Transkript
Chronischer Husten
Tipps zur Abklärung
BERICHT
Foto: vh
Chronischer Husten kann viele Ursachen haben. Hypersensitivitäten, Reflux, aber auch Lungenfibrose können ein Grund sein. Worauf bei der Abklärung und der Therapie zu achten ist, erklärte Prof. Alyn Morice, Respiratory Medicine, Castle Hill Hospital, Cottingham (UK), am Schweizerischen Pneumologenkongress (SGK) in Montreux.
Chronischer Husten ist mit einer weltweiten
Prävalenz von 10 Prozent häufig. Während
ein akuter Husten meist durch respiratori-
sche Infekte ausgelöst wird, kann ein chro-
nischer Husten mit einer Dauer von über 8
Wochen verschiedenste Ursachen haben. Nach
Ausschluss von Asthma, COPD, ACE-Hem-
mer-Husten kann es sich beispielsweise um ein
Hustenhypersensitivitätsyndrom handeln, wie
Prof. Alyn Morice
Morice ausführt. Darunter versteht man einen störenden Husten, der häufig durch nieder-
schwellige thermale, mechanische oder chemi-
sche Reize ausgelöst wird. Beispielsweise können tempera-
tursensible Rezeptoren, die auch durch inhaliertes Capsaicin
oder Menthol aktiviert werden können, einen Husten auslö-
sen. Auch Rauchen und verschiedene Parfüms können dies.
Viele Versuche mit Rezeptorblockern im Umkehrschluss
schlugen bisher fehl, so Moryce. Ein neuer Ansatz geht über
die Blockierung eines ATP-Rezeptors. Denn infolge von Zell-
schäden entsteht extrazelluläres Adenosintriphosphat (ATP),
das zu einer Hypersensibilität der Atemwege und zu chroni-
schem Husten führen kann. Gefapixant, ein P2X3-Antago-
nist, der auf einen Subtyp des ATP-Rezeptors wirkt, scheint
vielversprechend zu sein und befindet sich in Phase III der
Entwicklung. Bis dahin muss weiter probatorisch oder bei
Mögliche Ursachen von chronischem Husten
s Asthma s COPD s ACE-Hemmer-Nebenwirkung s weitere Ursachen s Hypersensibilitätssyndrom s gastroösophagealer Reflux
Red Flags s redizivierende Lungenembolien mit Belastungsdyspnoe s Linksherzinsuffizienz s Neoplasie s Fremdkörperaspiration
Nachweis von Eosinophilen mit einem inhalativen Kortiko steroid wie beispielsweise Beclometason oder Budesonid oder dem Leukotrienantagonisten Montelukast Linderung gesucht werden.
Atemwegsreflux abklären
Auch gastroösophagealer Reflux (GERD) kann Husten induzieren. GERD kann mit einer Gastroskopie oder einer 24-Stunden-pH-Metrie nachgewiesen werden. Weniger aufwendig, aber ebenso zielführend ist die Verwendung des Hull-Fragebogens (Link) (1) zum Atemwegsreflux, der durch den Patienten ausgefüllt werden kann. Neben dem Reflux kann aber auch eine abnormale ösophageale Motilität der Grund für einen chronischen Husten sein. In einer Untersuchung bei chronischen Hustenpatienten mit Verdacht auf GERD wies ein Drittel eine abnorme ösophageale Manometrie ohne abnormale pH-Werte auf. Das bedeutet, dass eine normale pH-Metrie eine ösophageale Ursache nicht ausschliesst (2). Bei chronischem Husten skizzierte der Referent das Vorgehen wie folgt: Anamnese und ACE-Hemmer-Einnahme ausschliessen. Um nichts Schwerwiegendes zu verpassen, sollte ein Röntgenbild angefertigt werden. Ein Blutbild mit der Frage nach Eosinophilen gibt weiteren Aufschluss. Im positiven Fall kann mit Kortikosteroiden oder Montelukast ein Therapieversuch unternommen werden. Mit dem Hull-Fragebogen soll ein Atemwegsreflux abgeklärt werden, so der Referent. Wird diese bestätigt, sind Metoclopramid, Domperidon, Baclofen oder Azithromycin mögliche Optionen. Die Behandlung von Atemwegsreflux sieht dagegen keine Protonenpumpenhemmer vor, denn der Reflux ist in diesem Fall nicht säurebedingt, betont Morice. Eine letzte Möglichkeit besteht in der Therapie mit niedrig dosiertem Morphin (5 mg 2 ×/Tag retardiertes Morphin). Dieses soll nach einer Woche jedoch wieder abgesetzt werden, wenn es keine Linderung bringt.
