Transkript
BERICHT
Highlights der UEG-Week in Barcelona
Zusammenkunft von 14 000 Gastroenterologen
Was gibt es Neues in der Gastroenterologie? In den vergangenen Jahren liess die Hepatitis C die Publikationzahlen hochschnellen, heute ist es das Thema des Mikrobioms. An der UEG-Week fanden viele Sessions dazu statt. Prof. Emad El-Omar, St. George & Sutherland Clinical School, University of New South Wales, Sydney (AUS), präsentierte ausgewählte Neuheiten auf dem gastroenterologischen Gebiet.
Bei der gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) gab es eine wichtige Studie: Sie verglich die chirurgische Fundoplikatio Nissen bei GERD-Patienten mit refraktärem Sodbrennen (n = 78) mit der pharmakologischen Therapie. Die dreiarmige Studie untersuchte den Nutzen der chirurgischen Intervention versus Protonenpumpenhemmer (PPI), Baclofen plus Desipramin versus PPI plus zwei Plazebopräparate. Die Symptome wurden vierteljährlich erhoben (GERD-HRQL) und die Medikation angepasst. Nach einem Jahr zeigte sich, dass es den operierten Patienten signifikant besser ging als jenen, die pharmakologisch behandelt worden waren, egal ob mit oder ohne Baclofen und Desipramin. PPI-refraktäre GERD-Patienten sollten demnach die Möglichkeit einer solchen chirurgischen Intervention erhalten, so das Fazit der Studie (1).
Neue Guidelines und Zuwachs bei Colitis ulcerosa
Beim Thema chronisch entzündliche Darmerkrankungen sind für die Behandlung neue Guidelines erschienen (2). Diese entstanden in Zusammenarbeit mit den verschiedensten am Thema involvierten Disziplinen, wie behandelnden Ärzten, Chirurgen, Pädiatern, Ernährungsberatern, Radiologen, Hausärzten sowie Patienten. Noch nicht in die Guideline Eingang gefunden hat die erst kürzlich publizierte UNIFI-Studie zur Induktionsund Erhaltungstherapie der Colitis ulcerosa mit dem monoklonalen IL-12/ IL23-Antikörper Ustekinumab (3). Dieser, in der Indikation Morbus Crohn bereits erfolgreich etabliert, wurde nun auch auf Anfangswirkung und Remissionserhalt bei Patienten mit mittlerer bis
schwerer Colitis ulcerosa im Vergleich zu Plazebo untersucht. Patienten, die nach acht Wochen Induktion auf den Antikörper angesprochen hatten, wurden in eine 44-wöchige Erhaltungstherapiestudie mit Ustekinumab versus Plazebo randomisiert. Als primärer Endpunkt der Induktionsstudie war die klinische Remission nach acht Wochen definiert, als sekundärer Endpunkt die endoskopische Verbesserung, das klinische Ansprechen, die Veränderung im IBDQ-Score sowie die histoendoskopische Mukosaheilung. In der Erhaltungsstudie galt als primärer Endpunkt die klinische Remission nach 44 Wochen, sekundäre Endpunkte waren die klinische Response, die endoskopische Verbesserung, die steroidfreie klinische Remission sowie die klinische Remissionserhaltung bei Patienten, die nach der Induktion bereits eine Remission erreicht hatten. In der Induktionsphase erreichten signifikant mehr Patienten unter Ustekinumab nach acht Wochen eine Remission als unter Plazebo (15,6 vs. 5,3%). Unter den Patienten, die in der Induktionsphase eine Remission erreicht hatten und in die Erhaltungsphase randomisiert wurden, war der Anteil derer mit einer Remission nach 44 Wochen in der Ustekinumabgruppe (q12w 38,4%, q8w 43,8% vs. Plazebo 24%) signifikant grösser als unter Plazebo. Die Nebenwirkungsinzidenz war etwa ähnlich hoch wie unter Plazebo. Alle anderen Endpunkte wurden unter dem Biologikum ebenfalls signifikant besser als in der Plazebogruppe. Das bedeutet, dass Ustekinumab in der Induktion und in der Remissionserhaltung wirksamer ist als Plazebo.
