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FORTBILDUNG
Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Herzerkrankung
Pathologische Zusammenhänge und therapeutische Möglichkeiten
Diabetes mellitus Typ 2 gilt in den meisten Ländern dieser Erde mittlerweile als Volkskrankheit und betrifft je nach Region und Ethnizität zwischen 5 und 12 Prozent der Bevölkerung (1). Das gehäufte Vorkommen kardiovaskulärer Erkrankungen bei Diabetikern hat in den vergangenen 20 Jahren den Fokus einer blutzuckerkontrollierenden Therapie auf die Verhinderung kardiovaskulärer Folgeerkrankungen erweitert. Als Grundpfeiler gelten die rasche sowie konsequente Therapie eines neu diagnostizierten Diabetes mellitus und der übrigen kardiovaskulären Risikofaktoren sowie der Einsatz neuer Antidiabetika mit kardiovaskulärem Nutzen.
Lukas Burget
Die Krankheit Diabetes mellitus wurde bereits im Jahr 600 v. Chr. in Indien beschrieben und ist auf dem europäischen Kontinent seit der Antike bekannt (griechisch: honigsüsser Durchfluss). Im 19. Jahrhundert wurde der Diabetes mellitus vom Pariser Arzt Apollinaire Bouchardat in einen Diabete gras («fetter Diabetes») und einen Diabete maigre («magerer Diabetes») unterteilt und damit wahrscheinlich erstmalig der Grundstein für die Kategorisierung in einen Insulinmangeldiabetes (Typ 1) beziehungsweise einen Diabetes auf dem Boden einer Insulinresistenz (Typ 2) gelegt. Seit den ersten erfolgreichen Insulintherapien bei Typ-1-Diabetikern vor knapp 100 Jahren sind, mehrheitlich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, verschiedene insulinunabhängig wirksame Substanzen entwickelt worden. Aufgrund verschiedener Modifizierungen des Insulinmoleküls in
MERKSÄTZE
� Der Fokus einer blutzuckerkontrollierenden Therapie bei Dia betespatienten wurde in den letzten 20 Jahren um die Bemü hungen erweitert, die häufig auftretenden kardiovaskulären Begleiterkrankungen zu verhindern.
� Das Vorliegen zusätzlicher kardiovaskulärer Risikofaktoren wie arterielle Hypertonie oder Dyslipidämie bei Patienten mit Typ-2-Diabetes erfordert einen gesamtheitlichen therapeutischen Ansatz, bei dem Medikamente wie Anti hypertensiva, Statine, Acetylsalicylsäure, aber auch Lebens stilmodifikationen wie körperliche Bewegung, Ernährungs umstellung und ggf. Rauchverzicht zum Einsatz kommen.
� Moderne Medikamente wie SGLT2-Inhibitoren und GLP-1-Re zeptor-Agonisten haben offensichtlich einen kardioprotekti ven Effekt, ihre potenziellen (Langzeit-)Nebenwirkungen sind allerdings nicht eindeutig geklärt.
den letzten Jahrzehnten basieren diese heute auf gentechnisch hergestellten Formen. Insulinunabhängige Medikamente verbessern die Insulinresistenz oder steigern die endogene Produktion und Sekretion dieses körpereigenen Pankreashormons. Dadurch kommen sie praktisch ausschliesslich bei Typ-2-Diabetikern zum Einsatz. Diabetes mellitus Typ 2 gilt in den meisten Ländern dieser Erde mittlerweile als Volkskrankheit und betrifft je nach Region und Ethnizität zwischen 5 Prozent (Subsaharaafrika) und 12 Prozent (Nordamerika) der Bevölkerung eines Landes. Derzeit geht man von weltweit 425 Millionen Typ-2Diabetikern aus, wobei gemäss Hochrechnungen bereits in 25 Jahren zusätzlich über 200 Millionen Menschen mehr betroffen sein werden, was einem Plus von knapp 50 Prozent entspricht (1). Die Anzahl behandelter und nicht behandelter Typ-2-Diabetiker ist sehr hoch, da aktuell knapp die Hälfte der 425 Millionen Betroffenen nicht diagnostiziert ist (1). Auch in Europa mit einem überdurchschnittlich guten Gesundheitssystem beträgt der Anteil nicht diagnostizierter und damit nicht behandelter Typ-2-Diabetiker rund 30 Prozent (1).
