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BERICHT
Helicobacter pylori, Gelbsucht, chronische Diarrhö
Wie häufige Fehler vermieden werden können
Die beste Therapie kann nicht wirken, wenn bei der Abklärung etwas übersehen wurde. Die europäische Gesellschaft für Gastoenterologie hat an ihrem Jahreskongress in Wien mit dem neuen Format «Mistakes in …» für einen übervollen Saal gesorgt. In der aktuellen Auswahl wurden Fallgruben bei der Testung und Eradikation von H. pylori, bei Ikterus und der chronischen Diarrhö aufgezeigt und Tipps zur Fehlervermeidung gegeben.
Helicobacter pylori gilt als karzinogen, eine Infektion damit kann zu erheblicher Morbidität wie auch zum Tod führen. Die Seroprävalenz ist zwar in vielen Teilen Europas rückläufig, doch haben sinkende Eradikationsraten auch dazu geführt, dass viele Patienten eine ungenügend behandelte Infektion haben. Die meisten Probleme, die zu ungenügenden Eradikationsraten führen, können mit einer korrekten Diagnose der Dyspepsie, einer korrekten Durchführung von diagnostischen Tests und einer Nachkontrolle nach erfolgter Eradikation behoben beziehungsweise vermieden werden. Worauf dabei zu achten ist, beschrieb Dr. Anthony O’Connor, Tallaght Hospital, Dublin (IRL), an der UEG-Week (1). Dyspepsie, in der Literatur nicht einheitlich beschrieben, besteht aus einer Vielzahl von Symptomen, angefangen von Oberbauchschmerzen, Magenbrennen, Übelkeit, Blähungen bis zu retrosternalen Schmerzen. Gemäss den Maastricht-VKonsensus-Guidelines (2) sollten Patienten unter 45 Jahren mit Dyspepsie mittels Harnstoff-Atemtest auf das Vorhandensein von H. pylori getestet werden. Dieser ist zuverlässig, nicht invasiv, einfach durchzuführen und für Patienten akzeptabel. Der Stuhlantigentest ist gleich zuverlässig wie der Harnstoff-Atemtest, für Patienten jedoch möglicherweise weniger angenehm.
KURZ & BÜNDIG
H. pylori ist ein Klasse-1-Karzinogen für Magenkarzinom. H. pylori bei Dyspepsiepatienten testen, bei Vorhandensein
während 14 Tagen eradizieren und nach 4 bis 6 Wochen die Eradikationsrate überprüfen.
Ein Ikterus kann prä-, intra- oder posthepatische Ursachen haben.
Vor einer IBS-D-Diagnose bei chronischer Diarrhö erst Erkrankungen wie zum Beispiel Kolorektalkarzinom, Zöliakie, Gallensäureverlust und mikroskopische Kolitis ausschliessen.
Eine Serologie sollte nicht routinemässig durchgeführt werden, ausser bei Patienten, die bis 4 Wochen vor dem Test Antibiotika oder bis 2 Wochen zuvor sekretionshemmende Präparate (wie z.B. Protonenpumpeninhibitoren, PPI) eingenommen haben. Anlass für eine Serologie sind auch Erkrankungen wie blutende Ulzera, Atrophie oder Magentumoren, bei denen ein Unterbruch der laufenden Therapie nicht angezeigt ist. Bei Patienten über 45 Jahre mit Dyspepsie sollte H. pylori endoskopisch abgeklärt werden. Dies aus dem einfachen Grund, da mit zunehmendem Alter das Risiko für Malignitäten steigt. Ebenfalls endoskopisch sollten Patienten mit «red flags» wie gleichzeitigem Gewichtsverlust, Dysphagie, gastrointestinalen Blutungen, Abdominalmassen sowie einer Eisenmangelanämie untersucht werden.
Bei PPI zwei Wochen warten
Patienten, die sich mit dyspeptischen Beschwerden vorstellen, nehmen häufig freiverkäufliche PPI ein, die ihnen Linderung verschaffen. Diese erhöhen den Magen-pH, was die Bakterienzahl reduziert. Zu bedenken ist jedoch, dass PPI auch zu einer Migration der Bakterien vom Antrum in den Corpus führen, was bei diagnostischen Tests falschnegative Ergebnisse in 10 bis 40 Prozent der Fälle zur Folge haben kann. Wie lange der Abstand zwischen der letzten PPI-Einnahme und der H.-pylori-Testung sein soll, wurde in Studien nicht ermittelt, die Guidelines empfehlen eine Wartezeit von 2 Wochen.
