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STUDIE REFERIERT
Akute Rhinosinusitis: Bakteriell oder nicht bakteriell?
Eine akute Rhinosinusitis (ARS) wird vorwiegend viral und seltener bakteriell verursacht. Um unnötige Antibiotikabehandlungen zu vermeiden, ist daher eine Unterscheidung beider Erkrankungsformen erforderlich. In einer Metaanalyse evaluierten amerikanische Wissenschaftler die Aussagekraft von Anzeichen und Symptomen sowie von Entscheidungsregeln mit und ohne Point-of-Care-Tests zur Diagnose einer ARS oder einer akuten bakteriellen Rhinosinusitis.
Annals of Family Medicine
Die ARS wird als Entzündung von Nasennebenhöhlen definiert, die durch Viren oder Bakterien verursacht wird und nicht länger als sechs Wochen anhält. Bei den meisten Patienten sind die Kieferhöhlen betroffen. Da sich die Symptome der ARS mit denen anderer Atemwegsinfektionen überschneiden, kann sich die Diagnose schwierig gestalten. In den USA erhalten 75 Prozent der Patienten mit Verdacht auf eine ARS Antibiotika. Allerdings sind nur bei etwa einem Drittel der Betroffenen bakterielle Pathogene in der Sinusflüssigkeit nachweisbar. Mit einer präziseren diagnostischen Identifizierung von Patienten mit bakterieller ARS (ABRS) könnte somit die Anzahl unangemessener Antibiotikabehandlungen gesenkt werden.
Diagnostische Genauigkeit
In einer Metaanalyse von 17 Studien, an denen jeweils 30 bis 400 ambulant behandelte Erwachsene und/oder Kinder teilgenommen hatten, untersuchten Mark Ebell von der University of Georgia (USA) und seine Arbeitsgruppe die Aussagekraft von Anzeichen und Symptomen sowie von Entscheidungsregeln mit und ohne Point-of-Care-Tests zur Diagnose einer ARS oder einer ABRS. Zur Beurteilung der diagnostischen Genauigkeit dienten die Likelihood-Ratios LR+ und LR–. Eine LR nahe 1 weist darauf hin, dass das Anzeichen/Symptom nur eine geringe diagnostische Information liefert. LR über 1 erhöhen die Wahrscheinlichkeit, LR unter 1 verringern die Wahrscheinlichkeit der Erkrankung. Bei Patienten mit vermuteter ARS betrug die Prävalenz der durch bildgebende Untersuchungen (Radiografie,
Ultraschall, Computertomografie) bestätigten ARS 51 Prozent. Die Prävalenz der mit einer Bakterienkultur nachgewiesenen ABRS lag bei 31 Prozent. Von allen Anzeichen und Symptomen wiesen eitrige Absonderungen des mittleren Nasengangs (LR+: 3,2) und der klinische Gesamteindruck (LR+: 3,0) am genauesten auf eine ARS hin. Klinische Charakteristika, die eine ARS am zuverlässigsten ausschlossen, waren ebenfalls der klinische Gesamteindruck (LR–: 0,37), ein unauffälliger Diaphanoskopiebefund (LR–: 0,55) sowie das Fehlen vorangegangener Atemwegsinfektionen (LR–: 0,48), von Nasenabsonderungen (LR–: 0,49) und von eitrigen Nasenabsonderungen (LR–: 0,54). Als beste Prädiktoren einer ABRS erwiesen sich der klinische Gesamteindruck (LR+: 3,8; LR–: 0,34), Kakosmie (LR+: 4,3; LR–: 0,86) und Schmerzen in den Zähnen (LR+: 2,0; LR–: 0,77).
Kombinationen und Point-of-Care-Tests
In 6 Studien wurde die Genauigkeit von Kombinationen aus Zeichen und Symptomen mit und ohne Point-of-CareTests zur Diagnose einer ARS (4 Studien) oder einer ABRS (2 Studien) evaluiert. Alle Entscheidungsregeln waren mit vielversprechender Genauigkeit verbunden, allerdings sind noch prospektive Validierungen erforderlich. In einer dieser Studien wurde zur Diagnose einer ARS ein Score mit 4 Charakteristika (double sickening; eitrige Sekrete in der Nasenhöhle, purulente Rhinorrhö, Erythrozytensedimentationsrate >10) angewendet. Bei 4 positiven Befunden betrug die LR 25, bei 2 oder 3 Charakteristika lag sie bei 1,2, und bei 0 oder 1 Merkmal betrug die LR 0,16.
In einer anderen Studie wurde zur Diagnose einer ABRS ergänzend zu 5 Anzeichen und Symptomen ein Point-ofCare-Test zur Bestimmung des C-reaktiven Proteins (CRP) herangezogen. Dieser Test wird in vielen Ländern zur Identifizierung von Patienten mit bakteriellen Atemwegsinfektionen verwendet und weist eine hohe Genauigkeit auf. Harnteststreifen zur Bestimmung von 4 Messwerten (Protein, pH, Leukozytenesterase, Nitrit) in Nasenabsonderungen waren in einer weiteren Untersuchung als Point-of-Care-Test zum Ein- oder Ausschluss einer ABRS von Nutzen.
Diskussion
Als wichtige Fragestellung erachten
Ebell und seine Kollegen in diesem Zu-
sammenhang, ob der Nachweis von
Bakterien in der Sinusflüssigkeit auch
bedeutet, dass der Patient von Antibio-
tika profitiert. In den meisten klinischen
Studien wurde bei vermuteter ARS nur
ein geringer Nutzen von 5 zusätzlichen
Heilungen pro 100 Antibiotikabehand-
lungen erzielt. Nach Ansicht der Auto-
ren sind daher weitere Untersuchungen
zur Identifizierung von Personen erfor-
derlich, bei denen Antibiotika höchst-
wahrscheinlich – oder höchstwahrschein-
lich nicht – von Nutzen sind.
PS s
Quelle: Ebell MH et al.: Accuracy of signs and symptoms for the diagnosis of acute rhinosinusitis and acute bacterial rhinosinusitis. Ann Fam Med 2019; 17(2): 164–172.
Interessenlage: Die Autoren der referierten Studie erklären, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
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ARS MEDICI 12 | 2019