Auch an Lungenfibrose denken
Auch interstitielle Lungenerkrankungen wie die idiopathische Lungenfibrose, die chronische Hypersensitivitätspneumonitis und die systemische Sklerose induzieren häufig chronischen Husten und Anstrengungsdyspnoe, wie PD Dr. Manuela Funke-Chambour von der Pneumologischen Klinik, Inselspital Bern, ausführt. Patienten mit Lungenfibrose leiden gemäss einer schweizerischen Untersuchung zu 88
ARS MEDICI 19 | 2019
645
BERICHT
Hull-Fragebogen zum Atemwegsreflux
Frage: Wie haben sich die folgenden Probleme im letzten Monat auf Sie ausgewirkt?
0 = kein Problem, 5 = schweres/häufiges Problem
Heiserkeit oder ein Problem mit Ihrer Stimme
0 1 2 3 4 5
Sich räuspern
0 1 2 3 4 5
Das Gefühl, als ob etwas hinten die Nase oder den Rachen hinabtropft
0 1 2 3 4 5
Würgen oder Erbrechen beim Husten
0 1 2 3 4 5
Husten beim Hinlegen oder Vornüberbeugen
0 1 2 3 4 5
Engegefühl im Brustkorb oder Keuchen beim Husten
0 1 2 3 4 5
Sodbrennen, Verdauungsstörung, hochsteigende Magensäure
(oder nehmen Sie Medikamente dagegen, falls ja, mit 5 bewerten)
0 1 2 3 4 5
Ein Kratzen im Hals oder ein Klumpen im Hals
0 1 2 3 4 5
Husten beim Essen (während der oder bald nach den Mahlzeiten)
0 1 2 3 4 5
Husten bei bestimmten Speisen
0 1 2 3 4 5
Husten beim Aufstehen am Morgen
0 1 2 3 4 5
Husten infolge von Singen oder Sprechen (zum Beispiel am Telefon)
0 1 2 3 4 5
Mehr Husten im Wachzustand als im Schlaf
0 1 2 3 4 5
Ein seltsamer Geschmack im Mund
0 1 2 3 4 5
Gesamtpunktzahl (von 70 möglichen Punkten)
......
Auswertung: 4–13/70 Punkten: normal; > 13/70 Punkten: Hohe Wahrscheinlichkeit für ein Hustenhypersensitivitätssyndrom, das meist durch Atemwegsreflux verursacht wird.
Quelle: modif. nach (1)
Hull-Fragebogen...
... zum Atemwegsreflux
http://www.issc.info/HullCoughHypersensitivity Questionnaire.html
Prozent an Dyspnoe oder Husten und 48 Prozent an beidem (3). Bei der idiopathischen Lungenfibrose wird der Husten durch verschiedene Faktoren ausgelöst. Einerseits durch die Erkrankung selbst und andererseits durch Komorbiditäten wie Asthma, obstruktive Schlafapnoe, COPD, Reflux oder Bronchiektasien. Der Husten ist dabei ein unabhängiger prognostischer Faktor für die Krankheitsprogression (4). Interessant ist dabei, dass ein Grossteil der Hustenattacken tagsüber erfolgt, wie eine Studie zeigte: Von gesamthaft 211 Attacken ereigneten sich nur gerade 15 in der Nacht (5). Diese Erkenntnis eröffnet weitere Therapiemöglichkeiten: In einer kleinen Studie mit dem Schlafmittel Thalidomid versus Plazebo sank der Husten-VAS (Visual Analogue Scale of cough) unter Thalidomid signifikant und die Lebensqualität verbesserte sich. Verstopfung, Schwindel und Malaise traten unter Thalidomid häufiger auf (6). Ein anderer Ansatz besteht in der Therapie mit Pirfenidon. Damit werden die Akkumulation von Entzündungszellen, die Fibroblastenproliferation, die Entstehung von fibroseassoziierten Proteinen und Zytokinen sowie die erhöhte Produktion und Ansammlung von extrazellulärer Matrix reduziert. Pirfenidon zeigte in einer Studie mit 46 Lungen-
fibrosepatienten nach 12 Wochen im Vergleich zum Aus-
gangswert einen signifikanten objektiven Rückgang um 34
Prozent der Hustenattacken im 24-Stunden-Verlauf sowie
eine signifikante Verbesserung bei den subjektiven Husten-
parametern (VAS) (7).
