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INTERVIEW
Rheumatoide Arthritis
«Lieber einmal zu früh als zu spät behandeln»
Die rheumatoide Arthritis ist eine Autoimmunerkrankung, die mit entzündlichen Veränderungen der Gelenke und starken Schmerzen einhergeht und in schweren Fällen zu bleibenden Behinderungen führen kann. Sie ist die häufigste chronische Gelenkentzündung – weltweit sind 0,5 bis 1 Prozent der Bevölkerung betroffen, Frauen mehr als Männer. Dem Therapeuten steht heute ein breites Arsenal unterschiedlicher Medikamente und Wirkprinzipien zur Verfügung, deren Einsatz nur einem Ziel dient: das Immunsystem so zu beeinflussen, dass der chronisch progrediente Verlauf der Erkrankung aufgehalten beziehungsweise in die Remission geführt werden kann. Heilbar ist die Krankheit bis heute nicht. Im Gespräch gibt der erfahrene Schaffhauser Rheumatologe Prof. Dr. med. Thomas Stoll, Facharzt für Rheumatologie FMH, Auskunft über das therapeutische Vorgehen, die derzeit zur Anwendung kommenden Substanzen und die für Patienten wichtigste Lifestyle-Massnahme.
ARS MEDICI: Die rheumatoide Arthritis (RA) ist eine folgenschwere Erkrankung, unter der die Betroffenen lebenslang zu leiden haben. Was weiss man inzwischen über die Ursachen? Prof. Dr. med. Thomas Stoll: Die RA ist eine seltener schubförmig, meist chronisch verlaufende Krankheit – nur etwa 10 bis 20 Prozent der Patienten kommen in eine vollkommene Remission, bei 85 bis 90 Prozent ist der Verlauf jedoch chronisch. Was die Ursachen betrifft, so sind sie bis anhin noch weitgehend unbekannt. Wir wissen heute allerdings, dass bestimmte genetische Konstellationen, vor allem gewisse Genvarianten wie die sogenannten HLA-DRB1-Moleküle, mit einem deutlich erhöhten Erkrankungsrisiko für RA verbunden sind. Darüber hinaus haben auch Umweltfaktoren einen Einfluss wie das Rauchen beispielsweise. Raucher erkranken deutlich häufiger an RA, wobei das Risiko sukzessive sinkt, wenn sie das Rauchen erfolgreich einstellen. Man weiss, dass Rauchen in der Lage ist, Proteinstrukturen im Organismus zu verändern. So hat man bei Rauchern in der Lunge zyklische citrullinierte Peptide (CCP) nachgewiesen und vermutet, dass die Struktur dieser Proteine durch Rauchen so verändert werden kann, dass sie vom Immunsystem als körperfremd, also als Autoantigen, angesehen werden, was zur Bildung von CCP-Antikörpern führt. Dass auch ein Lungenprozess anderer Art die CCP verändern kann, zeigte sich bei Patienten, die eine Tuberkulose durchgemacht haben. Auch hier lassen sich gelegentlich CCP-Antikörper nachweisen, die allerdings nicht in allen Fällen zu RA führen.
Gibt es Hinweise, dass auch die Darmflora das Erkrankungsrisiko beeinflussen könnte? Stoll: Meines Wissens gibt es dazu noch keine evidenzbasierten Erkenntnisse.
Die RA sollte ja möglichst früh erkannt und behandelt werden. Ist eine frühe Diagnosestellung nicht schwierig, weil die Symptome noch zu wenig spezifisch sind?
