Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Arztoutfit
Kleidung trägt zum Behandlungserfolg bei
Die Wirkung auf andere hängt auch im ärztlichen Alltag mit der Kleidung zusammen, wie gerade eine Studie des Universitätsspitals Zürich bestätigt hat. Zollinger et al. wollten dabei nicht den optischen Eindruck untersuchen, sondern vielmehr wissen, welchen Einfluss die Kleidung auf das Arzt-Patienten-Verhältnis hat. Welche Kleidung bei Ärzten im Spital erweckt bei Patienten Vertrauen, bei welchem Outfit erleben sie Arzt und Ärztin als zugänglich und fürsorglich? Vor allem, wie weit wird die Einschätzung der Fachkompetenz davon bestimmt? 834 Personen, die das Spital ambulant aufsuchten, wurde ein standardisierter, anonymer Fragebogen mit Bildern einer Ärztin und eines Arztes in verschiedenen Kleidungskombinationen vorgelegt. Über ein Drittel der Befragten gab an, dass das Erscheinungsbild
für sie wichtig sei, und ein Viertel sagte, dass ihr Urteil über die Behandlung auch von der Kleidung beeinflusst werde. Ob es um Vertrauen, Zugänglichkeit, Fürsorglichkeit oder Fachkompetenz ging – am besten schnitt über alle Kategorien hinweg ein weisses Oberteil mit einem traditionellen Arztkittel ab. Weiss war die vorwiegende Antwort auf die Frage, welche Kleidung das ärztliche Personal im Spital vorzugsweise tragen sollte, und zwar nicht nur aus Gründen der Tradition oder als Statussymbol, sondern auch der besseren Erkennbarkeit und Unterscheidbarkeit von anderen Berufsgruppen wegen. Die Studie zeigt, dass das Erscheinungsbild, sei es bewusst oder unbewusst, nicht nur wahrgenommen wird, sondern auch Auswirkungen auf den Erfolg einer Behandlung haben kann, und bestätigt vorherige Resul-
tate, die das Forscherteam zusätzlich systematisch ausgewertet hatte. In den Hausarztpraxen werde neben weissen T-Shirts zunehmend Farbiges getragen, ein Kittel sei dort eher selten. Ob sich das positiv auswirkt, wurde aber noch nicht systematisch untersucht. Auf jeden Fall spreche aus spitalhygienischer Sicht nichts gegen bunte Kleidung, wichtiger als die Farbe seirn der regelmässige Wechsel und hygienische Massnahmen wie die regelmässige Händedesinfektion, so Studienleiter Hugo Sax. Mü L
Quelle: Zollinger M et al.: Understanding patient preference for physician attire in ambulatory clinics: a cross sectional observational study. BMJ open 2019; 9: e026009.
«Götter in Weiss oder im bunten T-Shirt?», Medienmitteilung Universitätsspital Zürich, 31 Juli 2019.
