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Update Osteoporose – Behandlung sollte individualisiert erfolgen
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Selbst nach osteoporosebedingten Frakturen ist eine medikamentöse Therapie der Osteoporose noch nicht die Regel. Dabei habe eine individualisierte Behandlung, inklusive präventiver und therapeutischer Massnahmen, bei erhöhtem Frakturrisiko ein günstiges Nutzen-Risiko-Profil, sagte der Endokrinologe Prof. Dr. med. Christian Meier im Rahmen des Fortbildungsforums für Medizin in Basel.
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Update Osteoporose
Behandlung sollte individualisiert erfolgen

Selbst nach osteoporosebedingten Frakturen ist eine medikamentöse Therapie der Osteoporose noch nicht die Regel. Dabei habe eine individualisierte Behandlung, inklusive präventiver und therapeutischer Massnahmen, bei erhöhtem Frakturrisiko ein günstiges Nutzen-Risiko-Profil, sagte der Endokrinologe Prof. Dr. med. Christian Meier im Rahmen des Fortbildungsforums für Medizin in Basel.

Laut Schätzungen wird jede zweite Frau ab dem 50. Lebensjahr und jeder fünfte Mann eine osteoporosebedingte Fraktur erleiden. An den Wirbelkörpern machen sich Knochenabbau respektive -veränderungen etwa zehn Jahre früher bemerkbar. Kommt also jemand mit einer Wirbelkörperfraktur in die Praxis, hat man einen Patienten mit einem hohen Risiko für eine spätere Schenkelhalsfraktur vor sich. Dann sollte man eine medikamentöse Behandlung der Osteoporose in die Wege leiten. Aber: «Wir behandeln viel zu selten», sagte Prof. Dr. Christian Meier, Universitätsspital Basel. So erhielten noch 2002 in den USA etwa 40 Prozent der Betroffenen eine Osteoporosemedikation, 2011 lag die Wahrscheinlichkeit dafür nur noch bei gut 20 Prozent. Als mögliche Gründe für die geringe Therapierate selbst bei Hochrisikopatienten nannte Meier die Angst vor Nebenwirkungen sowie das fehlende Bewusstsein für die Problematik; auch eine schlechte Adhärenz trage, wie bei vielen chronischen Erkrankungen, dazu bei.
Liegt eine sekundäre Osteoporose vor?
Beim Verdacht auf Osteoporose sollten zunächst die klinischen Risikofaktoren evaluiert werden, beispielsweise mit dem FRAX®-Tool. Eine Knochendichtemessung wird heute nicht mehr generell als Screening empfohlen. Untersuchen sollte man Patienten mit vorbestehenden Frakturen nach inadäquatem Trauma, bei Vorliegen relevanter Risikofaktoren (Alter, Geschlecht, tiefer BMI, Schenkelhalsfrakturen in der Familienanamnese, Nikotinkonsum, Alkoholkonsum > 3 Portionen/Tag) sowie bei sekundären Osteoporoseursachen (Steroidtherapie > 5 mg Prednisonäquivalent/Tag für ≥ 3 Monate, Hypogonadismus, länger dauernde Immobilität, usw.). «Achten Sie bei der Knochendichtemessung nicht nur auf den T-Score, sondern auch auf den Z-Score, der sich auf gleichgeschlechtliche und gleichaltrige Personen bezieht. Eine Abweichung von mehr als 20 Prozent nach unten im Z-Score ist hinweisend für das Vorliegen einer sekundären Osteoporose. Eine solche liegt bei etwa 20 Prozent der Frauen und bei rund 50 Prozent der Männer vor», so Meier. Als weitere Anhaltspunkte für eine sekundäre Osteoporose gelten eine unerwar-