Stoll: Die Frühdiagnostik ist inzwischen erheblich einfacher geworden. Für die RA-Diagnostik sind die Eigen- und die Familienanamnese wichtig, der entzündliche Schmerzcharakter (cave: nächtlicher Schmerz!) und die klinische Untersuchung (z.B. Schwellung und Druckdolenz der Gelenke) sowie verschiedene Laborparameter und die Serologie. Die Hausärzte sind aufgrund der effizienteren Therapiemöglichkeiten aufmerksamer geworden, sodass die Zuweisungen heute deutlich früher erfolgen, und das ist wichtig, denn der Facharzt sollte auch in die Diagnosefindung einbezogen werden. Es ist hier ja eine breite Differenzialdiagnostik zu berücksichtigen. Etwas vom Wichtigsten ist beispielsweise der differenzialdiagnostische Ausschluss einer Borreliose, da diese antibiotisch behandelt werden müsste, oder – gerade bei älteren Patienten – der Ausschluss einer Kalziumpyrophosphatarthritis. Nach erfolgter Diagnose sollte dann umgehend behandelt werden, je früher, desto besser – selbst wenn zunächst nur der Verdacht auf eine RA besteht. Lieber einmal zu früh als zu spät behandeln!
Beobachten Sie unterschiedliche Krankheitsverläufe, also solche mit rascher Progredienz beziehungsweise eher langsamer verlaufende Varianten? Lässt sich das anhand diagnostischer Parameter vorhersagen? Stoll: Ja, es gibt Unterschiede. Wir haben soeben die CCPAntikörper (CCP-AK) erwähnt. Es ist bekannt, dass etwa ein Drittel der RA-Patienten CCP-AK-negativ, zwei Drittel jedoch -positiv sind. Letztere müssen mit einem aggressiveren Verlauf rechnen. Die frühzeitige effiziente Behandlung ist gerade bei diesen Patienten entscheidend. Alle Patienten müssen im weiteren Verlauf regelmässig kontrolliert und beobachtet werden, damit man frühzeitig erkennt, inwieweit die Therapie in der Lage ist, die Entzündung so einzudämmen, dass keine weiteren Usuren und Gelenkschädigungen auftreten. Allenfalls muss die Behandlung ergänzt oder eine andere Therapieoption gewählt werden. Zur Dokumentation des Verlaufs beziehungsweise der Krankheitsaktivität wird der Disease Activity Score 28 (DAS28) eingesetzt, der die Beur-
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Zur Person
Prof. Dr. med. Thomas Stoll Facharzt für Rheumatologie FMH, Schaffhausen
teilung von 28 Gelenken erlaubt (Kasten). Ziel ist es, Werte unter 2,6 oder 2,4 zu erreichen, dann weiss ich, dass die Therapie gut wirkt. Neben dem DAS28 helfen auch vergleichende Röntgenaufnahmen der Hände oder anderer befallener Gelenke zu Therapiebeginn und im weiteren Verlauf, um Usuren oder Erosionen zu erkennen. Das Monitoring mit diesem Treat-to-target-Prinzip läuft also sowohl über den Krankheitsaktivitätsindex, den wir durch die Therapie auf einen vernünftigen Level senken wollen, als auch über die radiologische Kontrolle. Das sind die beiden wichtigsten Parameter für die Verlaufskontrolle und die Therapiesteuerung.
Ziel der Behandlung ist es also, möglichst niedrige DAS28Werte beziehungsweise Remissionen zu erreichen. Dazu steht Ihnen heute eine breite Palette von Möglichkeiten zur Verfügung. Wie sieht Ihre Behandlungsstrategie aus? Stoll: Ich beginne meistens mit Methotrexat (MTX) als Basistherapeutikum – bei Unverträglichkeit dieses Medikamentes beispielsweise mit Leflunomid. Bei MTX kann man in der Regel nach 2 bis 3 Monaten einen Wirkungseintritt erwarten. Wenn der Effekt auf die Krankheitsaktivität jedoch ausbleiben sollte, dann gibt es weitere Möglichkeiten: einmal die Basiskombinationstherapie nach O’Dell mit MTX, Sulfasalazin (Salazopyrin®) und Hydroxychloroquin (Plaquenil®) oder ein anderes Schema nach Boers mit MTX, Steroiden und Sulfasalazin. Die zusätzliche Gabe von Steroiden kann ge-
Disease Activity Score 28 (DAS28)
Der DAS28 ist wichtig für die Verlaufskontrolle. Damit lässt sich die Krankheitsaktivität auf Basis von 28 definierten Gelenken bewerten, und zwar anhand der Anzahl druckdolenter und geschwollener Gelenke, eines Entzündungsparameters wie CRP oder BSR sowie der globalen Krankheitsaktivitätseinschätzung durch den Arzt. Der DAS28 kann zwischen 0 und 10 liegen, wobei Werte zwischen 2,6 und 3,2 einer geringen Krankheitsaktivität und solche unter 2,6 einer Remission, also dem Behandlungsziel, entsprechen. Mit dieser Methode lässt sich mit wenig Aufwand ein objektives Bild der Krankheitsaktivität erhalten, da die rheumatoide Arthritis eine meist «monoton» auf Gelenke (oder Schleimbeutel) beschränkte Autoimmunerkrankung ist und seltener andere Strukturen miterfasst.
