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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Psychiatrie
Der Mond spielt keine Rolle
Ob jemand in eine psychiatrische Klinik aufgenommen wird, wie lange er dort verweilt und wann er wieder entlassen wird, hat vielfältige Gründe – der Stand des Mondes gehört, entgegen eines weit verbreiteten Mythos, aber nicht dazu. Dies zeigt einmal mehr eine kürzlich publizierte Schweizer Studie. Das Team um PD Dr. med. Andres R. Schneeberger, Ärztlicher Direktor Erwachsenenpsych-
iatrie, Psychiatrische Dienste Graubünden, wertete die Daten von 17 996 Patienten aus, die von Januar 2005 bis Dezember 2015 an einer der beiden psychiatrischen Spitäler im Kanton Graubünden aufgenommen wurden (Beverin Cazis, Waldhaus Chur) und setzten diese Daten nicht nur in Bezug zum Vollmond, sondern zu 20 vordefinierten Phasen über den gesamten Mondzyklus hinweg.
Im Durchschnitt blieben die Patienten für
38 Tage im Spital. Die Verteilung der Dia-
gnosen war bei Frauen und Männern
unterschiedlich. Während bei den Frauen
affektive Störungen der häufigste Grund
für die Einweisung waren, gefolgt von
Schizophrenie, waren es bei den Männern
Substanzmissbrauch, gefolgt von affekti-
ven Störungen und Schizophrenie.
Es zeigte sich keinerlei Zusammenhang
zwischen Mondphasen und den Auf-
nahme- und Entlassungsdaten oder der
Aufenthaltsdauer. Auch Geschlecht oder
Diagnose waren nicht mit bestimmten
Mondphasen assoziiert.
Die Überzeugung, dass der Stand des
Mondes einen wesentlichen Einfluss auf
Gesundheit, Handeln und Schicksal habe,
ist in der Menschheit aber derart tief ver-
wurzelt, dass wohl auch diese Studie
nichts an der Mondgläubigkeit ändern
wird. Viele Menschen möchten eben allzu
gerne daran glauben, dass sie nicht ganz
alleine für ihr Schicksal verantwortlich
sind, sondern dass dabei höhere Mächte
ihre Hand im Spiel haben.
RBOL
Rahul G et al.: Is it the moon? Effects of the lunar cycle on psychiatric admissions, discharges and length of stay. Swiss Med Wkly. 2019; 149: w20070.
Pneumologie
COPD und das Herz
Ziel der COSYCONET-Kohorte ist es, mehr über den Verlauf der COPD zu erfahren und spezielle Phänotypen zu identifizieren. Sie umfasst 2741 COPD-Patienten an 29 Zentren in Deutschland. Aufgenommen wurden Patienten in allen Stadien der COPD, die meisten in den GOLD-Stadien II (35%) und III (32%) mit Untersuchungsterminen in den Monaten 6, 18, 36, 54, 72 und 90 nach Aufnahme in die Kohorte. Eine aktuelle Auswertung, befasst sich mit dem Einfluss, den die Lungenerkrankung auf das Herz der Patienten hat. «Wir beobachten, dass die linke Herzkammer
bei COPD-Patienten oft verkleinert ist, ausserdem ändert sich durch die Überblähung der Lunge die Lage des Herzens im Brustkorb», so Studienleiter Prof. Claus Vogelmeier, Philipps-Universität Marburg. Mit zunehmendem Schweregrad der COPD verschiebt sich auch die elektrische Achse des Herzens, das heisst die Richtung der Erregungsausbreitung im Herzmuskel. Diese Veränderung müsse zwar an sich keinen Krankheitswert haben, aber es sei wichtig, die möglicherweise durch die COPD verursachten Verschiebungen bei der Interpretation von EKG-Ableitungen zu berücksichtigen.
Eine weitere Datenanalyse ergab, dass COPD-Patienten die in den Leitlinien empfohlenen nicht medikamentösen Behandlungs- und Präventionsangebote zu selten wahrnehmen. Während Impfungen zur Vermeidung von Atemwegsinfekten noch gut angenommen werden, sind es nur 10 bis 20 Prozent der COPDPatienten, die sich an Lungensportgruppen oder Physiotherapie beteiligen. Auch Programme zum Rauchstopp werden nur von einem Viertel der rauchenden COPDPatienten besucht. «Besonders Patienten in frühen Stadien der COPD sollten von ihren Ärzten stärker auf die Präventionsangebote aufmerksam gemacht werden», fordert darum Vogelmeier. DGIM/RBO L
Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin vom 17. April 2019.
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ARS MEDICI 10 | 2019
Illegale Medikamente
Potenzmittel auf Platz 1
Rückspiegel
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Im Auftrag von Swissmedic hat die Eidgenössische Zollverwaltung im letzten Jahr 3203 Sendungen mit illegalen Arzneimitteln sichergestellt. Das sind fast dreimal so viele wie im Jahr zuvor. Dies bedeutet nicht zwingend einen tatsächlichen Anstieg der illegalen Einfuhrversuche, denn die höhere Anzahl von Sicherstellungen wird auf die intensivere Zusammenarbeit der Behörden zurückgeführt. Am häufigsten werden nach wie vor Potenzmittel illegal importiert, gefolgt von Psychopharmaka, Schlafund Beruhigungsmitteln. Nur sehr selten enthielten die Sendungen illegale Schlankheitsoder Haarwuchsmittel. Besorgniserregend seien illegale Importe des Benzodiazepins Xanax®, heisst es in einer Pressemitteilung von Swissmedic. Gemäss Informationen der Herstellerfirma des Originalpräparats sind mehr als 95 Prozent der illegal gehan-
delten Xanax®-Präparate gefälscht. Schweizer Labors, die Muster aus der Partyszene analysiert hatten, wiesen falsche Inhaltsstoffe wie Antiallergika und Psychopharmaka anstelle des Originalwirkstoffs nach. Fälschungen von Arzneimitteln in Schweizer Aufmachung seien hingegen noch nie aufgetaucht. Die meisten illegalen Medikamente stammten 2018 aus Indien (42,2%), gefolgt von Osteuropa, vor allem aus Polen und Ungarn (32,2%). Auf Platz drei stehen asiatische Länder ausser Indien, wobei vor allem Singapur als Drehscheibe des Online-Handels mit illegalen Medikamenten gilt (17,5%). Aus Westeuropa kamen 6,6 Prozent der Sendungen, vor allem aus Grossbritannien und Deutschland. swissmedic/RBO L
Pressemitteilung Swissmedic vom 2. Mai 2019.