Mikro- und makrovaskuläre Komplikationen
Bereits vor Einsatz der unterschiedlichen Insuline und Antidiabetika wusste man um die schwerwiegenden Folgeerkrankungen unterschiedlicher Organsysteme. Als pathophysiologischer Hauptmechanismus steht die Glykosylierung der kleinen und jeweils eine Organeinheit versorgenden Blutgefässe im Vordergrund, woraus die sogenannten mikrovaskulären Folgeschäden resultieren. Zu ihren wichtigsten Vertretern gehören die diabetische Retinopathie, die Nephropathie und die Neuropathie, welche bei allen Diabetikern in regelmässigen Abständen gesucht und konsequent therapiert werden müssen. Zum ersten Mal liess sich in den 1990er-Jahren eine klare Korrelation zwischen gut kontrollierter Stoffwechsellage und
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Verhinderung mikrovaskulärer Komplikationen, aber auch kardiovaskulärer Risikofaktoren bei Typ-1-Diabetikern nachweisen. Die durchschnittlichen HbA1c-Werte lagen in den jeweiligen Kohorten bei etwa 7 Prozent (intensive Therapie) beziehungsweise zwischen 8,5 und 9 Prozent (konventionelle Therapie) (2). Die makrovaskulären Ereignisse (Myokardinfarkt, Schlaganfall usw.) konnten bei diesen jungen und im Vergleich zur Normalbevölkerung wahrscheinlich nicht überdurchschnittlich gefässkranken Patienten mit einer intensiven Therapie nur tendenziell gesenkt werden, auch wenn mehrere epidemiologische Analysen auf eine Korrelation zwischen kardiovaskulären Ereignissen und chronischer Hyperglykämie hinwiesen (3). In den Folgejahren gelang mit ähnlich angelegten Studien auch bei Typ-2-Diabetikern der Nachweis, dass straffere Blutzuckereinstellungen zu weniger mikrovaskulären Komplikationen führen (4–6).
Mechanismen der «diabetischen Atherosklerose»
In klinischen Endpunktstudien ist eine klare Korrelation zwischen guten Blutzuckerwerten und einem verminderten Arterioskleroserisiko kaum belegt. In-vitro-Arbeiten, verschiedene Tiermodelle sowie Humanstudien legen jedoch nahe, dass diabetesspezifische Mechanismen eine Atherogenese verstärken und mitverursachen können (7). Diese Mechanismen können in mindestens 3 Entitäten eingeteilt werden: s Hyperglykämien verursachen direkte Gefässwandverände-
rungen. Eine modifizierte Monozytenadhäsion und vermehrte Expression inflammatorischer Zytokine (IL-1β, IL-6) sowie Veränderungen der Stickstoffmonoxidproduktion spielen wahrscheinlich eine entscheidende Rolle (8, 9). Ferner können Hyperglykämien das Wachstum glatter Gefässmuskelzellen beeinflussen (10) und in Kombination mit Dyslipidämien die Proliferation und die Differenzierung intimaständiger Makrophagen modifizieren (11). s Neben dem bei Diabetikern gehäuften Auftreten von klassischen Dyslipidämien wie Hypercholesterinämie oder Hypertriglyzeridämie sind bei dieser Patientengruppe auch verschiedene Lipoproteinabnormalitäten mit höheren VLDL- und erniedrigten HDL-Cholesterin-Spiegeln beschrieben (12). Diabetesspezifische Veränderungen der HDL-Cholesterin-Moleküle und eine höhere Dichte an Apolipoprotein-B-Molekülen tragen mutmasslich ebenso zu einer diabetesspezifischen Atherogenese bei (13). s Chronische Inflammation gilt als weitere wichtige Ursache bei der Entstehung von Atherosklerose, aber auch von Typ-2-Diabetes (14). Oxidativer Stress und chronische Entzündung, welche beide auch im viszeralen Fettgewebe stattfinden, können durch eine hyperglykäme Stoffwechsellage verstärkt werden (15). In Anbetracht des bei Typ-2Diabetikern gehäuften Vorkommens von Übergewicht und Adipositas scheint die Relevanz dieses inflammationsspezifischen Mechanismus für die Entstehung von Atherosklerose damit naheliegend. Umgekehrt ist die Konzentration antiinflammatorischer Botenstoffe wie beispielsweise Adiponektin bei Adipösen und Diabetikern erniedrigt, das kann gegenregulatorische und gefässwandschützende Mechanismen möglicherweise abschwächen (16).
