Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Infektiologie
Verbesserung des Tuberkulose-Screenings
Jedes Jahr sterben weltweit 1,5 Millionen Menschen an Tuberkulose (TB). In abgelegenen Gebieten sind die Diagnose und die Behandlung besonders schwierig. Das Schweizerische Tropen- und Public-Health-Institut (Swiss TPH) startet nun zusammen mit internationalen Partnern das neue Projekt «TB TRIAGE+». Es geht darum, neue diagnostische Ansätze zu evaluieren, um die aktive Fallsuche von TB-Patienten in abgelegenen Gebieten im südlichen Afrika effizienter und kostengünstiger zu gestalten. TB ist nach wie vor die Infektionskrankheit, die weltweit am meisten Todesfälle fordert. Vor allem in schwer zugänglichen Gebieten sind Diagnose und Behandlung von TB eine grosse Herausforderung, und selbst in Gebieten mit hoher TB-Prävalenz wird ein Drittel der Patienten nie diagnostiziert.
Um die Patienten zu finden, zu diagnostizieren und zu behandeln, führen mehrere Länder aktive Fallsuchkampagnen durch. Während solcher Kampagnen wird die Bevölkerung nach Symptomen gefragt, die auf TB hinweisen, und gegebenenfalls mit einem molekularen Sputumtest, dem Xpert MTB/RIF, getestet. Dieses Vorgehen ist arbeitsintensiv und kostspielig. Effizienter wäre es, zuerst einen Triage-Test durchzuführen, um Personen auszuschliessen, die höchstwahrscheinlich keine TB haben. Dann wäre der molekulare Test seltener notwendig. Das Projekt TB TRIAGE+ wird Exaktheit, Wirkung und Kosteneffizienz neuer Fallsuchmethoden auf Gemeindeebene eruieren, um potenzielle TB-Patienten besser zu triagieren. Das Herzstück von TB TRIAGE+ ist eine
gross angelegte klinische Studie in den ländlichen Gemeinden Lesotho und KwaZulu-Natal in Südafrika, die stark von TB- und HIV-Epidemien betroffen sind. Dabei wird zum einen eine automatisierte Röntgenanalyseplattform (CAD4TB) getestet, die innerhalb von Sekunden erkennen kann, ob es Anzeichen einer Lungen-TB gibt. Zum anderen wird das Potenzial des Entzündungsmarkers CRP als Hilfsmittel für die Triage überprüft. Swiss TPH leitet TB TRIAGE+ in Zusammenarbeit mit SolidarMed (Lesotho/Schweiz), dem Human Sciences Research Council (Südafrika), dem Institute of Tropical Medicine in Antwerpen (Belgien), dem Radboud University Medical Center, Nijmegen (Niederlande), der Charité Universitätsmedizin Berlin (Deutschland) und dem Universitätsspital Basel. Das Projekt wird vom EDCTP (European and Developing Countries Clinical Trials Partnership) finanziert und beginnt am 1. Januar 2020. Swiss TPH/RBO s
Medienmitteilung von Swiss TPH am 2. Dezember 2019.
