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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Coronaviruspandemie
COVID-19 oder nur Heuschnupfen?
Weil COVID-19 das beherrschende Thema dieses Frühjahrs ist, kommen vermehrt von Allergien geplagte Patienten in die Praxis, um sich «auf Corona» testen lassen zu wollen. Tatsächlich
können unterschiedliche entzündliche Atemwegserkrankungen wie Allergien und Virusinfektionen gleichartige Beschwerden verursachen. «Bei genauerer Beurteilung jedoch ist auch für die
Tabelle:
Symptome bei Allergien/Asthma, COVID-19, Influenza und Erkältung
Allergie/ Asthma
COVID-19
Fieber Husten produktiv Husten trocken Atemnot Schnupfen Niesreiz Gliederschmerzen Abgeschlagenheit Halsschmerz Kopfschmerz Augenjucken/ -irritation
nein selten häufig häufig fast immer fast immer nein möglich selten selten fast immer
fast immer selten fast immer häufig selten nein selten möglich möglich möglich nein
Quelle: Recherche am Allergiezentrum Wiesbaden
Influenza
häufig häufig fast immer möglich selten selten fast immer fast immer möglich häufig nein
Anderer viraler Infekt (Erkältung) selten häufig selten selten fast immer fast immer häufig möglich fast immer häufig möglich
Betroffenen eine Unterscheidung recht zuverlässig möglich», so Prof. Ludger Klimek vom Allergiezentrum in Wiesbaden, der auch Präsident des Ärzte verbandes Deutscher Allergologen ist. Während SARS-CoV-2-Infektionen in den meisten Fällen durch Fieber und trockenen Husten gekennzeichnet sind, weisen Allergiker kein Fieber auf, dafür oft juckende Augen- und Nasenschleimhäute, tränende Augen, Niesreiz und Schnupfen (s. Tabelle). Wichtig für Patienten mit Inhalationsallergien (Rhinitis, Sinusitis, Asthma) ist vor allem, ihre verordneten Medikamente unbedingt konsequent einzunehmen. Schlecht kontrollierte Allergiker weisen ein erheblich höheres Risiko auf, an einer schweren Form von COVID-19 zu erkranken. «Insbesondere Patienten mit einer chronischen Sinusitis oder einem Asthma bronchiale sollten daher ihre Medikamente zurzeit besonders zuverlässig einnehmen», empfiehlt Klimek. Allergiezentrum Wiesbaden/RBO s
Medienmitteilung des Allergiezentrums Wies baden vom 13. März 2020.
Coronaviruspandemie
SARS-CoV-2 und immunmodulierende Therapien bei MS
Der wissenschaftliche Beirat der Schweizerischen MS-Gesellschaft und die Schweizerische Neurologische Gesellschaft haben einen Expertenkonsensus für MS-Patienten in Bezug auf die Coronaviruspandemie formuliert. Demnach sind Patienten mit MS durch SARS-CoV-2 nicht stärker gefährdet als Personen mit gleichem Risikoprofil ohne MS. Allerdings kann, unabhängig vom Erreger, bei jeder Infektion eine vorübergehende Verschlechterung der MS-Symptome eintreten. MS-Therapien sollten planmässig fortgesetzt werden. Der behandelnde Neurologe könne aber erwägen, den Beginn einer neuen oder die Veränderung einer bestehenden MS-Therapie zu verschieben. Ob immunmodulierende MS-Therapien das Risiko für eine SARS-CoV-2-Infek-
tion oder einen schwereren Verlauf von COVID-19 erhöhen, kann derzeit nicht beantwortet werden. MS-Patienten ohne immunmodulierende Therapie seien aber nicht zusätzlich gefährdet. Deshalb sind Medikamente, die MS-Symptome wie zum Beispiel Spastik oder Schmerzen lindern, vom nachfolgenden Expertenkonsensus nicht betroffen: s Interferon-beta-Präparate und Glati-
rameracetat: kein zusätzliches Risiko s Dimethylfumarat, Teriflunomid: un-
ter Umständen immunsuppressiv, vor allem bei reduzierten Lymphozytenzahlen s Fingolimod: leicht erhöhtes Risiko (die Therapie sollte dennoch nicht gestoppt werden, auf besonders guten Infektionsschutz achten) s Natalizumab: kein erhöhtes Risiko
s Alemtuzumab, Cladribin, off-label
Rituximab, Ocrelizumab: reduzieren
die Zahl der verfügbaren Abwehrzel-
len über die Dauer der Anwendung
hinaus und erhöhen das Risiko beson-
ders in den ersten Wochen nach der
Einnahme beziehungsweise Infusion
s Schubtherapie mit hoch dosiertem
Kortison: vorübergehend erhöhtes
Risiko möglich (Notwendigkeit der
Therapie individuell beurteilen).