Neurologie
Demenz wegen zu viel Fernsehen?
Gemäss einer Studie aus Grossbritannien ist ein hoher TV-Konsum von täglich mehr als 3,5 Stunden bei über 50-Jährigen mit dem Abbau des verbalen Gedächtnisses assoziiert. Dieser Teil des Gedächtnisses ist wichtig, wenn mündliche Mitteilungen verstanden und erinnert werden sollen. Beobachtet wurden 3590 Studienteilnehmer, die zu Beginn der Studie über 50 Jahre alt waren und keine Demenz aufwiesen; das durchschnittliche Alter betrug 67 Jahre. Nach sechs Jahren wurden sie im Hinblick auf ihre kognitiven Fähigkeiten untersucht und zu ihren Fernsehzeiten befragt. Es zeigte sich ein dosisabhängiger Effekt: Je mehr TV ein Teilnehmer schaute, desto mehr hatte das verbale Gedächtnis im Vergleich zum Ausgangswert abge-
baut. Die kritische Schwelle waren 3,5 Stunden
Fernsehkonsum pro Tag, weniger wirkte sich
nicht aus.
Dieses Ergebnis hatte auch noch Bestand und
blieb statistisch signifikant, nachdem demo-
grafische (Geschlecht, Alter, Beziehungsstatus,
sozialer Stand, Berufsleben/Rente) und ge-
sundheitliche Parameter (Vorliegen einer De-
pression oder Gefässerkrankungen, Tabak- und
Alkoholkonsum) als potenzielle Einflussgrös-
sen herausgerechnet worden waren, ebenso der
Faktor Bewegungsmangel: Das alles änderte
nichts an der Assoziation von Demenz und län-
gerem TV-Konsum.
Bereits frühere Studien hatten ergeben, dass
viel Fernsehen mit einem kognitiven Abbau ein-
hergeht, andere sitzende Freizeitbeschäftigun-
gen jedoch nicht. Warum das so ist, weiss man
nicht. Eine Hypothese besagt, dass die hohe Sti-
mulanz und der schnelle Wechsel von Wahr-
nehmungen (Sehen und Hören) bei der gleich-
zeitigen Passivität der TV-Konsumenten etwas
damit zu tun haben könnte.
DGN/RBOL
Fancourt D, Steptoe A: Television viewing and cognitive decline in older age: findings from the English Longitudinal Study of Ageing. Sci Rep 2019; 9(1): 2851. Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) vom 12. April 2019
ARS MEDICI 10 | 2019
Vor 10 Jahren
Umstrittene Lymphknotenentfernung
Die Medizinerin Jutta Engel und der Epidemiologe Dieter Hölzel am Tumorzentrum der Universität München stellen den Nutzen der gängigen Praxis infrage, dass bei Krebsoperationen grossflächig Lymphknoten im Einzugsgebiet des Tumors entfernt werden, selbst wenn diese gar keine Tumorzellen enthalten. Ihre Auswertung internationaler Studien ergibt, dass es für die Überlebenszeit der Patienten überhaupt keine Rolle spielt, ob Lymphknoten grossflächig entfernt werden oder nicht. Zu ähnlichen Resultaten kommen auch andere Teams. Viele Chirurgen können das kaum glauben.
Vor 50 Jahren
Keine Zeit für Patienten
Das Ratgeberbuch «Sprechstunde für Gesunde» soll Patienten in der Schweiz mit praktischen Tipps beim Gesundbleiben helfen und ihnen Antworten auf Fragen geben, die sie eigentlich ihrem Hausarzt stellen würden. Eine pensionierte Ärztin kommentiert dies in ARS MEDICI mit der Bemerkung, dass sich die jungen Kollegen offenbar zu wenig Zeit für ihre Patienten nähmen. Wie oft höre sie von ihren früheren Patienten Klagen wie diese: «Ehe ich dem Doktor sagen konnte, was ich eigentlich wollte, war ich schon wieder draussen.»
Vor 100 Jahren
Knorpelextrakt i.v.
Mit einem aus Tierknorpel gewonnen Extrakt hofft man, verschiedene Formen der chronischen Arthritis in den Griff zu bekommen. Die kolloidale Flüssigkeit «Sanathrit» wird i.v. verabreicht. Nach den Injektionen treten Fieber und lokale Schmerzen auf «jedoch keine Anaphylaxie oder sonstige Nebenwirkungen». Bei 180 Patienten mit insgesamt rund 1000 Injektionen seien in 70 Prozent der Fälle die Beschwerden «weitgehend gebessert oder geheilt», bei manchen gar innert 12 Stunden, heisst es in einem Erfahrungsbericht in ARS MEDICI. So recht glauben kann dies der Autor offenbar selbst nicht, denn er gibt immerhin noch zu Bedenken, dass ein endgültiges Urteil «erst 4 bis 5 Monate nach der Kur» abgegeben werden könne.
RBO L