Genügend lange eradizieren
Ein Grund für sinkende Eradikationsraten ist die ungenügende Dauer der Eradikation. 7 Tage bei der Dreifachtherapie oder 10 Tage mit der Vierfachtherapie genügen nicht. Eine Dauer von 14 Tagen zeigte für alle Therapieregime eine überlegene Wirksamkeit bei gleichbleibenden Nebenwirkungen. Alle relevanten Guidelines, darunter Maastricht V, empfehlen daher eine generelle Eradikationsdauer von 14 Tagen, ausser bei Therapien, die mit einer Dauer von 10 Tagen eine ebenbürtige Wirksamkeit belegt haben. Die Vollständigkeit einer Eradikation sollte laut Empfehlungen 4 bis 8 Wochen nach Therapieende mittels Harnstoff-
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um einen autosomal-rezessiv ererbten Enzymdefekt der UDP-Glukuronosyltransferase, wodurch das Bilirubin nicht konjugiert werden kann. Dieser zeigt sich von Zeit zu Zeit durch gelbe Skleren, beispielsweise nach Fasten, anstrengenden sportlichen Aktivitäten oder viralen Erkrankungen. Davon betroffen sind 5 Prozent der Gesamtbevölkerung. Therapie braucht es keine. Tritt ein Ikterus bei Patienten mit schwerer hepatozellulärer Schädigung auf, sollten diese ab Bilirubinwerten von > 170 µmol/l, bei einem erhöhten INR oder geistiger Verwirrung mit Verdacht auf ein mögliches Leberversagen eingewiesen werden.
Abbildung: Algorithmus Dyspepsieabklärung: «Testen und behandeln» versus «endoskopieren und behandeln» (Quelle: mod. nach [1])
Atemtest überprüft werden. Im Alltag scheint dies jedoch nicht verbreitet zu sein: Studien berichten von einer Nachtestrate von 53 und 63 Prozent. Um sinkenden Eradikationsraten Einhalt zu gebieten, ist es aber unabdingbar, den Therapieerfolg zu überprüfen. Bedenken, bei Patienten mit gleichzeitiger gastroösophagealer Refluxerkrankung (GERD) mit einer Eradikation den Reflux zu verschlechtern und damit möglicherweise einer Entstehung eines Barrett-Ösophagus Vorschub zu leisten, sind laut O’Connor unbegründet. Keine der randomisierten, kontrollierten, bevölkerungsbasierten Studien, die in Grossbritannien durchgeführt wurden, zeigte eine Zunahme von GERDSymptomen. Im Gegenteil: Patienten mit Eradikation hatten 2 Jahre später signifikant seltener GERD-Symptome (3, 4). Eine Nichttestung beziehungsweise Nichtbehandlung würde damit möglicherweise H. pylori, dem Klasse-1-Karzinogen für Magenkarzinom, das Feld überlassen.
Ikterus: Ursachen vielfältig
Ein Ikterus kann aufgrund von Störungen bei jedem Schritt des Bilirubinmetabolismus entstehen: prä-, intra- wie auch posthepatisch. Was bei der Abklärung gern und häufig übersehen wird, hat Dr. Skyros Siakavellas, General Hospital of Athens «Laiko», Athen (GR), zusammengetragen (5). Der Ausschluss eines Pseudoikterus, bei dem die Skleren nicht gelb gefärbt sind, steht am Anfang der Untersuchung. Des Weiteren muss bei einem Ikterus eine substanzinduzierte Leberschädigung ausgeschlossen werden. Dazu ist eine vollständige Liste aller eingenommenen Medikamente sowie eines allfäligen Konsums von Alkohol, Pilzen, chinesischen Kräutern, Vitaminen (insbesondere Vitamin A) zusammen mit der Angabe des Symptombeginns notwendig. Einer isolierten Hyperbilirubinämie liegt gewöhnlich keine schwere Lebererkrankung zugrunde, hier müssen hereditäre Ursachen ausgeschlossen werden. Bei einer indirekten isolierten Hyperbilirubinämie sollte eine mögliche Hämolyse nicht verpasst werden. Ein Hämatokritabfall ohne offensichtlichen Blutverlust sollte Verdacht erregen und weitere Labortests auf Retikulozytenzahl, Laktatdehydrogenase und Haptoglobinspiegel sowie eine morphologische Untersuchung der Erythrozyten nach sich ziehen. Eine weitere Ursache einer indirekten Hyperbilirubinämie ist das Morbus-Gilbert-Syndrom, auch Morbus Meulengracht genannt. Dabei handelt es sich
