Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Onkologie
Zelluläre Brustkrebslandkarte
Eine an der Universität Zürich ent wickelte, neue bildgebende Methode kann die unterschiedlichen Zelltypen im Brustkrebsgewebe deutlich detail lierter darstellen, als das bis anhin mög
35 Biomarker ergeben eine zelluläre Landschaft des Tumors und des umliegenden Gewebes (Foto: Bernd Bodenmiller/UZH).
lich ist. Das erlaubt eine differenziertere Klassifizierung der Tumoren und damit möglicherweise auch eine individuellere Therapie. Der Verlauf von Brustkrebs ist von Patientin zu Patientin sehr unterschied lich. Auch innerhalb desselben Tumors können unterschiedliche Tumorzell typen vorhanden sein. Diese Vielfalt erschwert es, den Schweregrad und die molekularen Tumorsubtypen für eine präzise Diagnose und Prognose zu klas sifizieren, um den effektivsten Behand lungsansatz zu wählen. Ein detaillierte rer Einblick in das Brustkrebsgewebe könnte die Chance auf eine erfolgreiche Behandlung erhöhen. Das Team von Prof. Bernd Bodenmiller, Departement für Quantitative Biologie an der Universität Zürich, kann nun mit dem massgeblich in Zürich entwickel ten neuen Verfahren hochaufgelöste
digitale Bilder von Gewebeschnitten er
zeugen, in denen zahlreiche Biomarker
gleichzeitig visualisiert werden. In einer
Studie wurde in den Gewebeschnitten
von rund 350 Brustkrebspatientinnen
mithilfe von 35 verschiedenen Biomar
kern eine «zelluläre Landschaft» des
Tumors und seines umliegenden Gewe
bes erstellt. Die neue Methode habe das
Potenzial, den Weg in die Klinik zu fin
den, heisst es in einer Medienmitteilung
der Universität Zürich. Der nächste
Schritt sei nun die Korrelation bestimm
ter Zelltypen mit der Wirksamkeit der
unterschiedlichen Krebsmedikamente,
um künftig eine individuellere Therapie
zu ermöglichen.
RBO/UZH s
Medienmitteilung der Universität Zürich vom 20. Januar 2020. Jackson HW et al.: The single-cell pathology landscape of breast cancer. Nature 2020; online Jan 20th 2020.
Pharmakologie
Erhöhen Betablocker das Risiko für Parkinson?
Seit einiger Zeit stehen Betablocker unter Verdacht, das Risiko für eine Par kinsonerkrankung zu erhöhen. Die Au toren eines aktuellen Reviews warnen Patienten davor, aus Sorge vor einer Parkinsonerkrankung die Medikation abzusetzen. Der Nutzen der Beta blocker sei ungleich höher als ein sehr unwahrscheinliches Parkinsonrisiko. In Zellkulturen trat das Phänomen auf, dass der Betablocker Propranolol die Produktion von α-Synuclein, dem Hauptbestandteil der Lewy-Körper, steigert. Darüber hinaus zeigte sich in epidemiologischen Beobachtungsstu dien eine mögliche Assoziation zwi schen der Langzeittherapie mit Beta blockern und der Parkinsonerkrankung. Kliniker neigten dazu, epidemiologi schen Untersuchungen hohes Ver trauen zu schenken und dabei ausser Acht zu lassen, dass ein gleichzeitiges Auftreten von Ereignissen kein Beweis für eine Ursache-Wirkungs-Beziehung sei, heisst es in einer Pressemitteilung zum eingangs genannten Review. Über
dies könnte die Assoziation zwischen Betablockern und erhöhtem Parkin sonrisiko auch das Resultat statisti scher Verzerrungen und Störfaktoren sein. «Unsere Untersuchung konnte zeigen, dass das erhöhte Risiko für Parkinson unter Betablockern nicht mehr nach weisbar war, wenn Patienten mit Tre mor ausgeschlossen wurden», so PD Dr. med. Franziska Hopfner, Erstauto rin des Reviews. Da ein unspezifischer Tremor zu den sehr frühen, wenn auch wenig charakteristischen Parkinson vorzeichen gehört, wurde Propranolol vermutlich zur Behandlung des prodro malen Parkinsonsymptoms Tremor eingesetzt und ist somit nicht Verursa cher der Erkrankung. Das würde auch erklären, warum Primidon, das eben falls zur Tremorbehandlung eingesetzt wird, auch mit einem erhöhten Parkin sonrisiko assoziiert zu sein schien – ein Effekt, der ebenfalls verschwindet, wenn man diese Patienten aus der Sta tistik ausschliesst.