rade zu Beginn der Krankheit durch ihre sehr rasch einsetzende antientzündliche Wirkung hilfreich sein. Die konventionelle Kombinationsbasistherapie ist allerdings ein Weg, den ich nicht so häufig verfolge. Üblicherweise kombiniere ich MTX (oder allenfalls Leflunomid) mit einem Biologikum, das die MTX-Wirkung verstärkt, wenn diese Substanz allein nach 3 Monaten nicht ausreichend wirksam ist. Die erwähnten Therapeutika gehören alle zu den krankheitsmodifizierenden Basistherapeutika (DMARD), die bewirken, dass die Entwicklung von Usuren oder Erosionen hinausgezögert oder verhindert wird. Zusätzlich ist jedoch die Gabe von antientzündlich wirksamen Schmerzmitteln erforderlich wie beispielsweise NSAR (wobei hier Naproxen kardiovaskulär am günstigsten ist) – immer mit PPI-Schutz zur Ulkusprophylaxe – oder COX-2-Hemmer (Celecoxib [Celebrex®], Etoricoxib [Arcoxia®]), um die teilweise erhebliche Schmerz- und Entzündungssymptomatik zu behandeln, denn Schmerzen und Schwellungen führen auch zu Funktionsbeeinträchtigungen, die für den Patienten häufig sehr belastend sind.
Sie erwähnten die Biologika. Hier gibt es inzwischen verschiedene Substanzen, die an jeweils unterschiedlichen Botenstoffen des Immunsystems angreifen. Was hat sich hier aus Ihrer Sicht bewährt? Stoll: Für die Behandlung der RA stehen uns vier Gruppen von Biologika zur Verfügung: Neben den fünf TNF-alphaAntagonisten (Adalimumab, Certolizumab, Etanercept, Golimumab, Infliximab) sind dies der gegen T-Zellen gerichtete Antikörper Abatacept, der B-Zell-Antikörper Rituximab und Tocilizumab, das gegen IL-6 gerichtet ist. Persönlich setze ich initial meistens TNF-alpha-Antagonisten ein – weil damit die meisten Erfahrungswerte vorliegen, auch aufgrund des Umstandes, dass sie zuerst verfügbar waren. Wenn ein solches Prinzip nicht genügend wirkt, könnte man bei seropositiver RA beispielsweise auf Rituximab umstellen; für andere Patienten käme auch Abatacept infrage, das über die Hemmung der Kostimulation die T-Zell-Proliferation und -Aktivierung beeinflusst. Wird MTX nicht toleriert, ist dagegen Tocilizumab Mittel der Wahl, da es nicht nur in Kombination mit MTX, sondern auch als Monotherapeutikum wirksam ist. Alle anderen Biologika zeigen dagegen in Kombination mit MTX eine etwas überlegenere Wirksamkeit, wie Studien ergeben haben. Und wenn ein Patient nicht ständig injizieren will, könnte man beispielsweise auf Rituximab wechseln, da es nur etwa alle 9 Monate im Abstand von 14 Tagen zweimal gegeben werden muss. Es gilt also, individuell das für den Patienten optimale Präparat auszuwählen.
