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Zusammenfassungen: Valérie Herzog; Herausgeber: Dr. med. Erik von Elm, Annegret Borchard Cochrane Schweiz, swiss.cochrane@unisante.ch
Cochrane Library aktuell
5-ASA zur Remissionserhaltung bei operierten Morbus-Crohn-Patienten
Morbus Crohn ist eine chronisch entzündliche Erkrankung, die Teile des Gastrointestinaltrakts befallen kann. Die lokal wirkenden 5-Aminosalicylate (5-ASA) reduzieren die Entzündung der Kolonmukosa. Sie weisen je nach Formulierung unterschiedliche pharmakokinetische Profile auf. Wirksamkeit und Sicherheit von 5-ASA zur Erhaltung der Remission nach einem chirurgischen Eingriff wurden in einem früheren systematischen Cochrane-Review überprüft. Ein Update berücksichtigt nun die neueste Literatur. Insgesamt wurden 14 randomisiert kontrollierte Studien mit 1867 Morbus-Crohn-Patienten in Remission nach operativem Eingriff eingeschlossen. In diesen Studien wurde die anschliessende Behandlung mit 5-ASA versus keine Therapie, Plazebo oder eine andere aktive Behandlung während mindestens 3 Monaten verglichen. s 5-ASA versus keine Behandlung: Nach 12 Monaten hatten
36 Prozent (20/55) der Patienten in der 5-ASA-Gruppe einen klinischen Rückfall erlitten, in der Gruppe ohne Behandlung waren es 51 Prozent (28/55) (Risk Ratio [RR]: 0,71; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,46 bis 1,10; 1 Studie; geringe Evidenzqualität). s 5-ASA versus Plazebo: Während eines Follow-ups von 12 bis 72 Monaten erlitten 36 Prozent (131/361) der 5-ASAGruppe einen Rückfall, verglichen mit 43 Prozent (160/369) in der Plazebogruppe (RR: 0,83; KI: 0,72–0,96; 5 Studien; moderate Evidenzsicherheit). Damit scheint 5-ASA wirksamer als Plazebo zu sein, um Rückfälle zu verhindern. s 5-ASA hohe versus niedrige Dosierungen: Unter Mesalamin 4 g/Tag trat nach 12 Monaten bei 17 Prozent der Teilnehmer (17/101) ein Rezidiv auf, mit der tieferen Dosierung 2,4 g/Tag dagegen bei 26 Prozent (27/105) (RR: 0,65; KI: 0,38–1,13; 1 Studie; moderate Evidenzsicherheit).
s 5-ASA versus Purinantimetaboliten: kein Unterschied in
der Rückfallrate zwischen Mesalamin und Azathioprin.
s 5-ASA versus Adalimumab: Nach 24 Monaten rezidivier-
ten 50 Prozent der Patienten unter 5-ASA (9/18) im Ver-
gleich zu 13 Prozent (2/16) unter Adalimumab (RR: 4,0;
KI: 1,01–15,84; 1 Studie; sehr geringe Evidenzqualität)
s Sulfasalazin versus Plazebo: Der Effekt auf die Rückfall-
rate ist aufgrund der geringen Evidenzsicherheit nicht ein-
deutig.
5-ASA-Formulierungen scheinen sicher zu sein. Im Vergleich
zu Plazebo, keiner Behandlung oder Biologika zeigen sie kei-
nen Unterschied im Auftreten von Nebenwirkungen oder bei
Therapieabbrüchen. In den Studien häufig gemeldete Neben-
wirkungen umfassten Diarrhö, Nausea, erhöhte Leberwerte,
Pankreatitis und Abdominalschmerzen.
In der Remissionserhaltung nach chirurgischem Eingriff bei
Morbus-Crohn-Patienten sind gemäss diesem aktualisierten
Review 5-ASA-Formulierungen einer Anwendung von Plazebo
überlegen (moderate Evidenzsicherheit). Die NNT (number
needed to treat) beträgt 13, um einen Rückfall zu verhindern.
