Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Orthopädie
Neues Band am Knie entdeckt
AB
A: Das neu entdeckte Band (accessory iliotibial-band-meniscal ligament [AIML]) bei einem 41-jährigen Mann mit Schmerzen seitlich vorne am Kniegelenk, mit schematischer Darstellung des AIML (gelb), welches zwischen dem sogenannten Tractus iliotibialis (semitransparente Struktur) und dem Aussenmeniskus (weiss) verläuft. B: Das korrespondierende Arthroskopiebild zeigt das AIML (Pfeile) mit Insertion am Aussenmeniskus (*) (Abbildung: Balgrist).
Die menschliche Anatomie kann aufmerksame Beobachter immer noch überraschen: Forscher der Universitätsklinik
Balgrist haben ein neues Band im Kniegelenk entdeckt: das «Accessory Iliotibial Band-Meniscal Ligament», kurz AIML.
Das AIML ist ein schmaler Faserzug,
der zwischen dem Tractus iliotibialis
(einem Sehnenstrang entlang der Aus-
senseite des Knies) und dem Aussenme-
niskus verläuft (s. Abbildung). Das
AIML ist eine anatomische Variante
der Aufhängung des Aussenmeniskus.
In einer Analyse von MRI-Untersu-
chungen bei über tausen Personen war
das AIML in 13 Prozent der Fälle vor-
handen.
Personen mit AIML haben ein deutlich
erhöhtes Risiko für Risse des Aussen-
meniskus. Ein Riss im Vorderhorn des
Aussenmeniskus wurde bei 1,2 Prozent
der Personen ohne AIML gesehen, je-
doch bei 23,5 Prozent der Personen mit
einem AIML. Die an der Studie betei-
ligten Ärztinnen und Ärzte erklären
dies mit einer reduzierten mechani-
schen Belastbarkeit, wenn ein AIML
vorhanden ist.
RBO/Balgrist L
Medienmitteilung der Universitätsklinik Balgrist vom 5. Juli 2019.
Orthopädie
Infektionsrisiko künstlicher Gelenke nie vergessen
Zu steter Wachsamkeit bei Infekten und kleinen Verletzungen rät die Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik (AE) Trägern von künstlichen Gelenken. Die Infektion eines künstlichen Hüftoder Kniegelenks gehört zu den am meisten gefürchteten Komplikationen in der Endoprothetik. Als unmittelbare Komplikation infolge einer periprothetischen Infektion während der Operation kommt sie bei zirka 0,5 bis 2 Prozent der Patienten vor. Eine Infektion der künstlichen Gelenke kann aber auch noch Jahrzehnte nach der Implantation auftreten, nämlich dann, wenn Erreger aus einem Infektherd über die Blutbahn auf das Implantat gelangen und sich dort vermehren. Auslöser können grössere Infektionen sein, zum Beispiel ein Harnwegsinfekt oder eine Lungenentzündung. Als wei-
tere mögliche Ursachen kommen auch Bakterienquellen wie offene Beine, eine invasive Zahnbehandlung, eine Darmspiegelung, bei der Polypen abgetragen werden, oder auch eher unscheinbare Verletzungen im Alltag, zum Beispiel bei der Gartenarbeit oder beim Heimwerken, infrage. Träger von Gelenkprothesen und ihre Hausärzte sollten deshalb jede (!) Infektion und Entzündung ernst nehmen. Die Fachgesellschaft rät, auch kleinste Wunden (z.B. durch Nägelschneiden, Gartenarbeit, Kratzer eines Haustiers) immer sofort fachgerecht zu desinfizieren und im weiteren Heilungsverlauf im Auge zu behalten. Treten Beschwerden wie Rötung und Schwellung des Gelenks und vor allem anhaltende Belastungsschmerzen auf, sollten diese umgehend vom Arzt abgeklärt werden.
Da das Immunsystem grosse Teile
künstlicher Gelenke nicht erreichen
kann und sich die Keime auf der künst-
lichen Oberfläche relativ ungestört ver-
mehren und einen Biofilm bilden kön-
nen, sind schon verhältnismässig we-
nige Keime in der Lage, eine ernsthafte
Infektion auszulösen. Eine realistische
Chance, die Infektion durch Antibio-
tika in den Griff zu bekommen, bestehe
deshalb nur in den ersten drei Wochen
nach Beginn der Symptome, heisst es in
einer Medienmitteilung. Umso wichti-
ger sei es, schnell eine Behandlung ein-
zuleiten.
RBO/AE L
Medienmitteilung der Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik vom 9. Juli 2019.
486
ARS MEDICI 14–16 | 2019
Proktologie
Neuer Therapieansatz bei Analfisteln
Rückspiegel
Analfisteln verbinden den Analkanal mit der Körperoberfläche am After (Grafik: USZ).