Im Allgemeinen scheinen diese Therapeutika offenbar relativ gut verträglich zu sein, aber ein paar Besonderheiten hinsichtlich Nebenwirkungen oder Vorsichtsmassnahmen hinsichtlich Infektionen gibt es ja bei der Anwendung von Biologicals, die Sie vor Therapiebeginn sicher ansprechen. Wie reagieren Ihre Patienten darauf? Stoll: Biologicals werden meist gut toleriert, manchmal gibt es lokale Reaktionen an der Einstichstelle, die aber häufig am nächsten Tag verschwinden. Es kann auch Infusionsreaktionen geben, aber auch das ist eher selten. Was die von Ihnen erwähnten Infektionskrankheiten betrifft, ist der spezifische Aspekt der (durchgemachten) Tuberkulose zu beachten.
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Dazu führen wir vor Therapiebeginn neben der Anamnese auch eine Röntgenaufnahme des Thorax und einen GammaInterferon-Test durch, um eine akute oder latente Tuberkulose auszuschliessen. Ist die Untersuchung negativ, steht der Behandlung nichts im Wege; sollte sie positiv ausfallen, muss eine Präventionsbehandlung mit Rimifon oder Rifampicin erfolgen. Wichtig ist auch, den Patienten zu informieren, dass sein Infektionsrisiko unter Biologika etwas erhöht ist, mit leichten Unterschieden zwischen den einzelnen Vertretern. Er muss also wissen, dass er sich bei Auftreten oder möglichem Auftreten eines Infekts sofort beim Hausarzt oder beim Spezialisten melden soll, damit man umgehend behandeln kann und keine Zeit verliert. Interessanterweise hat man in einer schwedischen Registerstudie gesehen, dass das Infektrisiko nach einem Behandlungsjahr mit Biologika geringer wurde. Wahrscheinlich hat das jedoch damit zu tun, dass die Prednisondosis inzwischen reduziert werden konnte. Bekanntlich wird das Infektionsrisiko durch Prednison allein stärker erhöht als durch Biologika.
Inzwischen sind Biosimilars als günstigere Alternativen verfügbar. Hier sollte ja die therapeutische Gleichwertigkeit bezüglich der Originalprodukte garantiert sein. Haben Sie mit Biosimilars Erfahrungen? Stoll: Einer Patientin habe ich auf eigenen Wunsch (aus Kostengründen) ein Biosimilar verschrieben, musste die Therapie aber wegen Wirkungsverlust wieder stoppen. Vielleicht wäre auch beim Originalpräparat ein Wirkungsverlust eingetreten – das bleibt jedoch eine offene Frage. Sonst habe ich bisher noch keine Biosimilars eingesetzt.
Lässt die Wirksamkeit dieser Arzneistoffe im Verlauf der Therapie nach, oder bleibt der Effekt über längere Zeit erhalten? Stoll: Die Wirksamkeit bleibt meist über Jahre erhalten, kann aber auch nachlassen. Wir wissen, dass ein mit TNFalpha-Blockern behandelter Patient gelegentlich auch Antikörper gegen diese therapeutischen Antikörper bilden kann, sodass die Wirkung abnimmt. Das lässt sich jeweils mit dem Krankheitsaktivitätsindex und der Zwischenanamnese erfassen. Das ist allerdings eher selten. Sollte der Fall jedoch eintreten, dann ist ein Wechsel zu einem anderen Präparat angezeigt. Mittel der Wahl wäre hier zum Beispiel Etanercept, gegen dieses Präparat hat man keine Antikörperbildung beobachten können, oder man greift auf eine andere Wirkstoffklasse wie beispielsweise Rituximab, Abatacept oder Tocilizumab zurück.