Foto: Niklaus Labhardt
Parkinson
Unerwartete Nebenwirkung der tiefen Neurostimulation
Tiefe Hirnstimulation bringt vielen Patienten mit Parkinson verlorene Bewegungskontrolle und damit Lebensqualität zurück. Wie Neurologen am Universitätsspital Zürich jetzt bemerkten, kann die tiefe Hirnstimulation bei einzelnen Patienten aber nicht nur den gewünschten Effekt haben: Sie konnten unter Stimulation plötzlich nicht mehr schwimmen. Die Ursache für diesen Effekt ist noch nicht abschliessend geklärt. «Wir vermuten, dass die Synchronisierung der Nerven, die das Zittern stoppt, auch komplexe Bewegungsabläufe beeinflusst», fasste Prof. Christian Baumann, Neurologe und Parkinson-Spezi-
alist, den gegenwärtigen Stand des Wissens zusammen. «Zu diesen meist vor langer Zeit erlernten Bewegungsabläufen gehört Schwimmen, aber auch Skifahren.» Einige Patienten, die nicht mehr oder viel schlechter schwimmen konnten, schalteten den Neurostimulator aus. «Ihre Schwimmfähigkeit war fast sofort wiederhergestellt, als die Stimulation gestoppt wurde. Sie entschlossen sich aber, sie wieder zu aktivieren und auf das Schwimmern zu verzichten, weil die Vorteile für sie letztlich überwiegen.» Dank dieser Patienten ist den Forschern nun bekannt, dass der Ausfall rückgängig gemacht werden kann. Ob dies bei allen Pati-
enten so wäre, ist aber noch nicht erwiesen. Baumann rät von der tiefen Hirnstimulation bei Parkinson keineswegs ab: «Wichtig ist, dass die Patientinnen und Patienten Bescheid wissen, bevor sie sich zu diesem Eingriff entscheiden.» Sie sollten mit einem Neurostimulator nicht unbegleitet ins Wasser gehen, bis feststeht, dass ihre Schwimmfähigkeit nicht gelitten hat. USZ/RBO s
Medienmitteilung des USZ vom 29. November 2019 und Waldvogel B et al.: Beware of deep water after subthalamic deep brain stimulation. Neurology 2019; online first Nov 27, 2019.
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ARS MEDICI 24 | 2019
Stabile KHK
Stent oder rein medikamentöse Therapie?
Rückspiegel
Ob bei einer stabilen KHK eine invasive Strategie mittels Stents und gegebenenfalls einer Bypassoperation einer rein medikamentösen Therapie in Bezug auf die Rate kardiovaskulärer Ereignisse und die Überlebensrate überlegen ist, untersuchte kürzlich die ISCHEMIA-Studie. Die Ergebnisse der Studie wurden kürzlich am Kongress der American Heart Association in Philadelphia präsentiert. 5179 Patienten mit stabiler KHK und Zeichen einer moderaten bis schweren Durchblutungsstörung des Herzens wurden weltweit in die ISCHEMIA-Studie eingeschlossen und in zwei Gruppen mit einer invasiven oder konservativen Therapiestrategie randomisiert. In der Gruppe mit invasiver Therapiestrategie erfolgte neben der optimalen medikamentösen Therapieeinstellung eine diagnostische Herzkatheteruntersuchung, danach folgte eine Stent- (74%) oder Bypassoperation (26%). Die konservativ behandelte Vergleichsgruppe erhielt lediglich eine optimale medikamentöse Therapie. Patienten mit einer Hauptstammstenose (ca. 5%) sowie Patienten mit einem akuten Myokardinfarkt, einer KHK ohne Verengung der Blutgefässe sowie reduzierter Auswurfleistung des Herzens beziehungsweise schwersten Angina-pectoris-Symptomen wurden nicht in die Studie aufgenommen. Nach vier Jahren war die Rate an kardiovaskulären Todesfällen, Herzinfarkten, überlebtem Herzstillstand, Krankenhauseinweisungen wegen einer instabilen Angina und/oder einer neu aufgetretenen Herzinsuffizienz in beiden Gruppen etwa gleich (invasiv: 13,3%, medikamentös: 15,5%). Auch die kardiovaskuläre Todesrate oder die Rate der Myokardinfarkte war statistisch nicht signifikant unterschiedlich (11,7% vs. 13,9%). Im invasiven Therapiearm traten im späteren Verlauf weniger spontane Herzinfarkte auf. In einer Analyse zur Lebensqualität zeigte sich, dass Patienten sehr deutlich und anhaltend von einer invasiven Strategie profitierten, in der die Durchblutung des Herzens wiederhergestellt