Extrahepatische und andere Ursachen
Erhöhte Bilirubinwerte müssen nicht immer hepatischen oder obstruktiven Ursprungs sein. In einer Untersuchung eines amerikanischen Gemeindespitals über 5 Jahre war der häufigste Grund (22%) dafür eine Sepsis, die wie auch bakterielle Infekte eine intrahepatische Cholestase verursachen kann, so die Vermutung. Auch Herzerkrankungen und Hyperthyreosen können einen Ikterus hervorrufen. Eine akute Cholangitis tritt nur bei 50 bis 75 Prozent der Patienten mit den klassischen Symptomen Ikterus, Fieber und Abdominalschmerzen auf. Bei älteren oder immunkompromittierten Patienten können die Abdominalschmerzen fehlen, und es kann auch zu sehr hohen Transaminasewerten (> 10–20 ULN) kommen, was fälschlicherweise als akute Hepatitis diagnostiziert werden kann. Bei Patienten mit Ikterus und Fieber sollte man daher hellhörig sein. Eine naheliegende Ursache für eine Gelbsucht ist eine akute alkoholische Hepatitis. Sie ist die häufigste Ursache für einen neu auftretenden Ikterus. Bei Patienten mit weniger als 2 Monate zurückliegendem Alkoholexzess kann nach Ausschluss einer Sepsis oder einer anderen Leberschädigung die Diagnose in der Regel gestellt werden. Die Bestimmung des DeRitis-Quotienten (Verhältnis AST/ALT) erlaubt eine Einschätzung der Schwere der Leberzellschädigung. Bei Patienten mit einer chronischen Lebererkrankung kann ein neu auftretender Ikterus ein Zeichen für eine Dekompensierung sein. Als Marker für die hepatische Exkretionsfunktion ist Bilirubin auch ein Indikator für die Krankheitsprogression. Eine zeitnahe Abklärung der Dekompensierung ist in diesem Fall angezeigt.
Chronische Diarrhö: viele Möglichkeiten
Chronische Diarrhö ist häufig, etwa 5 Prozent der Bevölkerung sind damit schon in Berührung gekommen. Bei der Abklärung wird nach Ausschluss eines Kolorektalkarzinoms und einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung häufig ein durchfalllastiges Reizdarmsyndrom (IBS-D) diagnostiziert. Welche Fehler dabei passieren können und worauf hierbei zu achten ist, legte Prof. Julian Walters, Imperial College London, Hammersmith Hospital, London (GB), dar (6). Bei Patienten, die über chronische Diarrhö klagen, ist das Spektrum von möglichen Ursachen gross. Besteht eine Diarrhö kürzer als 3 Wochen, kann der Ursprung ein anderer sein als bei chronischen Durchfällen, die über 3 Wochen bis zu 3 Jahre dauern können. Hier kommen viele Krankheitsbilder infrage (Kasten), an die gedacht werden sollte. Bei der Abklärung der Diarrhö hilft die Bristol Stool Form Scale (BSFS)
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Kasten:
Häufige Ursachen einer chronischen Diarrhö
chronisch entzündliche Darmerkrankung Kolorektalkarzinom Zöliakie diarrhölastiges Reizdarmsyndrom gallensäurebedingte Diarrhö mikroskopische Kolitis ernährungsbedingte Faktoren
(z.B. Laktose, FODMAP, Alkohol, Koffein) Immundefizienz (+/– Infektionen) Medikamente chirurgischer Eingriff oder Bestrahlung bakterielle Überwucherung und Fehlbesiedlung des Dünndarms Overflow-Diarrhö Pankreasinsuffizienz andere, seltene Ursachen
(Typ 6: einzelne weiche glattrandige Klümpchen; Typ 7: flüssig, ohne feste Bestandteile). Stuhlkonsistenz, Frequenz und Dauer müssen abgefragt werden, denn nicht jede durch den Patienten bezeichnete Diarrhö ist auch wirklich eine. Bei der Anamnese können eine mögliche Gastroenteritis mit Erbrechen, kürzlich zurückliegende Reisen, Ernährungsumstellungen, Alkohol, neue Medikationen wie beispielsweise Metformin, PPI oder Antibiotika weiterhelfen. Auch weiter zurückliegende Operationen, Bestrahlungen, HIV-Medikationen oder bariatrische Eingriffe können ein Grund sein.