Blutzuckereinstellung und kardiovaskuläre Erkrankungen
Koronare Herzerkranheiten (KHK) gehören zu den häufigsten Folgeerkrankungen und Todesursachen bei Patienten mit diabetischer Stoffwechsellage. Typ-2-Diabetiker ohne bekannte KHK haben ein ähnlich hohes Risiko, einen Myokardinfarkt zu erleiden oder daran zu versterben, wie Patienten mit bereits erlittenem Myokardinfarkt. Beide Gruppen gehören damit in die höchste Risikogruppe für kardiovaskuläre Ereignisse (17). Ergänzend konnte in mehreren Studien eine gute Korrelation zwischen Ereigniswahrscheinlichkeit und dem HbA1c-Wert gezeigt werden (18). Ungeachtet der günstigen mikrovaskulären Ergebnisse konnte in den oben zitierten Endpunktstudien kein Nutzen bezüglich makrovaskulärer Ereignisse mit einer Verbesserung des HbA1c-Werts gezeigt werden. In der bereits erwähnten ACCORD-Studie zeigte sich in der Gruppe mit intensivierter Therapie (HbA1c-Wert: 7,0% vs. 7,9% mit konventioneller Therapie) sogar eine Zunahme der Gesamt- und der kardiovaskulären Mortalität, weswegen die Studie vorzeitig beendet wurde (6). Nicht eindeutig geklärt sind die verursachenden Faktoren, und es bleibt spekulativ, ob vermehrt Hypoglykämien oder eine insulinbedingte Gewichtszunahme verantwortlich gemacht werden können. Ebensowenig ist ein direkter Vergleich der einzelnen Studien möglich, da sich Patientenalter, medianer HbA1c-Ausgangswert, Diabetesdauer und Therapiezusammensetzung in den einzelnen Intensivgruppen teilweise deutlich voneinander unterschieden (z. B. 77% Insulin in der ACCORD-Studie vs. 40% in der ADVANCE-Studie). Ferner bestand das Patientenkollektiv in der ADVANCE- und der ACCORD-Studie aus Diabetikern mit mehrheitlich länger bestehendem Diabetes mellitus (5, 6). Spiegelbildlich hierzu legen Daten der UKPDS-Studie aus dem Zeitraum nach Beendigung der mehrjährigen Interventionsperiode nahe, dass bei neu diagnostizierten Typ-2-Diabetikern eine intensive Blutzuckerkontrolle (HbA1c-Wert: ca. 7,0%) zu weniger kardiovaskulären Ereignissen in den Folgejahren führt (19). Eine bereits bei Diagnosestellung rasch umgesetzte konsequente Einstellung der diabetischen Stoffwechsellage scheint also auch aus kardiovaskulärer Sicht günstig. Das Anstreben von HbA1c-Werten, wie sie bei Nichtdiabetikern vorliegen, zeigt bei Typ-2-Diabetikern keinen kardiovaskulären Nutzen und korreliert sogar mit einer erhöhten Gesamtmortalität, wie in einer gross angelegten, retrospektiven Studie mit HbA1c-Werten zwischen 6,7 und 9,9 Prozent gezeigt werden konnte. Die niedrigste Gesamtmortalität fand sich bei dieser Studie in der Patientengruppe mit einem HbA1cWert von 7,5 Prozent (20). Dieses Phänomen beruht wahrscheinlich darauf, dass in diesem Patientenkollektiv gute Blutzuckerwerte bei geringer Hypoglykämiefrequenz vorliegen.
