Transkript
POLITFORUM
Xundheit in Bärn
INTERPELLATION vom 15.6.2017
Sind die Tarife für eine effiziente Kindermedizin wirklich zu tief?
Lorenz Hess
Nationalrat BDP Kanton Bern
Der Bundesrat wird gebeten, zu folgenden Fragen Stellung zu beziehen: 1. Wie werden die Kinderkliniken in der Schweiz
finanziert (Finanzierungsquellen)? 2. Liegen bei den Tarifen (ambulant und stationär)
Besonderheiten – insbesondere gegenüber jenen bei den Erwachsenen – vor? Wenn ja, welche? 3. Wie sieht die entsprechende, mindestens fünfjährige Kostenentwicklung in der Kindermedizin aus? Wie lautet der Vergleich zu jener der Erwachsenenmedizin? 4. Wie beurteilt er die aktuellen, öffentlich gemachten Vorwürfe, die Kindermedizin sei «un-
terfinanziert»? Was spricht allenfalls für, was spricht gegen diesen Vorwurf? 5. Wie ist die Effizienz der Kinderkliniken zu beurteilen? Liegen entsprechende Studien von unabhängigen Stellen vor? 6. Erachtet er es als notwendig, die Kindermedizin besser zu entschädigen? Wäre er gegebenenfalls bereit, unter Wahrung der Kostenneutralität einen Tarifeingriff zugunsten der Kindermedizin vorzunehmen?
Begründung
Stationäre Tarife: Aufgrund von publizierten Untersuchungen von Swiss DRG liegt keine Untertarifierung vor, hingegen gibt es Anhaltspunkte für nicht eruierbare Mehrkosten in reinen Kinderkliniken. Ambulante Tarife: Bei Geburtsgebrechen kann der höhere IV-Tarif bzw. Taxpunktwert von 1 Franken abgerechnet werden. Im ambulanten Tarmed-
Bereich können bei den Konsultationen sowohl mehr Zeit als auch ein Kinderzuschlag für Kinder unter sechs Jahren abgerechnet werden. Vorsorgeuntersuchungen ab Geburt bis ins Jugendalter sind gemäss den Vorgaben der Schweizerischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin separat und grosszügig tarifiert. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite ist es aber auch kein Geheimnis, dass im Tarmed einige technische Eingriffe im Vergleich zu gesprächs- bzw. zeit- oder personalintensiven Behandlungen deutlich übertarifiert sind. Ein sinnvoller Ausgleich, der die Kostenneutralität respektiert, ist aber nicht in Sicht.
STELLUNGNAHME DES BUNDESRATES VOM 20.2.2019
1. Kinderspitäler finanzieren sich wie die übrigen Spitäler über die Einnahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP), der Invaliden- sowie der Unfallversicherung (IV/UV), der Krankenzusatzversicherung, der Selbstzahler, der gemeinwirtschaftlichen Leistungen und über Drittmittel (z. B. im Bereich der Forschung). Im stationären Bereich finanziert der Kanton mindestens einen Anteil von 55 Prozent der Vergütung von OKP-Leistungen respektive 20 Prozent der IV-Vergütung. 2. Im stationären Bereich berücksichtigt die für die Entwicklung und Pflege der Tarifstrukturen zuständige Swiss DRG AG grundsätzlich Unterschiede zu den Erwachsenen (z.B. mit sog. Kindersplits) und aktualisiert regelmässig die Tarifstruktur. Spitalindividuelle Verhandlungen zwischen den Tarifpartnern erlauben es, allfällige Besonderheiten zu berücksichtigen. Es obliegt den Spitälern, für einen entsprechenden Nachweis zu sorgen. In der Tarifstruktur für ambulante ärztliche Leistungen, Tarmed, gibt es ein separates Kapitel für Kinder- und Jugendmedizin sowie Neonatologie, in welchem pädiatrische Untersuchungen sowie einige pädiatrische Extraleistungen abgebildet sind. Auch in der restlichen Tarifstruktur gibt es
