Transkript
POLITFORUM
Xundheit in Bärn
Postulat vom 21.6.2019
Nicht warten bis zu einer schweren Epidemie: Schaffung eines Fonds zur Förderung der Erforschung und der Entwicklung neuer antimikrobieller Mittel
Claude Béglé
Nationalrat CVP Kanton Waadt
Der Bundesrat wird damit beauftragt, die Schaffung eines Spezialfonds zur Förderung der Erforschung und der Entwicklung neuer antimikrobieller Mittel in der Schweiz zu prüfen und dabei die internationale Zusammenarbeit zu suchen. Darlegung der Gründe: Auf der einen Seite werden Antibiotika oft sehr grosszügig verschrieben, was die Resistenz der hartnäckigsten Bakterien fördert. Dies könnte zu einer schweren Epidemie führen. Auf der anderen Seite versiegt die Forschungstätigkeit: In der Nachkriegszeit wurden um die fünfzig neue Antibiotikaklassen entwickelt, in den letzten 25 Jahren hingegen nur gerade drei. Dieser Geschäftszweig ist für die Pharmaindustrie nicht mehr rentabel.
Um die Bevölkerung zu schützen, muss der Staat einspringen. Es ist ein einschlägiger Forschungsfonds zu schaffen von nationaler, oder besser von internationaler Bedeutung, zumal die ganze Welt von dieser Problematik betroffen ist. Mit rund zwanzig Milliarden Franken könnten fünf bis zehn neue Antibiotikaklassen entwickelt werden.
BEGRÜNDUNG
Das Geschäftsmodell, das heute für Antibiotika verwendet wird, funktioniert nicht mehr. Um die Resistenz der hartnäckigsten Bakterien nicht weiter zu fördern, fordert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) dringend, weniger Antibiotika zu verschreiben und Antibiotika mit engem Wirkspektrum zu bevorzugen. Dies ist aus wissenschaftlicher Sicht vollauf gerechtfertigt. Auf wirtschaftlicher Ebene hat dies aber zumindest zwei Auswirkungen: 1. Der Verkauf von Antibiotika muss zurückgehen. 2. Die neuesten Antibiotika sind nur als letzte
Möglichkeit einzusetzen.
Zudem sind Antibiotika weitverbreitet und entsprechend günstig. Dies führt dazu, dass Forschungsinvestitionen zur Entwicklung neuer Antibiotika immer schwieriger rentabilisiert werden können und dass sich Pharmafirmen wie Novartis und Astra-Zeneca aus diesem Segment zurückziehen. Antibiotika sind heute nicht mehr als Medikament, sondern als Versicherung zu betrachten. Mit einer kollektiven Finanzierung soll erreicht werden, dass in Zukunft jede und jeder Einzelne punktuell und gezielt Zugang erhält zu diesem kostbaren Schutz vor Infektionen. Die beste Lösung wäre die Gründung eines internationalen Forschungsfonds, zumal alle Länder betroffen sind und weil mehrere Dutzend Milliarden nötig sind, um eine hinreichende Anzahl Antibiotika zu entwickeln.
STELLUNGNAHME DES BUNDESRATES VOM 28.08.2019
Der Bundesrat anerkennt den Forschungs- und Entwicklungsbedarf neuer Antibiotika als eine wichtige Komponente im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen. Die Entwicklung neuer Antibiotika bis hin zur Marktreife benötigt Investitionen in Milliardenhöhe. Es gilt, in überstaatlichen Programmen koordiniert und gebündelt vorzugehen. Die Schweiz beteiligt sich deshalb auf internationaler Ebene bereits an verschiedenen Programmen, die die Entwicklung neuer Antibiotika zum Ziel haben, wie die «Global Antibiotic Research and Development Partnership» (GARDP) und der «Global Antimicrobial Resistance Research and Development Hub» in Berlin. Zudem bestehen mit «Horizon 2020» und der «Joint Programming Initiative for Antimicrobial Resistance» (JPAMR) weitere Gefässe, an denen sich die Schweiz zur Förderung von Forschung und Entwicklung im Bereich Antibiotikaresistenzen international aktiv beteiligt.