tet schwere Ausprägung der Erkrankung, mehrere Frakturen und generell ein Knochenverlust, der grösser ist, als in Anbetracht von Alter, Geschlecht und menopausalem Zustand zu erwarten wäre. Als Laborparameter reichen in der Regel Blutbild, Blutsenkung, Serumkalzium und -phosphat, alkalische Phosphatase, Gamma-GT und Serumkreatinin.
Kalzium und Vitamin D supplementieren?
Zur Supplementation von Kalzium und Vitamin D gab es in der jüngeren Vergangenheit widersprüchliche Studienergebnisse. Was bedeutet das für die Praxis? Es ist wichtig zu realisieren, dass viele Studien heterogene Patientenpopulationen umfassen, nicht nur Populationen mit einem manifesten Vitamin-D- und/oder Kalziummangel. Die Supplementation bringt aber nur denjenigen etwas, die zu wenig Kalzium und Vitamin D zu sich nehmen. Eine tägliche Aufnahme von 800 bis 1200 mg Kalzium soll gewährleistet sein, ebenso ein Serum-25-OH-Vitamin-D von mehr als 50 nmol/l. «Wir sollten wegen der Metaanalysen nicht grundsätzlich auf die Supplementation von Kalzium und Vitamin D verzichten, sondern genau hinsehen, ob ein Mangel vorliegt – und dann weiterhin supplementieren», unterstrich der Experte.
Massnahmen zur Osteoporoseprävention
s Muskelkraft und Koordination fördern s jährliche Sturzanamnese ab 70. Lebensjahr,
Abklärung der Ursache bei erhöhtem Sturzrisiko s Kalziumgesamtzufuhr 1000 mg/Tag, eventuell
Supplementation s Vitamin-D-Versorgung sicherstellen, eventuell
Supplementation (1000 IE/Tag, 25-OH-Vitamin-D-Spiegel bei erhöhtem Fraktur- und Sturzrisiko > 50–75 nmol/l) s BMI > 20, Abklärung eines Untergewichts

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ARS MEDICI 7 | 2019

BERICHT

Wann eine medikamentöse Therapie einleiten?
Unmittelbar nach einer Wirbelkörperfraktur oder einer Fraktur des proximalen Femurs sollte eine spezifische Medikation eingeleitet werden. Bei einer peripheren Fraktur nach einem Bagatelltrauma hingegen sollte zunächst das Frakturrisiko mittels FRAX ermittelt und mit Blick auf das absolute Frakturrisiko interveniert werden. Ohne Frakturen gelten in der Schweiz altersadaptierte Interventionsschwellen: Wenn das absolute 10-Jahres-Risiko für eine Fraktur dem absoluten Risiko einer gleich alten Person mit prävalenter Fraktur entspreche, werde eine Medikation empfohlen, so Meier. Ist die Entscheidung zur Therapie gefallen, orientiert sich die Auswahl am Alter, an der klinischen Beurteilung des individuellen Risikos, an der Nierenfunktion sowie dem potenziellen Zusatznutzen. Wirksamkeit, Sicherheit, Kosten und insbesondere die Patientenpräferenz seien weitere Aspekte, wie Meier betonte.
Knochenanabole Therapie nicht einfach absetzen
Teriparatid ist zugelassen als Zweitlinientherapie bei Patienten, welche bereits unter laufender antiresorptiver Therapie von mindestens 6 Monaten eine vertebrale Fraktur erleiden. Auch bei etablierter glukokortikoidinduzierter Osteoporose sowie ungenügender Wirksamkeit oder schlechter Verträglichkeit von BP ist Teriparatid indiziert. In Ausnahmefällen kann es auch bei Patienten mit hohem Frakturrisiko und bereits stark fortgeschrittener Osteoporose als primäre Therapiemassnahme eingesetzt werden. In diesen Fällen bedarf es einer Kostengutsprache, für die ein Endokrinologe oder Rheumatologe beigezogen werden sollte. Bei der Argumentation kann man sich auf die VERO-Studie beziehen, die erste Head-to-Head-Studie mit dem Endpunkt Frakturen. Nach einem Jahr war in dieser Studie die Frakturinzidenz unter Teriparatid deutlich niedriger als unter Risedronat (1). In der Schweiz ist der Einsatz von Teriparatid auf 24 Monate beschränkt, zur Unterstützung und Aufrechterhaltung der sekundären Mineralisierung bedarf es im Anschluss einer sequenziellen Therapie mit antiresorptiv wirksamen Substanzen, dafür können Alendronat, Zoledronat oder Denosumab für 24 bis 36 Monate eingesetzt werden, mit einem Followup nach 2 Jahren.
Antiresorptiv behandeln
Bei der Entscheidung für eine antiresorptive Therapie mit einem BP sollte gemäss Studienlage initial 3 bis 5 Jahre lang behandelt werden (orale BP 5 Jahre, Zoledronat i.v. 3 Jahre).
Diagnose und Therapie der Osteoporose
Mehr zur Diagnose und Therapie der Osteoporose finden Sie online auf der Seite der SVGO unter www.svgo.ch oder direkt via QR-Code.