«Selbst wenn ein kausaler Zusammen hang zwischen Betablockern und der Parkinsonkrankheit bestehen würde, was derzeit nicht bewiesen ist, ist er nach jetzigem Kenntnisstand als gering einzustufen», ergänzt Hopfner. Rechne risch würde nach 5 Jahren nur eine ein zige Parkinsonerkrankung bei 10 000 Patienten unter Propranololbehand lung verursacht. «Das entspricht in der Pharmakologie dem Status einer äus serst seltenen Nebenwirkung. Ärzte und Patienten sollten daher keinesfalls in Panik geraten und aus Sorge, als Spätfolge der Therapie eine Parkinson krankheit zu induzieren beziehungs weise zu erleiden, Betablocker absetzen. Damit würde der Gesundheit mehr ge schadet als genutzt», ergänzt Prof. Gün ther Deuschl, korrespondierender Autor des Reviews. DGN/RBO s
Medienmitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie auf idw-online am 28. Januar 2020. Hopfner F et al.: β-adrenoreceptors and the risk of Parkinson’s disease. Lancet Neurol 2020; online Jan 27th 2020.
46 ARS MEDICI 3 | 2020
Notfallmedizin
Sicheres Intubieren
Rückspiegel
Für Anästhesisten ist das Intubieren Routine. Intensiv- und Rettungsmediziner haben damit hingegen oft Probleme, weil es ihnen an Er fahrung und Übung mangelt. Bei unerfahre nen Rettern kann deshalb wertvolle Zeit ver loren gehen, und das Risiko für Verletzungen im Mund- und Rachenraum oder Zahnschä den ist erhöht. Grösste Hindernisse bei einer Intubation sind die individuelle Anatomie und die fehlende direkte Sicht in den Rachen-Hals-Raum. Dut zendfach wurde deshalb versucht, das Intu bieren zu vereinfachen, doch allen alternati ven Techniken ist gemeinsam, dass auch sie spezielle Expertise und viel Übung erfordern. Prof. Peter Biro, Anästhesist und Leitender Arzt am Universitätsspital Zürich, hat in Zu sammenarbeit mit Prof. Bradley Nelson vom Multi-Scale Robotics Lab an der ETH Zürich ein neues, tragbares Gerät für das Intubieren entwickelt und getestet: REALITI (robotic endoscope – automated via laryngeal imaging fortracheal intubation) findet dank Bild erkennung automatisch den richtigen Weg in die Luftröhre und überträgt den Vorgang auf einen Videobildschirm. REALITI funktio niert wie ein Endoskop, auf das man den Be atmungsschlauch aufzieht und diesen dann in die Luftröhre vorschiebt. An seiner Spitze ist eine Kamera montiert, die nicht nur das Bild auf einen Monitor überträgt, sondern es auch permanent mit gespeicherten Aufnahmen der menschlichen Anatomie im Schlund- und Kehlkopfbereich abgleicht und die Endo
skopspitze in die richtige Richtung wendet.
Möglich macht das die flexible Spitze des
Geräts, die durch Miniaturmotoren in alle
Richtungen bewegt wird. Der entscheidende
Unterschied zu anderen Systemen, die auf Ro
botertechnologie basieren, ist, dass die Vor
wärts- und Rückwärtswegung des Endoskops
(in den Atemweg hinein bzw. hinaus) rein
manuell erfolgt. Lediglich die flexible Spitze
wird bei Bedarf automatisch gesteuert. Damit
behält der Anwender stets die Kontrolle.