Die ausführlichen Empfehlungen sind
unter www.multiplesklerose.ch abruf-
bar.
RBO s
Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats und der Schweiz. Neurologischen Gesellschaft – Update vom 21. März 2020 https://www.multiplesklerose.ch (abgerufen am 25. März 2020).
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ARS MEDICI 7 | 2020
Coronaviruspandemie
Inhalative Steroide bei Asthma auch weiterhin nehmen
Rückspiegel
Offenbar sind einige Patienten und behandelnde Ärzte verunsichert, ob sie die Therapie mit inhalativen Steroiden (ICS), dem zentralen Element der Asthmatherapie, angesichts der Coronaviruspandemie fortsetzen sollen. So sagte der in Deutschland zurzeit besonders prominente Virologe Prof. Christian Drosten in seinem Podcast vom 13. März 2020, dass Asthmapatienten mit ihrem Arzt darüber sprechen sollten, ein auf Kortison basierendes Asthmamedikament durch ein Medikament zu ersetzen, welches das Immunsystem weniger angreife. Deutsche Asthmaspezialisten empfehlen, bei Kindern und Erwachsenen mit Asthma eine adäquate und individuell eingestellte antiasthmatische Inhalationstherapie (insbesondere auch eine ICS-Therapie) nicht aus diesem Grund zu ändern oder gar zu beenden. Die Gefahr, dass sich das Asthma dadurch in bedrohlicher Weise verschlechtere und (ansons-
ten unnötige) Arztbesuche oder Krankenhaus
aufenthalte erforderlich mache, einschliesslich
möglicher Kontakte mit COVID-19-Patien-
ten, sei für den einzelnen Asthmapatienten
wesentlich bedrohlicher als ein mögliches,
gleichwohl unbelegtes Risiko einer Förderung
der Ansteckung mit dem Coronavirus (SARS-
CoV-2). Eine erfolgreiche Inhalationstherapie
bei Patienten mit Asthma sollte daher auch
und gerade in der aktuellen Coronaviruspan-
demie unverändert fortgesetzt werden.
Alle übrigen empfohlenen Hygiene- und
Vorsichtsmassnahmen, einschliesslich der
Meidung von Sozialkontakten, seien selbst-
verständlich auch von Patienten mit Asthma
zu befolgen.
DGP/GPP/GPA s
Gemeinsame Medienmitteilung der Deutschen Gesell schaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP), der Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie e. V. (GPP) und der Gesellschaft für Pädiatrische Allergo logie und Umweltmedizin e. V. (GPA) vom 16. März 2020.