Demenzerkrankung vorbeugen
Mehr Kontakte, mehr kognitive Reserve
Die Zahl der an Demenz erkrankten Patienten steigt, und Durchbrüche bei der Therapie lassen auf sich warten – gerade wurde mit dem Generation-Programm eine weitere Studie vorzeitig erfolglos beendet, von der man sich viel erhofft hatte. Dennoch mehren sich die Hinweise, dass man selbst das ein oder andere zur Prävention beitragen kann. Um Präventionsmöglichkeiten bestmöglich zu nutzen, ist es wichtig, die Lebensstilfaktoren zu kennen, die das Demenzrisiko beeinflussen. In älteren Studien waren geringe soziale Kontakte mit einem erhöhten Demenzrisiko verbunden. Aufgrund kürzerer Beobachtungszeiten blieb dabei letztlich offen, ob der Rückzug aus dem Alltag bereits mit einer beginnenden Demenz verknüpft war und womöglich eher Folge als Ursache einer demenziellen Erkrankung. Andrew Sommerlad und Kollegen vom University College London haben nun
retrospektiv Daten von mehr 10 000 Teilnehmern der Whitehall-II-Studie untersucht, um die Auswirkungen sozialer Kontakte über viele Jahre hinweg näher zu analysieren. Die Teilnehmer, bei Einschluss in den Jahren 1985 bis 1988 durchschnittlich 45 Jahre alt und nicht an Demenz erkrankt, wurden bis 2017 nachverfolgt. In diesem Zeitraum wurden per Fragebogen sechsmal die sozialen Kontakte zu Freunden, Bekannten und Verwandten erhoben und fünf kognitive Testungen durchgeführt. Via elektronischer Patientendaten war zusätzlich der Zugriff auf ärztliche Diagnosen möglich, um den Demenzstatus zu dokumentieren. Dabei stellte sich heraus, dass diejenigen, die im Alter von 60 Jahren fast täglich soziale Kontakte pflegten, im Vergleich zu denjenigen, die sich nur alle paar Monate mit Freunden trafen, ein um 12 Prozent niedrigeres Risiko aufwiesen, eine Demenzerkrankung zu entwickeln. Eine
solche positive Assoziation liess sich für
den Kontakt mit Verwandten nicht
darstellen.
Engere soziale Kontakte in der Lebens-
mitte zahlten sich also aus, sie gingen
unmittelbar mit höheren kognitiven
Leistungen und langfristig mit einem
niedrigeren Demenzrisiko einher. Es
scheine möglich zu sein, eine kognitive
Reserve aufzubauen, die die Entwick-
lung einer Demenz verzögere oder ver-
hindere, so die Autoren. Es ist aller-
dings auch möglich, dass die Fähigkeit,
soziale Kontakte zu pflegen, bereits ein
Marker kognitiver Reserve ist und so
vor einer Demenz schützt.
Mü L
Quelle: Sommerlad A et al.: Association of social contact with dementia and cognition: 28-year follow-up of the Whitehall II cohort study. PLoS Med 2019; 16(8): e1002862.
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Masern
Erkrankungen nehmen weltweit zu
Rückspiegel
© focalpoint, canstockphoto.ch
Nicht nur in der Schweiz ist die Verbreitung der Masern ein Problem. Gemäss den neuesten von der WHO veröffentlichten provisorischen Zahlen, nehmen die Masernfälle weltweit zu. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres meldeten 182 Länder 364 808 Masernfälle an die WHO. Das bedeutet für den gleichen Zeitabschnitt im Vergleich zum letzten Jahr eine Steigerung um das Zehnfache in der afrikanischen Region und um mehr als das Doppelte in der europäischen Region.
Damit wurde der höchste Stand der gemelde-
ten Masernfälle seit 2006 erreicht, und im Ver-
gleich zum letzten Jahr ist er fast dreimal so
hoch. Die Demokratische Republik Kongo,
Madagaskar und die Ukraine verzeichneten in
diesem Jahr einen Rekord bei den gemeldeten
Erkrankungsfällen. Derzeit grosse Ausbrüche
erleben einige afrikanische Länder, die Philip-
pinen, Kasachstan und Thailand. Aber auch
die USA verzeichnen einen Höchststand seit
25 Jahren. In der europäischen Region wur-
den im ersten Halbjahr 2019 knapp 90 000
Masernfälle gemeldet, was den Halbjahres-
stand von 2018 übertrifft, der schon als höchs-
ter seit zehn Jahren galt.
Diese Zahlen widerspiegeln nur die gemelde-
ten Fälle, die Dunkelziffer schätzt die WHO
zehnmal höher. Der Impfrückstand hat ge-
mäss WHO vielfältige Gründe: mangelnder
Zugang, kriegerische Konflikte, Flucht,
Falschinformation und mangelndes Bewusst-
sein. Eine Impfabdeckung vom 95 Prozent
würde die Ausbreitung verhindern.
vh L
Medienmitteilung WHO, 12. August 2019.
Achtung Knochendichte
Höheres Osteoporoserisiko durch späte Pubertät?