Andere kardiovaskuläre Risikofaktoren bei Diabetikern
Das Vorliegen zusätzlicher kardiovaskulärer Risikofaktoren wie arterielle Hypertonie oder Dyslipidämie ist bei Typ-2Diabetikern häufig. Hieraus resultiert konsequenterweise ein gesamtheitlicher therapeutischer Ansatz. Das beinhaltet auch den konsequenten Versuch eines Nikotinstopps bei allfälligem Konsum. Einen soliden wissenschaftlichen Hintergrund
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für diese Therapieempfehlungen bietet die insgesamt auf knapp 14 Jahre angelegte prospektive dänische STENO-2-Studie. Nebst strengerer Blutzuckereinstellung erfolgte bei der Patientengruppe mit intensivierter Therapie ein konsequenter und damit vermehrter Einsatz von Antihypertensiva (vornehmlich ACE-Hemmer und Sartane), Statinen, Acetylsalicylsäure (ASS), körperlicher Bewegung und Ernährungsumstellung (vornehmlich Reduktion gesättigter Fettsäuren). Spiegelbildlich hierzu zeigte sich in den Folgeuntersuchungen und nach knapp 8 Jahren eine deutliche Verbesserung der HbA1c-Werte, der Nüchternblutzuckerwerte, des Blutdrucks und der LDL-Cholesterin-Werte. Im Vergleich zur weniger gut eingestellten Patientenkohorte resultierten signifikant weniger kardiovaskuläre Ereignisse (24 vs. 44% der Patienten). Ergänzend konnte auch eine signifikante Verbesserung hinsichtlich mikrovaskulärer Komplikationen erzielt werden (21). In einer Folgestudie zeigte sich in der vormals intensiv therapierten Gruppe nach insgesamt knapp 14 Jahren eine signifikant tiefere Gesamtmortalität im Vergleich zur konventionell therapierten Gruppe (30 vs. 50% Verstorbene je Patientenkohorte). Und das, obwohl die strengen Therapieprotokolle der Intensivgruppe zu Beginn der Folgestudie aufgehoben wurden, die initial konventionell behandelte Gruppe während der Folgestudie intensiver behandelt wurde und die Risikofaktoren am Ende der Folgestudie folglich weniger differierten als zu Beginn (22). Gemäss Studienautoren reduziert eine Medikamentengruppe (Antihypertensiva, Lipidsenker, ASS) das relative Risiko eines kardiovaskulären Ereignisses um jeweils 25 Prozent. Das führt aufgrund des postulierten additiven Charakters zu einer Reduktion des absoluten Risikos von 29 Prozent (metabolisches Gedächtnis oder Legacy-Effekt). Neben der Verhinderung von zerebro- und kardiovaskulären Ereignissen dient die adäquate Blutdruckeinstellung bei Diabetikern einem potenten mikrovaskulären Schutz und minimiert den Progress einer diabetischen Nephro- und Retinopathie. Die anzustrebenden Zielwerte für Blutdruck und LDL-Cholesterin unterliegen regelmässigen Anpassungen und sind je nach Land, Kontinent oder Fachgesellschaft unterschiedlich. So empfiehlt die Europäische Gesellschaft für Kardiologie in ihren erst kürzlich aktualisierten Leitlinien bei Diabetikern mit sehr hohem kardiovaskulären Risiko mittlerweile ein LDL-Cholesterin von < 1,4 mmol/l (moderates Risiko: < 2,5 mmol/l, hohes Risiko: < 1,8 mmol/l) (23). Einen guten Überblick über die in der Schweiz empfohlenen Richtwerte bieten die hiesigen Gesellschaften auf ihren jeweiligen Internetseiten (www.agla.ch oder www.sgedssed.ch). Neue Antidiabetika mit kardiovaskulärem Nutzen Das gehäufte Vorkommen kardiovaskulärer Erkrankungen bei Diabetikern hat in den vergangenen 20 Jahren den Fokus einer blutzuckerkontrollierenden Therapie auf die Verhinderung dieser erweitert. Mittlerweile fordern Arzneimittelbehörden für neu zugelassene Antidiabetika