Die Sulfasalazinklasse war dagegen nicht besser als Plazebo.
Eine Überlegenheit von 5-ASA gegenüber keiner Behandlung
konnte infolge geringer Evidenzsicherheit nicht gezeigt wer-
den. Die Wirksamkeit von 5-ASA im Vergleich zu Purinanti-
metaboliten wie Azathioprin oder 6-Mercaptopurin in der
Remissionserhaltung ist nicht eindeutig, Purinanaloga führen
jedoch zu mehr schweren Nebenwirkungen und Therapie-
abbrüchen. Im Vergleich zu Biologika wurde eine Unterlegen-
heit von 5-ASA gezeigt, allerdings mit sehr geringer Evidenz-
qualität.
s
Quelle: Gjuladin-Hellon T et al.: Oral 5-aminosalicylic acid for maintenance of surgically-induced remission in Crohn’s disease. Cochrane Database Syst Rev 2019; 6: CD008414.
Januskinasehemmer zum Remissionserhalt bei Colitis ulcerosa
Tofacitinib ist ein oraler Januskinasehemmer, der den Zytokinsignalweg blockiert. Dieser ist in die Pathogenese von Autoimmunerkrankungen wie etwa Colitis ulcerosa involviert. Gemäss derzeitigem Verständnis erfolgen Entstehung und Progression der Colitis ulcerosa aufgrund einer deregulierten Immunantwort, die bei genetisch prädisponierten Personen zu einer Entzündung der Kolonmukosa führt. Bislang gab es einige Patienten, die auf die bis anhin verfügbaren Medikamente nicht ausreichend angesprochen haben, einige Arzneimittel führen ausserdem zu schweren Nebenwirkungen. Inwiefern der Januskinasehemmer zum Erhalt einer erreichten Remission geeignet ist, überprüfte ein systematischer Cochrane-Review.
Berücksichtigt wurden Studiendaten, die bis zum 20. September 2019 publiziert wurden, namentlich eine randomisiert kontrollierte Studie mit 593 Patienten mit mittelschwerer bis schwerer aktiver Colitis ulcerosa. Diese untersuchte die Erhaltungstherapie mit Tofacitinib 5 mg 2 ×/Tag, Tofacitinib 10 mg 2 ×/Tag oder Plazebo während 52 Wochen. Als primärer Endpunkt war die Remission nach 52 Wochen definiert, als sekundäre Endpunkte galten Mukosaheilung, anhaltende Remission nach 24 und 52 Wochen und die glukokortikoidfreie Remission. Weitere vordefinierte Outcomes betrafen die klinische Remission, das klinische Ansprechen, die endoskopische Remission sowie Nebenwirkungen.
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ARS MEDICI 8 | 2020
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Bei 63 Prozent (247/395) der Patienten aus der Tofacitinibgruppe hielt die klinische Remission nicht bis zur 52. Woche an, verglichen mit 89 Prozent (176/198) aus der Plazebogruppe (Risk Ratio [RR]: 0,70; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,64–0,77; hohe Evidenzqualität). Ein Therapieversagen betreffend klinische Response bis Woche 52 erfuhren 43 Prozent der Patienten (171/395) unter Tofacitinib und 80 Prozent aus der Plazebogruppe (158/198) (RR: 0,54; 95%-KI: 0,48–0,62; hohe Evidenzsicherheit). 84 Prozent der Tofacitinibpatienten (333/395) verfehlten die endoskopische Remission bis zum Studienende, in der Plazebogruppe betrug dieser Anteil 96 Prozent (190/198) (RR: 0,88; 95%-KI: 0,83–0,92; hohe Evidenzsicherheit). Nebenwirkungen traten in beiden Gruppen ähnlich häufig auf (76% mit Tofacitinib vs. 75% mit Plazebo), meistens handelte es sich dabei um Krankheitsverschlechterung, Nasopharyngitis, Gelenkschmerzen und Kopfschmerzen. Schwere Nebenwirkungen traten bei 5 beziehungsweise 7 Prozent der Teil-
nehmer auf. Dazu zählten nicht melanomatöse Hauttumoren,
kardiovaskuläre Ereignisse, sonstige Tumoren, Morbus Bo-
wen, Hautpapillome und Uterusleiomyome. In der Plazebo
gruppe hörten mehr Patienten mit der Therapie aufgrund
einer Nebenwirkung auf (19%; 37/198) als unter Tofacitinib
(9%, 37/394) (RR: 0,50; 95%-KI: 0,33–0,77; mässige Evi-
denzqualität). Der häufigste Grund für einen Therapiestopp
war die Krankheitsverschlechterung.