Zöliakie, Gallensäuren und mikroskopische Kolitis abchecken
Bevor die Diagnose durchfalllastiges Reizdarmsyndrom (IBS-D) gestellt wird, sollte eine Zöliakie in Betracht gezogen werden. Zöliakien werden häufig sehr spät diagnostiziert, bei einigen (32%) sogar erst nach 10 Jahren, trotz langjähriger Diarrhögeschichte (7). Auch an ein kolorektales Karzinom sollte gedacht werden. Das ist bei jungen Patienten zwar sehr viel seltener als ein IBS-D, kommt aber vor. Die Inzidenz bei Kolorektalkarzinomen ist bei Patienten unter 50 Jahren steigend, und bei 18 Prozent macht sie sich mit einer Veränderung der Stuhlgewohnheiten bemerkbar (8). Um eine frühe Diagnose nicht zu verpassen, sollten daher «red flags» wie Anämie, Blut im Stuhl, unbeabsichtigter Gewichtsverlust und eine familiäre Häufung abgefragt werden. Hinter einer chronischen Diarrhö kann sich auch ein Gallensäureverlustsyndrom verbergen. Gelangen Gallensäuren fälschlicherweise in den Dickdarm, kommt es zu einer chologenen Diarrhö. Verbessern sich die Symptome bei einem Therapieversuch mit einem Anionenaustauscherharz wie Colestyramin, ist keine weitere Diagnostik notwendig. Da Colestyramin auch Nebenwirkungen wie Blähungen und Bauchschmerzen zeitigt, sollten die Patienten dazu ermuntert werden, die bestmöglich verträgliche Dosis von Colestyramin zu titrieren.
Üblicherweise werden Patienten mit chronischer Diarrhö
einer Kolonoskopie zugewiesen, um ein Kolorektalkarzinom
oder eine chronisch entzündliche Darmerkrankung auszu-
schliessen. Wichtig ist dabei, auch eine Kolonbiopsie zu ver-
anlassen, um eine mikroskopische Kolitis auszuschliessen.
Etwa 10 Prozent der Kolonbiopsate führen zur Entdeckung
einer mikroskopischen Kolitis, 25 Prozent der Patienten mit
dieser Diagnose sind unter 45 Jahre alt (9). Eine Behandlung
mit Budenosid in Retardformulierung stellt hier eine effi-
ziente Therapie dar.
Patienten mit chronischem Durchfall mit einer IBS-D-Dia-
gnose oder funktioneller Diarrhö haben in der Regel schon
viele Ernährungsumstellungen hinter sich. Sie haben bereits
den Anteil der Nahrungsfasern mit mehr Früchten und mehr
Gemüse erhöht, einen Versuch mit einer glutenfreien Ernäh-
rung haben sie meist auch schon hinter sich. All diese Ver-
änderungen haben ihre Symptome jedoch verschlechtert,
anstatt ihnen Linderung zu verschaffen. Nahrungsmittelinto-
leranzen (z.B. auf Laktose, Fruktose, Sorbitol, FODMAP)
könnten hier dahinterstecken.
Für die Ernährungszusammenstellung ist es hilfreich, wenn
die Patienten die Anweisungen von einer Ernährungsbera-
tung mit Erfahrung mit IBS-D und funktioneller Diarrhö er-
halten können.
Ist eine Diagnose gestellt und eine Therapie verordnet, ist es
wichtig, die Patienten dazu zu ermuntern, bei der Therapie zu
bleiben und diese vielleicht durch andere Massnahmen zu er-
gänzen.
s
Valérie Herzog
Quelle: «IBD Management of the Elderly», United European Gastroenterology Week (UEGW) 2018, 21. bis 24. Oktober 2018 in Wien.
Referenzen: 1. O’Connor A et al.: Mistakes in the Management of Helicobacter pylori
infection and how to avoid them. UEG Education 2017; 17: 42–44. 2. Malfertheiner P et al.: Management of Helicobacter pylori infection – the
Maastricht V/Florence Consensus Report. Gut 2017; 66: 6–30. 3. Harvey RF et al.: Randomised controlled trial of effects of Helicobacter
pylori infection and its eradication on heartburn and gastro-oesophageal reflux: Bristol helicobacter project. BMJ 2004; 328: 1417–1420. 4. Moayyedi P et al.: Effect of population screening and treatment for Helicobacter pylori on dyspepsia and quality of life in the community: a randomised controlled trial. Leeds HELP Study Group. Lancet 2000; 355: 1665–1669. 5. Siakavellas S et al.: Mistakes in acute jaundice and how to avoid them. UEG Education 2018; 18: 24–26. 6. Walters JRF: Mistakes in chronic diarrhea and how to avoid them. UEG Education 2019; 19: 1–4. 7. Fuchs V et al.: Factors associated with long diagnostic delay in celiac disease. Scand J Gastroenterol 2014; 49: 1304–1310. 8. Patel SG et al.: Colorectal cancer in the young. Curr Gastroenterol Rep 2018; 20: 15. 9. Arasaradnam RP et al.: Guidelines for the investigation of chronic diarrhoea in adults: British Society of Gastroenterology, 3rd edition. Gut 2018; 67: 1380–1399.
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