Coronaviruspandemie
Rheumapatienten auf Tocilizumab s.c. umstellen
Weil Tocilizumab zu den derzeit bei COVID-19 verwendeten Therapien gehört und es Hinweise darauf gibt, dass es bei Patienten mit schwerer Lungenerkrankung wirksam sein könnte, wird es bereits an vielen Spitälern eingesetzt (primär i.v.). Um Engpässe bei der Verfügbarkeit von Tocilizumab i.v. zu vermeiden, empfiehlt die Schweizerische Gesellschaft für Rheumatologie (SGR), Rheumapatienten unter Tocilizumab auf die subkutane Applikation umzustellen. Diese sei gemäss Studien bei rheumatoider Arthritis genauso wirksam wie die intravenöse Gabe. Falls die Patienten die s.c. Injektion selbst machen können, vermindere das zudem die Notwendigkeit, dass Patienten ins Spital oder in die Praxis kommen müssten. Eine weitere bei Rheuma verwendete Sub stanz, bei der Engpässe wegen der Anwendung bei COVID-19-Patienten drohen (bzw. bereits vorgekommen sind), ist Hydroxychloroquin. Zurzeit könne der Hersteller von Plaquenil® noch liefern, und das Medikament sei wie bis anhin über die lokalen Apotheken
verfügbar. Sollte sich hieran in nächster Zeit etwas ändern, seien genügend Generikareserven vorhanden beziehungsweise zugesagt, um sowohl die Versorgung von Rheuma- als auch von COVID-19-Patienten sicherzustellen. Falls diese Reserven gebraucht würden, müssten sich die behandelnden Ärzte dann an den kantonsärztlichen Dienst wenden, um das Medikament für ihre Patienten anzufordern. Bezüglich der Basistherapie bei Rheuma stellt die Clinical Affairs Commission der SGR klar, dass es derzeit keinen Grund gebe, diese zu unterbrechen – solange bei dem Patienten kein Verdacht auf eine aktive Infektion mit dem Coronavirus bestehe (z. B. Husten, Atemnot und/oder Fieber ≥ 38 ºC). Die ausführlichen Informationen der SGR sind unter www.rheuma-net.ch abrufbar. SGR/RBO s
Informationen der Schweizerischen Gesellschaft für Rheumatologie zu SARS-CoV-2/COVID-19: https:// www.rheuma-net.ch/de/aktuelles/200-informationenzum-coronavirus-covid-19-sars-cov-2 (abgerufen am 25. März 2020).
Vor 10 Jahren
Gesichtstransplantation
An einem Spital in Barcelona wird erstmals ein komplettes Gesicht transplantiert, inklusive Oberkiefer, Zähnen und Kinn. Zuvor gab es weltweit bereits zehn Transplantationen von Gesichtsteilen, aber noch nie zuvor wurde ein komplettes Antlitz verpflanzt. Der Empfänger werde trotzdem nicht wie der Spender aussehen, betonen die Chirugen. Das Transplantat wurde den Schädelstrukturen des Empfängers angepasst.
Vor 50 Jahren
Tumorimpfung
In Tierversuchen geht man erste Schritte auf dem Weg zu immunologischen Strategien gegen Krebs. Bei Labormäusen, die mit Hybridzellen aus Tumor- und virusinfizierten Zellen geimpft werden, ist es danach wesentlich schwieriger, durch Inokulation mit Tumorzellen Krebs zu erzeugen. Genügten zuvor 10 Tumorzellen, sind nun 100 000 Tumorzellen notwendig, um einen tumorbedingten Aszites bei den Versuchstieren zu erzeugen.
Vor 100 Jahren
Ab 35 keine kalten Bäder
Die gängige Praxis, Tuberkulosekranke zum Zweck der Abhärtung kalten Bädern auszusetzen, wird kritisiert. Der Organismus habe in der zweiten Lebensperiode (die dazumal bereits ab spätestens Mitte 30 beginnt) ein grösseres Wärmebedürfnis und sei für eine Abhärtung wenig geeignet, schreibt ein Professor aus Köln in einer Fachzeitschrift. Er empfiehlt stattdessen heisse Bäder von maximal zehn Minuten Dauer, am besten abends. DieWirkung sei «beruhigend, hyperämisierend und antikatarrhalisch». Nur bei Patienten mit Herzfehlern, Schwindel oder Ohnmachtsanfällen seien heisse Bäder kontraindiziert.
RBO s
ARS MEDICI 7 | 2020