Die Cochrane-Autoren folgern aus diesen Daten von hoher
Evidenzsicherheit, dass der Januskinasehemmer Tofacitinib
gegenüber Plazebo in der klinischen und endoskopischen
Remissionserhaltung bei Patienten mit mittelschwerer bis
schwerer Colitis ulcerosa während 52 Wochen überlegen ist,
und das ohne höhere Nebenwirkungsrate. Betreffend schwere
Nebenwirkungen lässt sich aufgrund von niedrigen Fallzah-
len jedoch keine gesicherte Aussage treffen.
s
Quelle: Davies SC et al.: Oral Janus kinase inhibitors for maintenance of remission in ulcerative colitis. Cochrane Database Syst Rev 2020; 1: CD012381.
Certolizumab induziert Remission bei Morbus Crohn
Morbus Crohn ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des Gastrointestinaltrakts. Bislang gilt die Immunmodulation als Hauptstrategie zur Induktion einer Remission bei aktiver Erkrankung. Certolizumab ist ein TNF-α-Hemmer, der die gestörte Immunantwort moduliert. Inwiefern dieser eine Remission induzieren kann, untersuchte ein systematischer Cochrane-Review. Bei der Analyse von 4 Studien mit gesamthaft 1485 Patienten mit mittelschwerem bis schwerem Morbus Crohn mit CDAI (Crohn’s Disease Activity Index) zwischen 220 und 450 Punkten zeigte sich Certolizumab 100 bis 400 mg, alle 2 bis 4 Wochen s.c. injiziert, für die Induktion einer klinischen Remission nach 8 Wochen gegenüber Plazebo überlegen (Risk Ratio [RR]: 1,36; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 1,11–1,66; moderate Evidenzqualität). Unter Certolizumab erreichten nach 8 Wochen 26,9 Prozent der Patienten (225/835) eine klinische Remission, unter Plazebo 19,8 Prozent (129/650). Certolizumab war Plazebo auch beim klinischen Ansprechen
nach 8 Wochen überlegen (RR: 1,29; KI: 1,09–1,53; moderate
Evidenzsicherheit). 40,2 Prozent der Patienten (336/835) aus
der Certolizumabgruppe und 30,9 Prozent (201/650) aus der
Plazebogruppe hatten nach 8 Wochen klinisch angesprochen.
Schwere Nebenwirkungen wie Krankheitsverschlechterung,
Infekte oder Krebserkrankungen traten unter Certolizumab
bei 8,7 Prozent der Teilnehmer (73/835) auf, unter Plazebo
bei 6,2 Prozent (40/650) (RR: 1,35; 95%-KI: 0,93–1,97; mo-
derate Evidenzsicherheit).
Dieser Review zeigt mit moderater Evidenzsicherheit, dass
Certolizumab bei Patienten mit aktivem Morbus Crohn be-
züglich Induktion der klinischen Remission und klinischen
Ansprechens wirksam ist. Es ist dagegen unklar, ob sich das
Risiko für schwere Nebenwirkungen von Plazebo unterschei-
det. Für Aussagen zu Langzeitwirksamkeit und -sicherheit
braucht es weitere Studien.
s
Quelle: Yamazaki H et al.: Certolizumab pegol for induction of remission in Crohn’s disease. Cochrane Database Syst Rev 2019; 8: CD012893.
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