Wenn die Behandlung erfolgreich ist und sich der DAS28 auf dem gewünschten niedrigen Niveau befindet, kann die Therapie dann zumindest vorübergehend in grösseren Abständen gegeben oder sogar abgesetzt werden? Stoll: Wenn die Krankheitsaktivität bei einem Patienten unter 2,6 bis 2,4, also im Remissionsbereich, liegt, lasse ich die Therapie noch ein halbes Jahr weiterlaufen. Befindet sich der Betroffene dann immer noch in Remission und zeigt die Röntgenkontrolle, dass sich die Usuren oder Erosionen weder vermehrt noch neu entwickelt haben, kann man bei den Injektionen mit Dosisintervallverlängerungen beginnen. Das heisst zum Beispiel, dass TNF-alpha-Blocker versuchsweise statt alle 2 nur alle 3 Wochen appliziert werden. Bei an-
haltender Remission lassen sich diese Intervalle sukzessive verlängern. Im besten Fall kann die Behandlung auch abgesetzt werden; später könnte man analog allenfalls auch MTX reduzieren oder absetzen – allerdings nie zwei Wirkstoffe gleichzeitig! Dann ist es aber wichtig, den Patienten in der Sprechstunde zu behalten und vielleicht sogar etwas intensiver zu kontrollieren, da es nach Absetzen dieser Therapeutika durchaus möglich ist, dass die Krankheit wieder aufflammt. Falls dies der Fall sein sollte, lässt sich das bewährte Medikament jederzeit wieder einsetzen.
Wir haben noch nicht über die Januskinase-(JAK-)Inhibitoren wie Baricitinib (Olumiant®) oder Tofacitinib (Xeljanz®) gesprochen, die seit etwa zwei Jahren als weitere Alternativen zu den DMARD verfügbar sind, sich ebenfalls mit MTX kombinieren lassen und proinflammatorische Zytokine hemmen. Tofacitinib und Baricitinib haben zudem den Vorteil, dass sie oral einnehmbar sind. Haben Sie bereits Erfahrung mit diesen Therapeutika? Stoll: Ich habe diese Therapeutika bisher erst wenig eingesetzt. Der Vorteil dieser Medikamente ist natürlich, dass man sie nicht injizieren muss. Wenn eine Kombinationsbehandlung erforderlich wird, weil MTX als Einzeltherapie nicht ausreicht, der Patient aber nicht spritzen will, ist ein JAK-Inhibitor eine gute Alternative. Die Studien zeigen ja eine den Biologika vergleichbare Wirksamkeit.
Sieht man eigentlich noch schwerwiegende Verläufe bei der RA, bei denen beispielsweise Massnahmen wie eine autologe Stammzelltransplantation als Ausweg angedacht werden, oder hat die Einführung der Biologika derart gravierende Eingriffe grundsätzlich überflüssig gemacht? Stoll: Mit der Einführung der TNF-alpha-Blocker 1999 hat für die RA-Patienten tatsächlich ein neues Zeitalter begonnen, das heisst, die Krankheit hat ihren Schrecken weitgehend verloren. Das bedeutet nicht, dass es nicht noch einzelne schwere Krankheitsverläufe geben kann, aber es sind deutlich weniger. Ich habe erst neulich eine sehr interessante Studie aus Irland gesehen. In dieser Untersuchung wurde in einem Zeitrahmen von 2000 bis 2015 verfolgt, wie häufig Hüft- und Knieprothesen in der irischen Bevölkerung eingesetzt worden sind. Patienten mit Arthrose und mit RA wurden miteinander verglichen. Es hat sich gezeigt, dass der Bedarf an Gelenkprothesen in diesem Zeitraum generell und bei der Arthrose im Besonderen gestiegen ist. Bei der RA ging dagegen das Implantieren von Hüft- und Kniegelenkprothesen – nach einem Plateau im Jahr 2000 – sukzessive zurück. Das belegt doch sehr eindrücklich die Wirksamkeit dieser seit 1999 erhältlichen Therapeutika. Und wir sind in der glücklichen Lage, dass wir bei den Biologika zurzeit über vier verschiedene Wirkprinzipien verfügen, sodass wir bei einem Therapieversagen problemlos auf ein anderes Wirkprinzip wechseln können. Es gibt zwar noch Patienten mit schweren Verlaufsformen, deren Erkrankung nicht so einfach behandelbar ist, aber das ist eher selten. Ich habe noch nie konkret an eine Stammzelltransplantation gedacht – das wäre eine Rarität.