kardiovaskuläre Sicherheitsdaten. Ein Vorgehen, welches durch das Auftreten von vermehrt kardiovaskulären Ereignissen unter dem mittlerweile nicht mehr zugelassenen Rosiglitazon (Avandia®) beschleunigt, wenn nicht gar ausgelöst wurde (24). SGLT-2-Inhibitoren: Erste Daten wurden mit dem Ende 2016 in der Schweiz zugelassenen Empagliflozin (Jardiance®) publiziert. In der mit über 7000 Patienten grossen EMPA-REG OUTCOME-Studie konnte bei vergleichbaren HbA1c-Werten in der Empagliflozingruppe eine signifikante Reduktion des kombinierten Endpunktes (kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall) nachgewiesen werden. Ferner traten im Vergleich zur Plazebogruppe unter Empagliflozin weniger spitalpflichtige Herzinsuffizienzen, Todesfälle und kardiovaskulär bedingte Todefälle auf (25). Ähnliche Daten lieferten die 2017 publizierte CANVAS-Studie mit dem SGLT2-Inhibitor Canagliflozin (Invokana®) (26) und die kürzlich veröffentlichte DECLARE-Studie mit Dapagliflozin (Forxiga®) (27). Die kardioprotektiven Mechanismen dieser Medikamentengruppe versteht man bis jetzt weniger gut. Dass es sich um einen Klasseneffekt handelt, ist aufgrund der ähnlichen Ergebnisse in den genannten Outcome-Studien jedoch naheliegend. SGLT2-Inhibitoren eliminieren überschüssige Blutglukose mittels gesteigerter Glukosurie über die Niere. Parallel kommt es damit zu einer gesteigerten Natriurese und zu einer Verminderung von Plasmavolumen und Blutdruck. Der natriuretische und diuretische Effekt dürfte einen der kardioprotektiven Hauptfaktoren darstellen. Zusätzliche Mechanismen wie antiinflammatorische und antiapoptotische Effekte, eine Verminderung des oxidativen Stresses und eine Verbesserung der kardialen Mitochondrienfunktion sowie eine Optimierung der Substratutilisation sind beschrieben, jedoch weniger gut belegt (28). Die eindrucksvollen Daten der EMPA-REG OUTCOME-Studie haben zur Lancierung weiterer Studien an Nichtdiabetikern geführt. Inzwischen zeigte die DAPAHF-Studie, dass SGLT2-Hemmer bei Herzinsuffizienten mit und auch ohne Typ-2-Diabetes Mortalität und Hospitalisationen verringern und die Lebensqualität verbessern (29). GLP-1-Rezeptor-Agonisten: Eine weitere Substanzklasse mit günstigem kardiovaskulären Sicherheitsprofil stellen die sogenannten GLP-1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1-RA) dar. Ihr antidiabetischer Haupteffekt basiert auf der mahlzeitenabhängigen Freisetzung von endogenem Insulin. Einen wichtigen «Nebenef fekt» stellt der Einfluss der GLP-1-RA auf das zentralnervös gesteuerte Appetitverhalten dar. Bei den meisten Patienten kommt es unter GLP-1-RA zu einer teilweise erheblichen Gewichtsabnahme und damit zur Verbesserung der Insulinresistenz (30). Kardiovaskuläre Endpunktdaten liegen seit 2016 für das einmal täglich zu injizierende Liraglutid (Victoza®) und das mittlerweile auch in der Schweiz zugelassene einmal wöchentlich zu applizierende Semaglutid (Ozempic®) in Form der LEADER- beziehungsweise der SUSTAIN-6-Studie vor. In der LEADER-Studie konnte eine signifikante Reduktion des bereits oben erwähnten kombinierten Endpunktes mit Fokus auf kardiovaskulärem Tod nachgewiesen werden (31). In der SUSTAIN-6-Studie gelang ein ähnliches Ergebnis beziehungsweise eine Verbesserung des kombinierten Endpunktes mit Fokus auf zerebrovaskulärem Schlaganfall (32). Eine weitere Studie (REWIND) zeigte für Dulaglutide ebenfalls eine signifikante Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse (33). Die ELIXA-Studie dagegen konnte für Lixisenatid keinen kardiovaskulären Nutzen nachweisen (34). In die jeweiligen Studien waren allerdings teilweise deutlich unterschiedliche Patientenkollektive eingeschlossen. Die kardioprotektiven Mechanismen der GLP-1-RA versteht man noch weniger als bei den SGLT2-Inhibitoren. Neben 100 ARS MEDICI 4 | 2020 FORTBILDUNG direkten kardialen Effekten wie Steigerung der Myozytenkontraktilität und Verbesserung der Ischämietoleranz werden antiinflammatorische, natriuretische und diuretische sowie antiaggregatorische Effekte beschrieben und auch direkte Einflüsse auf das Endothel und eine Minderung der Gefässsteifigkeit angenommen (35). Zusammenfassung Die Therapie des Typ-2-Diabetes mellitus hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Lag der initiale Hauptfokus auf dem Erzielen guter Blutzuckerwerte und später auf der Verhinderung mikrovaskulärer Komplikationen, wurde er in den letzten 20 Jahren auf die Verhinderung makrovaskulärer Komplikationen, wie sie bei Diabetikern trotz guter Blut- zuckerstoffwechsellage deutlich häufiger auftreten, erweitert. Das scheint mit einer konsequenten Therapie zusätzlich vor- liegender kardiovaskulärer Risikofaktoren und dem Einsatz moderner, offensichtlich kardioprotektiver, aber volkswirt- schaftlich gesehen noch relativ teurer Medikamente zu ge- lingen. Obwohl diese neuen Medikamente sicher scheinen, ist das Ausmass potenzieller Nebenwirkungen und Langzeit- nebenwirkungen nicht eindeutig klar. Insbesondere das Ne- benwirkungsprofil der SGLT-2 Inhibitoren scheint noch nicht abschliessend geklärt. In der CANVAS-Studie konnte für Canagliflozin eine Zunahme von Amputationen der unteren Extremitäten nachgewiesen werden. Dass dies auch für an- dere SGLT-2-Inhibitoren gilt, legt eine kürzlich publizierte Registerstudie aus Skandinavien nahe (36). In dieser traten bei Patienten mit neu verschriebenem SGLT-2-Inhibitor dop- pelt so viele Amputation im Bereich der unteren Extremitäten auf, wie bei Patienten mit neu begonnenem GLP-1-Agonis- ten. Ebenso traten in der SGLT-2-Inhibitor-Gruppe vermehrt Ketoazidosen auf (37). Die Gesamtzahl (2,7 vs. 1,1 bzw. 1,3 vs. 0,6 Ereignisse pro 1000 Patientenjahre) ist zwar gering, rechtfertigt aber ein genaueres Hinschauen und entsprechen- des Design bei künftigen Studien. Weiterhin wichtig ist – insbesondere im Hinblick auf eine gute kardiovaskuläre Prophylaxe – die rasche Optimierung der diabetischen Stoffwechsellage und auch der übrigen kardio- vaskulären Risikofaktoren ab Diagnosestellung. Ungeachtet der Fülle an medikamentösen Therapieoptionen und einer mittlerweile häufig sehr späten Notwendigkeit, Insuline ein- zusetzen, sollte der wichtigste Aspekt, nämlich die Verhinde- rung von Übergewicht, Adipositas und Diabetes mellitus, nicht vergessen werden. Neben persönlichem Engagement der potenziell Betroffenen müssen fachgruppenspezifische, kantonale und staatliche Interventionsprogramme verbessert und gestärkt und darf der möglicherweise daraus resultie- rende Konflikt mit verschiedenen Lobby-Organisationen nicht gescheut werden. s Dr. med. Lukas Burget Oberarzt Endokrinologie/Diabetologie Luzerner Kantonsspital Spitalstrasse I, 6000 Luzern 16 E-Mail: lukas.burget@luks.ch Literatur: 1. https://www.idf.org/e-library/epidemiology-research/diabetes-atlas/ 134-idf-diabetes-atlas-8th-edition.html 2. 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