Bei niedrigem bis moderatem Risiko ist danach eine Einnah-

mepause statthaft, denn Bisphosponate wirken aufgrund

ihrer hohen Knochenaffinität auch nach dem Absetzen noch

für längere Zeit. Nach 2 bis 3 Jahren sollte kontrolliert wer-

den. Falls sich die Knochendichte verringert hat oder eine

Fraktur aufgetreten ist, sollte die Behandlung wieder aufge-

nommen werden. Bei Patienten mit einem hohen Risiko kann

die BP-Gabe nach Abwägung von Nutzen und Risiko auch

länger (5–7 Jahre) fortgesetzt werden.

Eine Senkung des Frakturrisikos für vertebrale, nicht verte-

brale und Hüftfrakturen konnte für die oral zu applizieren-

den BP Alendronat und Risedronat sowie das intravenös zu

verabreichende Zoledronat gezeigt werden. Für Ibandronat

ist eine Senkung des Frakturrisikos nur für vertebrale Fraktu-

ren unter oraler Therapie belegt, und das nur für Frauen.

Eine parenterale Applikation ist bei entsprechender Patien-

tenpräferenz, bei Unverträglichkeit oraler BP und bei Thera-

pieresistenz aufgrund ungenügender intestinaler Absorption,

gastrointestinaler Erkrankungen oder Complianceproblemen

vorteilhaft. Als Nebenwirkung werden vorwiegend grippe-

ähnliche Beschwerden beschrieben. Bei Medikamenten, die

oral verabreicht würden, werde vorwiegend über gastro-

intestinale Beschwerden geklagt, in dieser Hinsicht besser

verträglich scheine eine Alendronat-Brausetablette zu sein,

die mit lediglich einem Glas Wasser eingenommen werden

könne, wie Meier anmerkte.

Ebenfalls antiresorptiv wirksam ist der monoklonale Anti-

körper Denosumab, allerdings nur während der Anwen-

dung. Nach dem Absetzen kann es zu einem Reboundphäno-

men kommen. Nach 4- bis 5-jähriger Therapie sollte Deno-

sumab deshalb auch bei Patienten mit einem niedrigen Risiko,

deren Knochendichte sich normalisiert hat, nicht plötzlich

sistiert, sondern eine sequenzielle BP-Therapie mit Alendro-

nat oder Zoledronat für 12 bis 24 Monate angeschlossen

werden. Bei BP-Unverträglichkeit kann auch Raloxifen zum

Einsatz kommen. Ein Follow-up empfiehlt Meier nach 2 Jah-

ren. Bei Patienten mit hohem Risiko (T-Score < −2,5 SD, mul- tiple vertebrale Frakturen, anhaltende hormonablative The- rapie) kann die Denosumabtherapie nach Abwägen von Nut- zen und Risiko bis zu 10 Jahre lang fortgeführt werden. Auch dann bedarf es im Anschluss der bereits genannten sequen- ziellen Therapie. s Christine Mücke Quelle: «Osteoporose-Update», Symposium Labatec, im Rahmen des FOMF Allgemeine Innere Medizin, Update Refresher, vom 30. Januar bis 2. Februar in Basel. Referenz: 1. Kendler DL et al.: Effects of teriparatide and risedronate on new frac- tures in post-menopausal women with severe osteoporosis (VERO): a multicentre, double-blind, double-dummy, randomised controlled trial. Lancet 2018; 391(10117): 230–240. Das auf Schweizer Daten basierende FRAX®-Tool zur Risikoermittlung finden Sie unter www.rosenfluh.ch/qr/frax-schweiz oder direkt via QR-Code. LINKTIPP ARS MEDICI 7 | 2019 237