In einer Studie konnte das Zürcher Forscher
team nachweisen, dass es in einer Simulations
umgebung auch Personen ohne reguläre
Anästhesieausbildung oder ohne genügend
klinische Erfahrung gelingt, mit REALITI
schnell und erfolgreich zu intubieren. «Diese
neue Technologie kann deshalb vor allem im
Bereich der ausserklinischen Notfall-, Ret
tungs-und Katastrophenmedizin die Erfolgs
chancen und die Effizienz der lebensrettenden
Massnahmen erhöhen, wenn beispielsweise
auch Rettungssanitäterinnen und -sanitäter
intubieren können und dürfen», so Biro. Der
zeit ist der dritte Prototyp des Geräts in Ent
wicklung. Damit soll die neue Technik in
naher Zukunft in einer Studie auch an Men
schen getestet werden.
UZH/RBO s
Medienmitteilung des Universitätsspitals Zürich vom 23. Januar 2020. Biro P et al.: Automated tracheal intubation in an airway manikin using a robotic endoscope: a proof of concept study. Anaesthesia 2020; online Jan 3rd 2020.
Vor 10 Jahren
«Lancet» löscht Wakefield
Im Februar 2010 zieht die Zeitschrift «The Lancet» die umstrittene Publikation von Andrew Wakefield zurück, in der er einen Zusammenhang zwischen der MMR-Impfung und Autismus postuliert. Im gleichen Jahr wird Wakefield in Grossbritannien die ärztliche Tätigkeit untersagt. Wakefields Hypothese beruhte auf der Beobachtung von 8 Fällen. Seine Hypothese wurde nie durch epidemiologische Daten oder Studien bestätigt. Bereits 2004 hatten sich 10 der 13 Co-Autoren von der Publikation distanziert, als bekannt geworden war, dass Wakefield Geld von Anwälten erhalten hatte, die Entschädigungsklagen gegen Impfstoffhersteller einreichten.
Vor 50 Jahren
Fremdes Darmbakterium
Britische Forscher beschreiben einen E.-coliStamm, der die typischen Durchfallerkrankungen bei Reisen in südliche Länder auslöst. Sie fanden das Bakterium bei britischen Soldaten, die von England auf Stützpunkte in Aden geschickt wurden. Die Schlussfolgerung der Forscher: Zu Hause ist man an die dort übliche E.-coli-Flora gewöhnt. Der typische Reisedurchfall entsteht, wenn man mit fremden E.-coli-Stämmen in Kontakt kommt.
Impfen
Steigende Impfzahlen in der Apotheke
Derzeit sind in 21 von 26 Kantonen einige Impfungen in der Apotheke ohne Vorliegen eines Arztrezepts möglich. Bei der aktuellen Grippeimpfsaison vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 2019 wurden in Schweizer Apotheken 33 041 Grippeimpfungen durch geführt. Das entspricht einer Zunahme von 33 Prozent gegenüber der gleichen Periode im Jahr davor (24 901 Grippeimpfungen). Allein am nationalen Grippeimpftag im November wurden 4123 Impfungen verabreicht. Noch deutlicher ist die Zunahme bei der FSME-Imp fung. 2018 wurden 9566 FSME-Impfungen
in der Apotheke durchgeführt, 2019 bereits 38 627. Dass sich die Anzahl der FSME-Imp fungen in der Apotheke vervierfacht hat, ist vermutlich zum einen auch durch den Ent scheid des Bundesamts für Gesundheit beein flusst, die FSME-Risikogebiete fast auf die ganze Schweiz auszudehnen (Ausnahmen sind Genf und Tessin), und zum anderen der gesteigerten Impfmotivation wegen der h ohen FSME-Fallzahlen 2018 geschuldet. RBO/pharmaSuisse s
Medienmitteilung des Schweizerischen Apotheker verbands pharmaSuisse vom 14. Januar 2020.
Vor 100 Jahren
Abtreibung wegen Syphilis?
In ARS MEDICI wird diskutiert, ob die Syphiliserkrankung einer Schwangeren nicht doch ein Grund für den Abbruch der Schwangerschaft sei. Bis anhin ist man der Ansicht, dass man zumindest einen Teil der mit Syphilis infizierten Schwangeren heilen könne und sie danach gesunde Kinder gebären würden. Darum sei die Syphilis per se kein Grund für einen Schwangerschaftsabbruch. Doch nun kommen Zweifel auf, weil sich die Erkrankung bei den vermeintlich gesunden betroffenen Kindern «selbst noch nach der Pubertät» manifestieren kann. RBO s
ARS MEDICI 3 | 2020