Mikrobiom in aller Munde
Ein grosses Feld ist die Forschung am Mikrobiom. Hier stach gemäss El-
Omar eine in «Nature Medicine» publizierte Arbeit heraus, die das Darmmikrobiom bei Elite-Marathonläufern untersuchte. Es zeigte sich, dass bei den Sportlern fünf Tage nach einem Marathonlauf der Anteil an Veillonella atypica grösser war als vor dem Lauf. Dieses Bakterium wandelt Lactat in Propionat um. Das heisst, dass V. atypica die Laufzeit durch die metabolische Konversion von leistungsabhängig entstandener Milchsäure erhöht, weil Muskelschmerzen erst später auftreten. Diese Erkenntnis könnte nicht nur für Spitzensportler, sondern auch für ältere Personen mit Sarkopenie interessant sein (4), so El-Omar.
Pilze und Virome spielen auch mit
Galt das Interesse am Mikrobiom bislang der Veränderung von Bakterienstämmen, scheinen auch Pilze und Viren beziehungsweise Virome eine Rolle zu spielen, zumindest was die Pathogenese von gastrointestinalen Mukosaerkrankungen wie Colitis ulcerosa und Kolonkarzinom betrifft, wie neueste Arbeiten andeuten (5 – 7). Auch die Mundflora kann Hinweise liefern. In Bezug auf Pankreaskrebs fand ein Forscherteam heraus, dass eine Veränderung des Mikrobioms im Mund möglicherweise das Risiko für diesen Krebs erhöht. Träger von Porphyromonas gingivalis und Aggregatibacter actinomycetemcomitans in ihrer Mundflora haben ein erhöhtes Risiko, an Pankreaskrebs zu erkranken (8). Zudem scheint das Mikrobiom des Pankreaskarzinoms die Onkogenese durch die Unterdrückung der Immunabwehr zu fördern, wie eine weitere Arbeit nahelegt (9). Eine weitere interessante Arbeit untersuchte das Tumormikrobiom von Patienten mit Pankreaskarzinom. Sie fand heraus, dass
782
ARS MEDICI 23 | 2019
Langzeitüberlebende (≥ 5 Jahre) ein diversifizierteres bakterielles Tumormikrobiom besitzen als solche, die den Krebs nur kurze Zeit überleben. Bestimmte Bakterienarten, wie Pseudoxanthomonas, Streptomyces, Saccharopolyspora und Bacillus clausii, erwiesen sich als prädiktiv für das Überleben. Eine experimentelle Stuhl Transplantation von humanem Stuhl von Lang- und Kurzzeitüberlebenden sowie Kontrollen bewirkte bei Mäusen mit Pankreaskarzinom eine Veränderung des Tumormikrobioms wie auch des Tumorwachstums und der Tumorinflitration (10). Bei übergewichtigen und adipösen Patienten könnte sich Akkermannsia muciniphila für einen therapeutischen oder präventiven Einsatz als nützlich erweisen. Eine kleine doppelblind randomisierte klinische Studie mit 40 adipösen oder übergewichtigen Teilnehmern zeigte nach dreimonatiger täglicher Supplementierung von A. muciniphila versus Plazebo eine signifikante Verbesserung von metabolischen Parametern wie erhöhte Insulinsensitivität, verringerte Insulinämie und reduziertes Totalcholesterin.
Gemüse und mediterrane Ernährung gut fürs Mikrobiom
Grüne Bohnen, Fisch, Nüsse und Wein fördern die Biosynthese von kurzkettigen Fettsäuren, dem Hauptenergielieferanten der protektiven Darmflora. Das könnte auch bei gastrointestinalen Erkrankungen nützlich sein. Forscher der medizinischen Universität Groningen (NL) untersuchten den Einfluss von über 160 Lebensmitteln auf das Darmmikrobiom von vier Personengruppen (n = 1423): Personen aus der Gesamtbevölkerung, Morbus-Crohn-Patienten, Colitis-ulcerosa-Patienten und Patienten mit Reizdarm (IBS). Jeweils eine Stuhlprobe der Teilnehmer zusammen mit Angaben aus dem Food Frequency Questionnaire lieferten die Grundlage für die Rekonstruktion der Microbiota. Die Auswertung zeigte, dass pflanzliche Proteine zu einer Erhöhung von Bifidobakterien und zu einer Reduktion von Blautia und Streptokokken führen. Die gegenteilige Wirkung zeigte sich bei tierischem Protein. Wie erwartet, bewirkten fettarme Milchprodukte eine Erhöhung von Laktobazillen und Bifidobakterien. Ein Ernährungsmuster, bestehend aus Gemüsen, Früchten, Getreide, Nüssen, Wein und Fisch, stand im Zusammenhang mit grösserer Fülle an Roseburia homonis, Faecalibacterium prausnitzii und Bifidobakterien und der Kohlenhydratfermentation. Diese Untersuchung legt nahe, dass eine Ernährung reich an Brot, grünen Bohnen, Fisch und Nüssen mit einer Reduktion von potenziell schädlichen anaeroben Bakterien im Zusammenhang steht sowie mit tieferen Entzündungsmarkern im Stuhl, wie sie bei intestinaler Entzündung entstehen. Erhöhte Entzündungsmarker und eine verminderte nutzbringende Bakterientätigkeit wurden dagegen bei vermehrter Einnahme von Fleisch, Fast Food und raffiniertem Zucker beobachtet. Mit einer entsprechenden Ernährung könnte das Darmmikrobiom moduliert und durch antiinflammatorische Eigenschaften zu einer Mukosaprotektion angeregt werden (11).
