer CTC wahrschein-
lich höher als der Nachteil aufgrund der Strahlenbelastung.
s Nicht empfohlen werden fäkale immunchemische Tests
(FIT) zur Nachsorge nach Resektion prämaligner kolo-
rektaler Polypen, da hierzu keine ausreichende Evidenz
vorliegt.
s Ebenso wird der Einsatz der Kapselendoskopie zur Nach-
sorge nach Resektion prämaligner kolorektaler Polypen
nicht empfohlen – auch hierzu gibt es keine ausreichende
Evidenz.
s
Andrea Wülker
Quelle: Rutter MD et al.: British Society of Gastroenterology/Association of Coloproctology of Great Britain and Ireland/Public Health England post-polyp ectomy and post-colorectal cancer resection surveillance guidelines. Gut 2020; 69: 201–223.
Interessenlage: Ein Teil der Autoren der referierten Guideline hat Honorare beziehungsweise Forschungsgelder von verschiedenen Firmen erhalten.
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