Eine weitere Möglichkeit besteht in der Verwendung des
inhalativen Mastzellstabilisators Cromoglicinsäure. Eine
neue Formulierung (40 mg) hat in einer Proof-of-Concept-
Phase-II-Studie vielversprechende Resultate gezeigt, die Hus-
tenfrequenz während des Tages war nach zwei Wochen um
31 Prozent tiefer als unter Plazebo (8). Auch der Proto-
nenpumpenhemmer (PPI) Omeprazol kann eine vielverspre-
chende Option sein. In einer kürzlich publizierten Pilotstudie
(n = 45) bewirkte der PPI im Vergleich zu Plazebo eine fast
40-prozentige Hustenfrequenzreduktion (9).
Auch Azithromycin wird zur Hustenlinderung bei Lungenfi-
brose eingesetzt, untermauert durch die klinische Erfahrung.
Um Evidenz zu schaffen, läuft zurzeit eine multizentrische
Crossoverstudie in verschiedenen Zentren in der Schweiz mit
Azithromycin 500 mg /3 × pro Woche oder Plazebo während
12 Wochen. Die Resultate sollen noch in diesem Jahr vorlie-
gen, so die Referentin abschliessend.
s
Valérie Herzog
Quelle: «Chronic cough», Joint Annual Conference of the Swiss Society of Pneumology 2019, 9. bis 10. Mai 2019 in Montreux.
646
ARS MEDICI 19 | 2019
Referenzen: 1. Hull-Fragebogen: http://www.issc.info/HullCoughHypersensi-
tivityQuestionnaire.html. Letzter Zugriff 18.6.19 2. Kastelik JA et al.: Abnormal oesophageal motility in patients
with chronic cough. Thorax 2003; 58: 699–702. 3. Guler S et al.: Idiopathic pulmonary fibrosis in a Swiss interstitial
lung disease reference centre. Swiss Med Wkly 2018; 148: w14577. 4. Ryerson CJ et al.: Cough predicts prognosis in idiopathic pulmo-
nary fibrosis. Respirology 2011; 16: 969–975. 5. Schertel A et al.: Novel insights in cough and breathing pat-
terns of patients with idiopathic pulmonary fibrosis performing repeated 24-hour-respiratory polygraphies. Respir Res 2017; 18: 190. 6. Horton MR et al.: Thalidomide for the treatment of cough in idiopathic pulmonary fibrosis: a randomized trial. Ann Intern Med 2012; 157: 398–406. 7. van Manen MJG et al.: Effekt of pirfenidone on cough in patients with idiopathic pulmonary fibrosis. Eur Respir 2017; 50: pii 1701157. 8. Birring SS et al.: A novel formulation of inhaled sodium cromo glicate (PA101) in idiopathic pulmonary fibrosis and chronic cough: a randomised, double-blind, proof-of-concept, phase 2 trial. Lancet Respir Med 2017; 5: 806–815. 9. Dutta P et al.: Randomised, double-blind, placebo-controlled pilot trial of omeprazole in idiopathic pulmonary fibrosis. Thorax 2019; 74: 346–353.
BERICHT
ARS MEDICI 19 | 2019
647