teilweise Zuschlagspositionen für die Kindermedizin. Bei operativen Eingriffen ist die Kindermedizin hingegen nicht anders tarifiert als die Erwachsenenmedizin (mit Ausnahme von gewissen Anästhesieleistungen). Der Bundesrat musste bereits zweimal von seiner subsidiären Kompetenz Gebrauch machen und die Tarifstruktur Tarmed anpassen, weil sich die Tarifpartner nicht einigen konnten. Bereits beim ersten Eingriff im Jahr 2014 hat der Bundesrat die Leistungen der Grundversorgung (dazu gehört die Kindermedizin) bessergestellt. Dasselbe war auch beim zweiten Eingriff per 1. Januar 2018 der Fall. Der Bundesrat hat zudem nach der Vernehmlassung aufgrund der eingegangenen Stellungnahmen Änderungen vorgenommen, um den potenziellen Mehraufwand für die Behandlung bestimmter Patientengruppen (z.B. für Kinder unter 6 Jahren) zu berücksichtigen. Im Bereich der IV und der UV wurden die Anpassungen per 1. Januar 2018 nicht vorgenommen. 3. Aufgrund der dem Bund zur Verfügung stehenden aggregierten Abrechnungsdaten der Krankenversicherer (Datenpool der Sasis AG) können lediglich die zulasten der OKP abgerechneten Bruttoleistungen nach Leistungserbringergruppen aufgezeigt werden, nicht jedoch die
Gestehungskosten, die bei der Leistungserbringung anfallen. In diesen Zahlen ersichtlich sind auch nur die Facharztgruppe Kinder- und Jugendmedizin sowie die Spezialkliniken für Pädiatrie. Sie zeigen somit auch nicht das Total der für Kinder erbrachten Leistungen. Die abgerechneten Bruttoleistungen (in Franken) für ambulante ärztliche Leistungen (inkl. Medikamente, Migel usw.) und stationäre Behandlungen der Kindermedizin betrugen im Jahr 2017 rund 600 Millionen Franken, dies entspricht etwa 2,5 Prozent aller abgerechneten Bruttoleistungen. Von 2012 bis 2017 haben die Bruttoleistungen der Kindermedizin pro Jahr leicht stärker zugenommen als die entsprechenden Bruttoleistungen insgesamt. 4./5. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die Tarife im ambulanten Bereich im Allgemeinen die Kosten decken, welche bei einer wirksamen, zweckmässigen und wirtschaftlichen Leistungserbringung von Pflichtleistungen anfallen. Tarife und Preise werden in Verträgen zwischen Versicherern und Leistungserbringern vereinbart (Tarifautonomie). Grundsätzlich ist es somit an den Leistungserbringern, eine allfällige strukturelle Unterfinanzierung durch den transparenten Ausweis von Kosten- und Leistungsdaten zu belegen und ihre Anliegen in die Tarifverhandlungen einzubringen. Wichtig ist dabei, dass der Tarif höchstens die transparent ausgewiesenen
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Kosten einer effizienten Leistungserbringung decken darf. Wie der Bundesrat in seiner Antwort zur Interpellation Eymann (Nicht kostendeckende Vergütung der Leistungen der Kinderspitäler Zürich, St. Gallen, Basel, der Kinderklinik Bern und weiterer Kinderkliniken im ambulanten Bereich) festgehalten hat, bestehen bei der Unter- resp. Überfinanzierung von gewissen Leistungen durch die Tarifstruktur Swiss DRG zwischen der Erwachsenen- und der Kindermedizin keine wesentlichen Diskrepanzen. Zudem sieht das Gesetz einen Wirtschaftlichkeitsvergleich (Benchmarking) vor. Dem Bundesrat ist zudem keine
Studie bekannt, welche die Effizienz von Kinderspitälern untersucht. Unabhängig davon ist die Beurteilung der Effizienz ein dynamischer regelmässiger Prozess und obliegt in erster Linie den Tarifpartnern. 6. Es ist dem Bundesrat ein grosses Anliegen, für alle Patientengruppen – insbesondere für die Kinder – eine qualitativ hochstehende und zweckmässige gesundheitliche Versorgung zu möglichst tiefen Kosten sicherzustellen. Wie bereits erwähnt, kann namentlich das von Kinderspitälern beschriebene Problem einer allfälligen Unterfinanzierung in der Kindermedizin – was den ambulanten Bereich betrifft – nicht mit den
erfolgten bundesrätlichen Anpassungen des Tarmed begründet werden. Sollte sich die von den Kinderspitälern geltend gemachte Sonderstellung bestätigen, scheint es vielmehr eine Frage des hinterlegten Tarifmodells zu sein, was daher im Rahmen einer Tarmed-Gesamtrevision, d.h. einer grundlegenden Überarbeitung des Tarifmodells, geprüft und falls notwendig korrigiert werden müsste. Diese kann nur durch die Tarifpartner erfolgen, da sie das notwendige Know-how und die notwendigen Datengrundlagen dazu haben.