wurde. 28 Prozent der Patienten, die zu Beginn dem konservativen Therapiearm zugeordnet waren, wechselten im Verlauf der Studie zu einer invasiven Therapiestrategie. Die detaillierten Ergebnisse der Studie sind zurzeit noch nicht publiziert. Schon jetzt könne man aber sagen, dass bei vielen Patienten mit einer stabilen KHK eine leitliniengerechte medikamentöse Therapie, die den Ursachen von Angina pectoris vorbeugt und Risikofaktoren wie Bluthochdruck, zu hohe Cholesterinwerte und Diabetes mellitus kontrolliert, sicher und effektiv zu sein scheint, heisst es in einer Medienmitteilung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK). Patienten, die unter medikamentöser Therapie keine Symptomfreiheit erreichten, profitierten hingegen deutlich von einer invasiven Strategie. «Zu betonen ist, dass sich diese Ergebnisse lediglich auf Patienten mit stabiler KHK ohne Hochrisikomerkmale beziehen», erklärte Prof. Dr. Christian Schulze, Mitglied der Kommission für klinische kardiovaskuläre Medizin der DGK: «Patienten mit einem akuten Myokardinfarkt profitieren klar von einer invasiven Wiederherstellung der Herzdurchblutung und wurden in der ISCHEMIA-Studie nicht untersucht.» Zusammenfassend kommentiert die DKG die Studienresultate wie folgt: – Bei Patienten mit einer stabilen KHK wirkt
die optimale medikamentöse Therapie genauso gut wie eine Stentimplantation. – Invasive Verfahren gehen mit einer deutlichen Besserung der Lebensqualität einher. – Bei akuten Herzinfarkten ist eine Stentimplantation nach wie vor der Goldstandard und verbessert die Lebenserwartung drastisch.
DKG/RBO s
Medienmitteilung der DGK auf idw-online am 27. November 2019.
canstockphoto.ch – chanawit
ARS MEDICI 24 | 2019
Vor 10 Jahren
Retinaimplantat
Erstmals implantiert man am Universitätsspital in Tübingen einem Patienten mit Retinitis pigmentosa einen Chip in die Netzhaut. Er kann daraufhin wieder schemenhaft sehen. Die grossen Erwartungen an die neue Technologie erfüllen sich im folgenden Jahrzehnt nicht. Im März 2019 gibt der Hersteller der Retinaimplantate, ein Spin-off der Universität Tübingen, auf und stellt seine Geschäftstätigkeit ein. Als Gründe werden die Behinderung der Arbeit wegen der überbordenden Regulierung durch die Zulassungsbehörden genannt sowie die Tatsache, dass das mithilfe der Chips erreichte Sehvermögen letztlich doch unter den Erwartungen geblieben sei, auch wenn ein Grossteil der Patienten die Erfahrung mit dem Implantat positiv bewertet hatte.
Vor 50 Jahren
Berufstätig trotz Epilepsie
Noch immer traut etwa ein Drittel der Bevölkerung den von Epilepsie Betroffenen keine volle Berufstätigkeit zu. Dies ergibt eine Umfrage in Deutschland. Der Epileptologe Wolfgang Dietrich Janz betont in diesem Zusammenhang die grosse Bedeutung der Rehabilitation mit dem Ziel, alle Epileptiker als vollwertige Berufstätige einzugliedern. Wichtiger als das Management der Anfälle sei hierbei die Auseinandersetzung mit den Wesensveränderungen, die langfristig stärker in den Vordergrund treten und damit bedeutender für den Berufsalltag seien.
Vor 100 Jahren
Milchverzicht gegen Migräne
Ein Arzt aus Ulm empfiehlt in ARS MEDICI, bei Hemikranie auf Milch und Milchprodukte zu verzichten. Er habe häufig beobachtet, dass alles nichts helfe, solange die Kranken Milch geniessen, die Anfälle aber rasch verschwunden seien, sobald die Betroffenen völlig auf Milch und Milchspeisen verzichteten. Er selbst sei auch betroffen und habe sich im Selbstversuch von der Wirksamkeit der Massnahme überzeugen können.
RBO s