Update Hepatologie
Auf dem Gebiet der Hepatolgie fasste Prof. Thomas Berg, Klinik und Polyklinik für Gastroenterologie, Hepatologie,
ARS MEDICI 23 | 2019
BERICHT
Fotos: vh
Infektiologie und Pneumologie, Universitätsklinik Leipzig (D), die Neuerungen zusammen. In der Behandlung der Hepatitis C sei heute die genotypunabhängige Therapie mit Velpatasvir/Sofosbuvir während zwölf Wochen sowie die Behandlung mit Glecaprevir/Pibrentasvir während acht Wochen gut etabliert, berichtet Berg. Die Frage sei nun, bei welchen Patienten nach abgeheilter Infektion weiterhin ein Risiko für die Entstehung eines hepatozellulären Karzinoms bestehe (HCC). Anhand einer retrospektiven Studie, die das 3-Jahres-Risiko für HCC nach Abheilung der Virusinfektion anhand von verschiedenen Parametern, wie zum Beispiel Alter, Zirrhose, Albumin, Leberwerte und Zellzahl untersuchte, entwickelten die Autoren einen HCC-Risk-Calculator. Dieser ist unter www.hccrisk.com verfügbar. Es zeigte sich, dass bei Patienten mit bestehender Zirrhose das Risiko erhöht ist (12). Die EASL-Guidelines empfehlen, bei Patienten mit fortgeschrittener Fibrose (F3) oder Zirrhose (F4) nach Abheilung der Hepatitis-C-Infektion alle sechs Monate eine Sonografie zur Kontrolle durchzuführen (13).
Mittel gegen Fettleber
Die nicht alkoholische Fettleber (NAFLD) wird zu einem immer grösseren Problem, die weltweite Prävalenz liegt im Durchschnitt bei etwa 25 Prozent (14). Als Folge davon werden gemäss einer Vorausberechnung bis zum Jahr 2030 die Inzidenzen von dekompensierter Zirrhose, HCC und leberbedingtem Tod bei NAFLD-Patienten weltweit kontinuierlich steigen (15). In der Therapie werden verschiedene, bereits fortgeschrittene Ansätze verfolgt. Auf die Fibrosierung hat es Selonsertib, ein Inhibitor der Apoptosesignal-regulierenden Kinase 1 (ASK1), abgesehen. Dieser enttäuschte jedoch in der Phase-III-Studie nach zuvor vielversprechenden Resultaten in der Phase II. Die Substanz habe keine histologische Verbesserung der Fibrose bewirken können, so Berg. Cenicriviroc ad-
ressiert ebenfalls die Fibrosierung, Elafibranor, ein PPAR-alpha/delta-Agonist, und Obeticholsäure, ein Farnesoid-X-Rezeptor-Agonist zielen auf den Lipidmetabolismus. Von Letzterem sind die finalen Resultate der Phase-III-Studie REGENERATE bereits verfügbar. Die Fibrosierung wurde unter Obeticholsäure nach 18 Monaten bei signifikant mehr Patienten um mehr als 1 Fibrosegrad reduziert als unter Plazebo (23,1 vs. 11,9%) (16). Obeticholsäure ist bereits bei der primären biliären Cholangitis zugelassen und in dieser Indikation in Kombination mit Ursodesoxycholsäure (UDCA) für Patienten, die unter UDCA allein schlecht ansprechen (17). Das Ansprechen auf Obeticholsäure nimmt in der Langzeitbehandlung nicht ab und bleibt in etwa stabil, wie 3-Jahres-Zwischenergebnisse der auf fünf Jahre angelegten Langzeit-Sicherheits- und Wirksamkeitsstudie POISE zeigen (18). Bei Patienten mit primärer biliärer Cholangitis ist auch die Anwendung der dafür noch Off-Label-Medikation Bezafibrat interessant: Es erhöht die Response bei Patienten mit inkomplettem Ansprechen unter UDCA und verringert die Juckreizintensität. In der Behandlung des fortgeschrittenen HCC ist nach einer Dekade alleiniger Therapieoption mit Sorafenib kürzlich Lenvatinib als First-Line-Therapie dazugekommen sowie Regorafenib als Zweitlinienpräparat. Mehrere andere Präparate, wie Cabozantinib und Ramucirumab, stehen ebenfalls in der zweiten Reihe, sie sind dafür in der Schweiz aber noch nicht zugelassen.