Wenn wir von der rein medikamentösen Behandlung absehen: Gibt es etwas, was der Patient selbst zu seiner Behandlung be-
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ziehungsweise zu seinem Wohlbefinden beitragen kann – Stichworte Lifestyle, Omega-3-Fettsäuren und so weiter? Stoll: Die wichtigste Lifestyle-Massnahme ist zunächst, dass der Patient lernt, seine Krankheit anzunehmen, und damit auch die Medikamente als hilfreich empfindet und sie entsprechend zuverlässig einnimmt beziehungsweise appliziert. Das ist ganz entscheidend – und natürlich ein Prozess, den ein Patient durchmachen muss, denn die Diagnose ist zu Beginn oft schwer zu akzeptieren.
langfristig zu einer Osteoporose führen. Allenfalls sind auch eine Knochendichtemessung und falls erforderlich eine Osteoporosetherapie in die Wege zu leiten. Auf der anderen Seite sind zudem die kardiovaskulären Risikofaktoren wie Hypertonie, Cholesterin, Rauchen, Übergewicht und Diabetes zu optimieren. Hierfür ist es optimal, das Rauchen einzustellen. Übergewicht ist ein Problem, weil es zudem die Gelenke vermehrt belastet. Mit einer entsprechenden Ernährung kann man sicher einiges ausrichten.
Die Therapie scheint für den Patienten ja auch relativ aufwendig zu sein, oder nicht? Stoll: Nein, eigentlich nicht. Man muss den Nutzen, den die Patienten spüren, sehen und erleben, dem Aufwand gegenüberstellen. Meistens geht es den Betroffenen unter der Therapie viel besser, sodass es kein grosses Problem ist, sich alle 14 Tage selbst eine Spritze zu applizieren. Es gibt nur wenige Patienten, die hierfür in der Praxis vorbeikommen.
… und weitere Lifestyle-Massnahmen? Stoll: Wir sehen, dass man mit Fischöl die Entzündungsaktivität etwas mildern kann. Wenn jemand also gern Fisch isst, ist das sicher günstig. Es gibt auch Studien zu den entzündungshemmenden Wirkungen von Kurkuma und Weihrauch. Deren Effekte sind allerdings nicht so ausgeprägt, dass sie Biologika oder MTX ersetzen könnten. Sinnvoll ist es zudem, auf eine ausreichende Kalzium- und Vitamin-D3-Versorgung zu achten. Sowohl die Entzündung als auch eine Kortisonbehandlung kann zu schwächeren Knochen und
Wo sehen Sie den grössten Forschungsbedarf hinsichtlich
der RA?
Stoll: Ich sehe zwei Bereiche: Wir können heute zwar deut-
lich effektiver behandeln als noch 1990, aber wenn weitere
Fortschritte erzielt werden könnten, könnten wir möglicher-
weise noch besser gegen die Krankheit vorgehen. Günstig
wären beispielsweise neue entzündungshemmende Wirk-
stoffe ohne die zum Beispiel bei den Steroiden üblichen Ne-
benwirkungen. Der weitaus wichtigste Fortschritt wäre je-
doch, wenn wir eines Tages die Pathogenese der RA im Detail
verstehen würden, sodass wir bereits in ihrer Entstehungs-
phase therapeutisch eingreifen und sie letztlich auch heilen
könnten.
L
Besten Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Claudia Reinke.
Erstpublikation in doXmedical 4/2018.
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