Die Pubertät ist ein endokriner Meilenstein. Beginnt diese verspätet, kann das auch eine geringere Knochenmineraldichte im Erwachsenenalter zur Folge haben und eventuell im Alter das Osteoporoserisiko erhöhen. Ob dem so ist, untersuchten Wissenschaftler der Universität Bristol. Sie erforschten den möglichen Zusammenhang zwischen dem Einsetzen der Pubertät und der Knochendichte bis zum Erwachsenenalter. In der Avon Longitudinal Study of Parents and Children wurde zu diesem Zweck von 6389 gesunden Engländern beider Geschlechter die Knochendichte im Alter von 10 und 25 Jahren in regelmässigen Abständen sechsmal gemessen. Es zeigte sich, dass mit einem späteren Beginn der Pubertät auch die Knochendichte anhaltend erniedrigt blieb. Daran änderte auch der
schnellere Aufbau bei den älteren Jugendli-
chen nichts mehr. Die Autoren raten deshalb,
jene Jugendlichen, die später in die Pubertät
kommen, dahingehend zu beraten, wie sie
ihre Knochendichte zusätzlich erhöhen kön-
nen, beispielsweise durch physische Aktivi-
tät. Es ist bekannt, dass ein Anstieg der Kno-
chendichte um 10 Prozent die Osteoporose
um 13 Jahre hinauszögern kann.
vh L
Elhakeem A et al.: Association between age at puberty and bone accrual from 10 to 25 years of age. JAMA Netw Open 2019 Aug 2; 2: e198918.
ARS MEDICI 17 | 2019
Vor 10 Jahren
Prävention durch Pap-Screening
Britische Statistiker gehen der Frage nach, wie effizient das Pap-Screening für die Prävention von Zervixkarzinomen ist. Sie stellen in ihrer Studie mit 4012 Zervixkarzinompatientinnen im Alter von 20 bis 69 Jahren fest, dass der potenzielle Nutzen mit steigendem Alter wächst. Bei Frauen zwischen 35 und 64 Jahren reduziert das Pap-Screening das Risiko, innert 5 Jahren ein Zervixkarzinom zu entwickeln, um 60 bis 80 Prozent. Das Risiko für einen fortgeschrittenen Tumor geht sogar um rund 90 Prozent zurück. Bei den jüngeren Frauen zwischen 25 und 34 ist der präventive Effekt etwas geringer. Bei den ganz jungen Frauen zwischen 20 und 24 ist die Sache weniger klar. Da das Zervixkarzinomrisiko in dieser Altersgruppe per se gering ist, zeigen sich in der Statistik extrem breite Konfidenzintervalle, was bedeutet, dass man einen Nutzen weder beweisen noch ausschliessen kann. Insgesamt gab es in der Studie in dieser Altersgruppe nur 73 Fälle, und nur 5 der betroffenen Frauen waren nie gescreent worden.
Vor 50 Jahren
Woodstock
Vom 15. bis 17. August 1969 findet in den USA das legendäre Woodstock-Festival statt. Ursprünglich war geplant, dass es in der Nähe des namensgebenden Woodstock stattfindet, aber man verlegt es in die Nähe von Bethel, einer Kleinstadt, die ebenfalls im USBundesstaat New York liegt. Die Besucherzahlen übertreffen die Erwartungen bei Weitem, und die Organisation ist chaotisch. Das Festival geht als friedlicher Höhepunkt der Hippie-Ära in die Geschichte ein.
Vor 100 Jahren
Strychnin für den Kreislauf
Strychnin wird als «ausgezeichnetes, zentral
wirkendes Vasomotorenmittel» empfohlen,
insbesondere in Fällen mit akuter, gefähr-
licher Kreislaufschwäche, wie sie etwa bei
Typhus oder Pneumonien auftreten kann. Die
Substanz wird in der Regel subkutan zusam-
men mit Koffein verabreicht, in besonders
schweren Fällen könne man es jedoch auch
i.v. geben, berichtet ARS MEDICI im August
1919.
RBO L