POSTULAT vom 12.12.2018
Zuckerhaltige Getränke und Adipositas: Es muss etwas getan werden!
Laurence Fehlmann Rielle Nationalrätin SP Kanton Genf
Eine systematische Auswertung der Jahre 2013 bis 2015 hat stichhaltig die Auswirkungen zuckerhaltiger Getränke auf das Auftreten von Adipositas gezeigt (1). In Europa haben während der vergangenen Jahrzehnte Übergewicht und Adipositas bei Erwachsenen in gleichem Mass zugenommen wie bei Kindern. Weltweit ist die Anzahl der an Übergewicht/Adipositas leidenden Frauen zwischen 1975 und 2014 von 23 auf 39 Prozent gestiegen, die der Männer von 21 auf 38 Prozent.
Im selben Zeitraum hat auch der Konsum zuckerhaltiger Getränke (die verschiedene Zuckerarten enthalten) zugenommen. Diese Entwicklung steht in Verbindung mit einem intensiven Marketing für diese Getränke durch die Industrie. Auch die Schweiz ist von diesem Gesundheitsproblem betroffen. Laut dem Schweizerischen Gesundheitsobservatorium (Obsan) sind zurzeit 42 Prozent der Schweizer Bevölkerung übergewichtig/adipös. Zwischen 1992 und 2012 ist der Anteil übergewichtiger/adipöser Männer von 38,6 auf 50,5 Prozent gestiegen. Der Anteil übergewichtiger/adipöser Frauen ist von 21 auf 32 Prozent gestiegen. Angesichts dieser Entwicklungen haben zahlreiche Länder Massnahmen ergriffen, um den Konsum von zuckerhaltigen Getränken einzuschränken.
Dazu zählen die Erhöhung der Preise dieser Produkte, die Verbesserung ihrer Beschriftungen, Kampagnen zur Sensibilisierung der Bevölkerung oder Kombinationen dieser Massnahmen. Daher beauftrage ich den Bundesrat, gegenüber den Herstellern zuckerhaltiger Getränke aktiv zu werden, damit sie den Zuckergehalt ihrer Produkte signifikant verringern (auf weniger als 5%), oder andere Massnahmen vorzulegen, damit der Zuckergehalt in diesen Produkten verringert wird.
1. Luger M et al.: Sugar-sweetened beverages and weight gain in children and adults: a systematic review from 2013 to 2015 and a comparison with previous studies. https:// www.karger.com/Article/FullText/484566
STELLUNGNAHME DES BUNDESRATES VOM 27.2.2019
Die Vision der Schweizer Ernährungsstrategie 2017–2024 ist, dass sich alle Menschen für eine ausgewogene, abwechslungsreiche Ernährung entscheiden können. Im Rahmen dieser Strategie des Eidgenössischen Departementes des Innern sind im Frühling 2019 Gespräche des Bun-
desamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen mit dem Verband Schweizerischer Mineralquellen und mit Soft-Drink-Produzenten geplant. Der Bundesrat hat nicht die Absicht, vor diesen Gesprächen quantifizierte Ziele festzulegen. Wie bereits bei anderen Lebens-
mitteln (Joghurt, Frühstückszerealien) soll in Zusammenarbeit mit der Industrie geprüft werden, wie der Zuckergehalt in Süssgetränken nach und nach und auf freiwilliger Basis gesenkt werden kann.
Der Bundesrat beantragt die Annahme des Postulats.
Erste Hilfe für Menschen mit letzter Hoffnung
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www.msf.ch PK 12-100-2
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