Das Problem der Antibiotikaresistenzen kann jedoch nicht nur durch neue Antibiotika gelöst werden, wie die WHO und die globalen Forschungsprogramme deutlich aufzeigen. Zentral für die Eindämmung der Resistenzbildung sind Stewardship-Programme und der sachgemässe Antibiotikaeinsatz in der Human- und Tiermedizin, sowie die Verfügbarkeit insbesondere auch bestehender Antibiotika. Entsprechende Massnahmen sind im Rahmen der nationalen Strategie Antibiotikaresistenzen Schweiz (StAR) in Erarbeitung. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die Bereitstellung von Forschungsgeldern in der geforderten Grössenordnung nicht primär auf nationaler, sondern vielmehr auf internationaler Ebene realisiert werden müsse. Er ist bereit, neben der Weiterführung der Beteiligung der Schweiz an den bestehenden Programmen auch die Teilnahme an neuen Initiativen auf internationaler
Ebene, die die Entwicklung neuer Antibiotika nachhaltig fördern, zu prüfen. Im Weiteren erachtet der Bundesrat die im Rahmen der gesundheitspolitischen Prioritäten (Gesundheit 2020) beschlossenen Massnahmen der Strategie Antibiotikaresistenzen Schweiz (StAR) als ausreichend, um das vom Postulanten aufgeführte Risiko einer Epidemie mit resistenten Erregern in der Schweiz in geeigneter Form anzugehen und soweit als möglich zu reduzieren. Wie der Bundesrat in seiner Stellungnahme zur Annahme der Motion Graf Maya «One Health Strategie mit systemischer Erforschung der Verbreitung von Antibiotika-Resistenzen» ausführt, anerkennt er den Handlungsbedarf im Bereich der Antibiotikaresistenzen. Im Rahmen der Zwischenevaluation von StAR, welche Mitte 2021 vorliegen wird, sollen der Zusatzbedarf fundiert beurteilt und notwendige Massnahmen umgesetzt werden.
Der Bundesrat beantragt die Ablehnung des Postulates.
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ARS MEDICI 24 | 2019
POLITFORUM
Xundheit in Bärn
Motion vom 21.6.2019
Task Force Antibiotikaresistenz
Christoph Eymann
Nationalrat FDP-Liberale Kanton Basel-Stadt
Der Bundesrat wird beauftragt, eine Task Force Antibiotikaresistenz zu bilden, die aus Fachleuten des BAG, des SBFI, der Akademie der Medizinischen Wissenschaften, der Universitätsspitäler, der Hochschulen, der forschenden Industrie und evtl. weiteren zusammengesetzt ist. Ihr Auftrag besteht in der umfassenden Sichtung bisheriger Forschungsarbeiten verschiedener Akteure mit dem Ziel, Grundlagen für eine Nationales Kompetenzzentrum zu beschaffen und bereitzustellen.
BEGRÜNDUNG
Antibiotikaresistenz kann zu einer äusserst gefährlichen Bedrohung der Gesundheit der Bevölkerung werden. Dies hat der Bund erkannt und verschiedene Abwehrmassnahmen getroffen oder eingeleitet. Verschiedene Akteure aus dem Spitalbereich, aus den Hochschulen und der forschenden Industrie arbeiten intensiv an diesem Thema. Der SNF hat sich stark engagiert und ermöglicht verschiedenen Hochschulen Forschungsarbeiten. Auch Start-up-Firmen sind am Thema dran wie auch die grossen Pharma-Firmen. Trotz dieser Anstrengungen und dem politischen Willen, das Problem anzugehen, besteht noch Handlungsbedarf. Es gilt, die Arbeiten verschiedenster Akteure zu sichten, damit sie im Rahmen der Möglichkeiten allen Beteiligten verfügbar gemacht werden können. Mit dieser umfassenden Aufgabe ist bis heute niemand betraut worden. Es ist aber
notwendig, die Ergebnisse zusammenführen zu können, damit alle Grundlagen für ein zu schaffendes Kompetenzzentrum bereitgestellt werden können. Eine aus Fachleuten zusammengesetzte Task Force hat die Aufgabe, Vorarbeiten zu leisten, damit ein solches nationales Kompetenzzentrum errichtet werden kann.
STELLUNGNAHME DES BUNDESRATES VOM 28.08.2019
Der Bundesrat anerkennt das Anliegen der Bündelung und Koordination der unterschiedlichen Forschungsbestrebungen und Problemlösungsstrategien zur Problematik der Antibiotikaresistenzen. Der Bundesrat geht diese Herausforderung im Rahmen der bundesrätlichen Strategie Gesundheit 2020 an. Die sektor- und departementsübergreifende Koordination ist durch das amtsübergreifende Projektteam StAR wie auch durch das Koordinationsorgan Epidemiengesetz
und sein Unterorgan One Health sichergestellt. Zudem begleiten innerhalb der einzelnen Sektoren und Ämter Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft und den Universitätsspitälern die Umsetzung der Massnahmen. Der Bundesrat hat dem Anliegen der koordinierten Forschung auf nationaler Ebene mit dem Forschungsprogramm zur antimikrobiellen Resistenz (NFP72) Rechnung getragen. Das NFP72 ist mit dem Projektteam StAR im Austausch.
Der Wissenstransfer und weiterführende Politik- und Forschungsempfehlungen aus dem NFP72 heraus werden 2022 erwartet. Der Bundesrat erachtet die bestehenden Strukturen als ausreichend im Kampf gegen die Antibiotikaresistenzproblematik. Er lehnt deshalb die Schaffung neuer Strukturen in Form eines nationalen Kompetenzzentrums und einer vorbereitenden Task Force ab.
Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
ARS MEDICI 17 | 2019
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