Metainformationen


Titel
Perspektiven Hausarztmedizin
Untertitel
Interview mit Dr. med. Isabelle Fuss und Ariane Möckli
Lead
- Trotz Optimierungspotenzial – wir müssen dankbar für unsere Gesundheitsversorgung sein - Der Schritt in die Selbstständigkeit war genau richtig
Datum
Autoren
-
Rubrik
Rückblick 2019/Ausblick 2020
Schlagworte
-
Artikel-ID
43473
Kurzlink
https://www.rosenfluh.ch/43473
Download

Transkript


Rückblick 2019/Ausblick 2020

PERSPEKTIVEN HAUSARZTMEDIZIN
Dr. med. Isabelle Fuss Allgemeine Innere Medizin FMH Hausarztpraxis MZ Brugg Brugg
Trotz Optimierungspotenzial – wir müssen dankbar für unsere Gesundheitsversorgung sein
Was hat Sie als Hausärztin 2019 am meisten gefreut?
Wir organisieren regelmässig interaktive Fortbildungen in der Hausarztpraxis mit Spezialisten der Umgebung. Durch vorgängiges Zusammentragen von hausarztrelevanten ­Fragen sind diese jeweils sehr praxisorientiert und praxis­ relevant. Ich habe mich sehr über den Artikel «Von Allergie bis Zöliakie» gefreut, welcher dabei entstanden ist (erschienen in der Ausgabe ARS MEDICI 23/2019, A. d. R.).

Was hat Sie am meisten geärgert?
Geärgert habe ich mich über einige Beurteilungen der ­Arbeitsfähigkeit durch die IV-Stelle, welche alles andere als objektiv sind.

Gab es im vergangenen Jahr einen Fall, der Sie besonders beschäftigt oder berührt hat?
Da möchte ich keinen speziellen Fall, sondern meine Arbeit im Rahmen des Diabetes-Hilfswerks für die Insel Rodrigues (östlich von Mauritius im Indischen Ozean) anführen. Der Einsatz vor Ort hat mir wieder einmal gezeigt, wie dankbar wir für unsere Gesundheitsversorgung sein müssen, auch wenn Optimierungspotenzial besteht.

Was erhoffen Sie sich von 2020, medizinisch wie

gesundheitspolitisch?
Das Pflegezentrum Süssbach, welches wir ärztlich mitbe­

treuen, hat eine hervorragende Geriaterin als Heimärztin ge­

winnen können. Sie beginnt ihre Arbeit Mitte 2020, wovon

ich mir eine bessere Behandlungskoordination zwischen

Pflege und Ärzten erhoffe sowie eine Entlastung der Haus­

arztpraxis.

s

PERSPEKTIVEN HAUSARZTMEDIZIN
Ariane Möckli Allgemeine Innere Medizin FMH Gemeinschaftspraxis St. Johann Basel
Der Schritt in die Selbstständigkeit war genau richtig
Was hat Sie als Hausärztin 2019 am meisten gefreut?
Nach acht Jahren als angestellte Ärztin habe ich 2019 den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Nach anfänglichen Bedenken hat sich dieser Entscheid doch als richtig erwiesen, zumal wir inzwischen zu einem Team von fünf kollegialen Teilhabern zusammengewachsen sind, denen jedes Konkur­ renzdenken fremd ist.
Was hat Sie am meisten geärgert?
Dass ich die hausärztliche Versorgung eines 100-jährigen Patienten aufgeben musste, der jahrelang in unserer P­ raxis in Basel betreut wurde und der nun gerade über der Grenze im deutschen Lörrach in einem Altersheim lebt. Da er krankheitsbedingt nicht mehr zu mir in die Praxis kommen konnte, wohl aber explizit eine Weiterbetreuung durch mich wünschte, haben wir versucht, eine Ausnahmegenehmigung zur Berufsausübung in Deutschland zu bekommen. Leider

haben viel zu hohe administrative Hürden die Erfüllung die­ ses verständlichen Wunsches unmöglich gemacht.

Gab es im vergangenen Jahr einen Fall, der Sie besonders beschäftigt oder berührt hat?
Besonders berührt hat mich der Fall einer ALS-Patientin in meinem Alter, deren Erkrankung bei unserem ersten Kontakt bereits weit fortgeschritten war. Ihr dringlichster Wunsch, so schnell wie möglich sterben zu dürfen, wurde schliesslich erfüllt. Trotz der komplexen Patientensituation waren dabei das Engagement, die Kommunikation und die Zusammen­ arbeit mit allen Beteiligten (Patientin, Neurologin, Hospiz, Familienangehörige, Exit) sowohl professionell als auch menschlich so beeindruckend, dass der Patientin ihre letzten Wünsche erfüllt werden konnten und sie schliesslich in aller Würde Abschied nehmen durfte. Tief beeindruckt hat mich auch ein tamilischer Patient, der nach seinem Tod seinen Körper der Anatomie spenden möchte. Nach seinem Motiv gefragt, antwortete er: «Ach, wissen Sie, Frau Doktor, die Schweiz hat meiner Familie und mir so viel gegeben, da möchte ich aus Dankbarkeit etwas zurückgeben!»

Was erhoffen Sie sich von 2020, medizinisch wie

gesundheitspolitisch?
Ich erhoffe mir für die Zukunft, dass der Aufwand für die

Betreuung von Palliativpatienten besser anerkannt wird.

Denn die zeitlichen Aufwendungen bei sehr alten und vor

allem sterbenden Patienten bringen mich wegen der Tarmed-­

Limitationen (Leistungen in Abwesenheiten des Patienten)

öfter an meine Grenzen.

s

50 ARS MEDICI 3 | 2020