Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Bei Anne Will poltert der Lesch («Leschs Kosmos»), Astrophysiker und Naturphilosoph (wat is dat denn?), alle sollten auf die Strasse, die Welt gehe unter! Die Sendung ist zum Heulen ulkig. Frau Will hat’s geschafft: auf einem Bild mit Greta. Toll. Jetzt ist sie Number one unter «Germany’s top liebedienernden journalists». Lesch, durch und durch Pädagoge, wie alle deutschen Publizisten, lehrt uns auf die Willsche Frage, was er denn zum Schutz des Klimas tue (die Frage ist so perfide wie komisch): Faulheit sei der wirkungsvollste Beitrag zum Schutz des Klimas. Grosses Staunen. Dabei wusste unsereiner das schon immer: Wir sind die klassischen, die einzigen wirklichen Klimaschützer! Wir, die faulen Nichtstuer. Lesch sagt dem zwar «freeze». Aber OK, ist uns auch recht. Wir werden künftig noch viel mehr und häufiger Nichts fürs Klima tun. Auf dass der Weltuntergangsprophet Lesch uns lobe. Greta hat’s genau erkannt: Vor der Schule sitzen, streiken, ein Plakat hochhalten und ansonsten: Nichts tun. «Freeze»!
LLL
Hundebesitzerin Gisela: «Da bekommt der Satz Der tut nix! ja eine ganz neue Bedeutung.»
LLL
Für Zyniker: Interview am «Friday for future», natürlich mit der Mutter der streikenden Schülerin. Sie (die Mutter) mache jetzt sogar ökologisches Waschpulver selber. Ja wie denn? – Ach, mit Kernseife, Soda, Natron und Zitronensäure. – Wow, und du (gemeint ist das Töchterchen), was machst du fürs Klima? – Sorry … äh (leider, leider, das Smartphone hat grad geschellt …)
LLL
«Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr gross.» (Rilke) Jedenfalls heiss war er. Und deshalb wählt seither alles grün, die ganze Nation (Vico Torriani würde reimen: d’Mamme, dr Bappe, dr Sohn). Dabei war der «Klimawandel» bisher eher lästig. Als Thema, nicht als Krise. Aber seit die Kids die Schule schwänzen und Eltern ihren Söhnen und Töchtern followen, hat das Thema ein anderes Gewicht. Auf einmal sahen sich bürgerliche Parteien gezwungen, eiligst und eifrigst die Wichtigkeit des Klimas und von Massnahmen zu dessen Schutz zu betonen, die Jugend wegen ihres Engagements zu loben und ganze Parteiprogramme umzuschreiben. Die FDP war zwar schneller als die SVP, aber auch nicht schnell genug. Zu offensichtlich die Einsicht infolge schlechter Aussicht. Klar ist die Situation dramatisch – wenn nicht der Klimawandel an sich, dann sicher die Tatsache, dass die Wähler ihn für dramatisch halten.
LLL
Dazu ein dringender Rat: Mehreres macht sich in diesen Zeiten nicht gut: Zynismus, männlich, weiss und alt (über 30) zu sein und sich lustig zu machen über Greta und die Schulschwänzer. Vor allem, wenn Sie politische Ambitionen haben. Treten Sie besser irgendeiner Lobbygruppe «… for future» bei. Das kostet nichts. Ansonsten schweigen Sie!
LLL
Freunde tuscheln Gutes über dich hinter deinem Rücken und sagen dir Schlechtes direkt ins Gesicht.
LLL
Vor Kurzem wurde es Mode, sich um seine work-life-balance zu kümmern: Arbeit nicht mehr als Hauptsache zu sehen, sondern zu «leben», mit Familie und Selbstverwirklichung und so. Was haben wir Witze darüber gemacht! Tempi passati! Moderne Menschen machen sich Sorgen über ihre life-life-balance.
LLL
Gehört erschossen zu werden künftig zum Berufsrisiko von Einbrechern? In Italien schon. Das Parlament hat nämlich ein Gesetz erlassen, das sich US-Verhältnissen angleicht: «Stand your home!» bedeutet: «Keiner hat ungebeten in meiner Wohnung oder meinem Haus etwas zu suchen. Wer in krimineller Absicht einbricht, auf den darf geschossen werden.» Ob das gut ist? Keine Ahnung. Ist es andersrum besser? Vielleicht liegt Italien ja richtig, wenn es Überfallene und Bedrohte von der Aufgabe entbindet, im Falle des Falles erst zu prüfen, ob die Notwehr mit «angemessenen» Mitteln erfolgt, nämlich mit Waffen, die der Bewaffnung des Täters angepasst sind – was in der konkreten Lage leider eher schwierig abzuschätzen ist und durchaus mit dem vorzeitigen Tod enden kann.
LLL
«Man kann von den Propheten nicht verlangen, dass sie immer irren.» (Wieder mal Voltaire)
LLL
Und das meint Walti: Der Bürger heisst Bürger, weil er bürgt – und zwar für alles!
Richard Altorfer
272 ARS MEDICI 8 | 2019