Als erste Klinik in der Schweiz wendet das Universitätsspital Zürich (USZ) eine neue Therapie zur Behandlung von Analfisteln an, bei der Stammzellen ins Gewebe gespritzt werden, um die Abheilung der Fisteln zu fördern. Die Stammzellen werden aus dem Fettgewebe fremder Spender gewonnen und im Labor vermehrt. In einem etwa 40-minütigen ambulanten Eingriff in Narkose verabreichen Viszeralchirurgen dem Patienten dann vier Injektionen der Stammzellpräparation, die insgesamt 120 Millionen Zellen enthalten. Die Idee: Die Stammzellen senden Botenstoffe in das umliegende Gewebe aus, die die
Entzündung hemmen und das Immunsystem unterstützen. Bei einer erfolgreichen Therapie wird dadurch die Bildung von neuem Gewebe gefördert, und die Fisteln heilen ab. Hergestellt wird das Produkt für die Zürcher Patienten in Spanien und wird von einem Kurierdienst per Flugzeug als Handgepäck in die Schweiz gebracht. Seit Februar 2019 wurden fünf Patienten am USZ mit der neuen Methode behandelt. Die ersten Ergebnisse seien vielversprechend, heisst es in einer Medienmitteilung (1). In der Schweiz zugelassen ist die Behandlung für Patienten, die an Morbus Crohn erkrankt sind, an komplexen Analfisteln leiden und unzureichend auf eine medikamentöse Therapie angesprochen haben. Aus Studien ist bekannt, dass die Chance einer Abheilung der Analfisteln mithilfe der Stammzelltherapie etwa 50 Prozent beträgt (2). RBO/USZ L
1. Medienmitteilung des Universitätsspitals Zürich vom 9. Juli 2019.
2. Panés J et al.: Expanded allogeneic adipose-derived mesenchymal stem cells (Cx601) for complex perianal fistulas in Crohn’s disease: a phase 3 randomised, double-blind controlled trial. Lancet 2016; 388: 1281–1290.
Bewegungsförderung
Gut zureden hilft doch
Die Beratung per Telefon kann Personen bei der Aufnahme eines körperlich aktiven Lebensstils unterstützen. Dies zeigt eine Studie von Sportwissenschaftlern der Universität Basel. Die Studie dauerte sechs Monate. 288 zuvor inaktive Erwachsene wurden in drei Gruppen eingeteilt: Während eine Gruppe nur eine einmalige schriftliche Empfehlung erhielt, wurden die beiden anderen alle zwei Wochen mit telefonischen Coachinggesprächen unterstützt. Eine der Telefongruppen empfing zusätzlich zu den Anrufen zwei SMS-Nachrichten pro Woche. Am Ende der Intervention war die körperliche Aktivität bei den Probanden mit Telefonunterstützung um 250 Minuten pro Woche gewachsen. Diese gesteigerte Aktivität wurde beibehalten: Ein halbes Jahr danach lag der Wert immer noch 200 Minuten höher als zu Beginn des Programms. Aufforderungen
per SMS liessen die Aktivität nicht weiter ansteigen. Eine einmalige schriftliche Empfehlung bewog die Probanden zwar auch zu etwas mehr Aktivität. Die Gruppen mit telefonischer Unterstützung bewegten sich aber deutlich mehr, wie die Angaben der Teilnehmer und die Daten von Trackingsensoren zeigten. Nun interessieren sich offenbar auch zwei Krankenkassen für Motivation per Telefon und führen mit der Basler Forschergruppe ein Projekt mit telefonischem Ernährungs- und Bewegungscoaching durch. RBO/Uni Basel L
Medienmitteilung der Universität Basel vom 24. Juni 2019.
Vor 10 Jahren
Organisierte Sterbehilfe
Die Sterbehilfeorganisation Exit und die Oberstaatsanwaltschaft im Kanton Zürich unterzeichnen eine Vereinbarung über die organisierte Suizidhilfe. Damit wird exakter als bis anhin definiert, unter welchen Bedingungen die organisierte Sterbehilfe legal ist. Die Vereinbarung facht eine bereits laufende Diskussion um die Sterbehilfe in der Schweiz weiter an. Schlussendlich, nach Vorschlägen für neue Gesetze und jeweils mit grosser Mehrheit von der Bevölkerung abgelehnten Initiativen, die das Verbot der organisierten Sterbehilfe zum Ziel hatten, wird der Bundesrat zwei Jahre später beschliessen, auf eine ausdrückliche Regelung der organisierten Suizidhilfe im Strafrecht zu verzichten.
Vor 50 Jahren
Mondlandung
Am 21. Juli 1969, um kurz vor 4 Uhr mitteleuropäischer Zeit betreten zwei Menschen den Mond: Neil Amstrong und Edwin Aldrin. Der dritte Astronaut der Apollo-11-Mission, Michael Collins, bleibt mit dem Raumschiff in der Umlaufbahn. Amstrong und Aldrin verbringen rund 2¼ Stunden in Raumanzügen im Freien auf dem Mond; insgesamt halten sie sich mit der Raumfähre 21½ Stunden im «Meer der Stille» auf, ihrem Landeplatz.
Vor 100 Jahren
Röntgen schädigt den Embryo
In der Wiener Frauenklinik behandelt man 370 Frauen mit verschiedenen Gebärmutterleiden mit der sogenannten Röntgentiefentherapie. In zwei Fällen war die behandelte Frau schwanger. Während eines der Kinder keine offensichtlichen Schäden aufweist, ist dies bei dem anderen klar der Fall. Es wird von einer «überaus dürftigen Entwicklung der Frucht» berichtet und von dem Verdacht, dass eine Schädigung des Embryos durch Röntgentiefentherapie wohl sicher anzunehmen sei.
RBO L
ARS MEDICI 14–16 | 2019