Valérie Herzog
Quelle: «What is new in Gastroenterology?» und «What is new in Hepatology?» United European Gastroenterology Week (UEGW) 2019, 21. bis 23. Oktober in Barcelona.
Referenzen 1. Spechler SJ et al.: Randomised trial of medical versus surgical treatment for refractory heartburn. New Engl J Med 2019; 381: 1513–1523. 2. Lamb CA et al.: British Society of Gastroenterology consensus guidelines on the manage-
ment of inflammatory bowel disease in adults. Gut 2019, Sep 27; Epub ahead of print. 3. Sands BE et al.: Ustekinumab as Induction and Maintenance Therapy for Ulcerative Colitis. N Engl J Med 2019; 381: 1201–1214. 4. Scheiman J et al.: Meta-omics analysis of elite athletes identifies a performance-enhancing microbe that functions via lactate metabolism. Nat Med 2019; 25: 1104–1109. 5. Coker O et al.: Enteric fungal microbiota dysbiosis and ecological alterations in colorectal cancer. Gut 2019; 68: 654–662. 6. Zuo T et al.: Gut mucosal virome alterations in ulcerative colitis. Gut 2019; 68: 1169–1179. 7. Nakatsu G et al.: Alterations in enteric virome are associated with colorectal cancer and survival outcomes. Gastroenterology 2018; 155: 529–541. 8. Fan X et al.: Human oral microbiome and prospective risk for pancreatic cancer: a population-based nested case-control study. Gut 2018; 67: 120–127. 9. Pushalkar et al.: The pancreatic cancer microbiome promotes oncogenesis by induction of innate and adaptive immune suppression. Cancer Discovery 2018. 8: 403–416. 10. Riquelme E et al.: Tumor Microbiome Diversity and Composition Influence Pancreatic Cancer Outcomes. Cell 2019; 178: 795–806. 11. Bolte L et al.: Towards anti-inflammatory dietary recommendations based on the relation between food and the gut microbiome composition in 1423 individuals. Poster, präsentiert an der United European Gastroenterology Week (UEGW) 2019, 21. bis 23. Oktober in Barcelona. 12. Ioannou GN et al.: Development of models estimating the risk of hepatocellular carcinoma after antiviral treatment for hepatitis C. J Hepatol 2018; 69: 1088–1098. 13. Pawlotsky JM et al.: EASL Recommendations on treatment of hepatitis C 2018. J Hepatol 2018; 69: 461–511. 14. Younossi Z et al.: Contribution of Alcoholic and Nonalcoholic Fatty Liver Disease to the Burden of Liver-Related Morbidity and Mortality. Gastroenterology 2016; 150: 1778–1785. 15. Estes C et al.: Modeling NAFLD disease burden in China, France, Germany, Italy, Japan, Spain, United Kingdom, and United States for the period 2016–2030. J Hepatol 2018; 69: 896–904. 16. Younoussi Z et al.: EASL 2019. Abstract GS-06, J Hepatol 2019. 17. Hirschfield GM et al.: EASL Clinical Practice Guidelines: The diagnosis and management of patients with primary biliary cholangitis. J Hepatol 2017; 67: 145–172. 18. Trauner M et al.: Long-term efficacy and safety of obeticholic acid for patients with primary biliary cholangitis: 3-year results of an international open-label extension study. Lancet Gastroenterol Hepatol 2019; 4: 445–453.
784
ARS MEDICI 23 | 2019