Transkript
POLITFORUM
Xundheit in Bärn
INTERPELLATION vom 11.12.2018
Mangelhafte BAG-Studie ohne Gesetzesgrundlage. Bundesrat macht eine Kampagne gegen Ärztelöhne
Christian Lohr
Nationalrat CVP Kanton Thurgau
Das Büro Bass hat im Auftrag des BAG basierend auf Daten der Jahre 2009 bis 2014 «die Einkommenssituation der Ärzteschaft» untersucht. Die Studie führe zu «Erkenntnisgewinnen ... und zu einer Versachlichung der politischen Diskussion». In seiner Antwort auf meine Frage erläuterte Bundesrat Berset zwar die methodischen Ansätze, aber weder die Absichten hinter der Studie noch die bisherigen Folgen derselben. Fakt ist: Betroffene Ärztinnen und Ärzte können die Notwendigkeit einer zweiten Lohnerhebung (neben der regulären Erhebung des Bundesamtes für Statistik BfS ) nicht nachvollziehen; Ärztegesellschaften sprechen von politisch motiviertem
«Bashing», für welches die BAG-Daten nun benutzt würden, um die Ärzteeinkommen unter Druck setzen zu können. Ferner handelt es sich bei der Studie um ein Projekt, welches ohne jegliche gesetzliche Grundlage durchgeführt und in Auftrag gegeben wurde. Es habe, so das BAG, unter anderem «die praktische Machbarkeit der Verwendung von ... Datenquellen» prüfen wollen. Die Studienleiter kommen jedoch selbst zum Schluss, dass die Datenqualität nicht gut genug sei und deshalb die «Einkommen unterschätzt» würden. Dies veranlasste den Bundesrat, am 29. Oktober 2018 zu kommunizieren: «Die Einkommen der Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz sind bedeutend höher, als es bisherige Erhebungen vermuten liessen». Leistungserbringer und Kantone sollten nun für mehr Transparenz sorgen in Sachen Arztlöhne. Ich frage den Bundesrat: 1. Was kostete die Studie, welche das BAG dem
Büro Bass in Auftrag gab?
2. Weshalb strengte das BAG diese Studie an, obschon dafür keinerlei gesetzliche Grundlage vorliegt und obschon das KVG die Ärzte bereits gesetzlich verpflichtet, ihre Einkommen zuhanden des Bundesamtes für Statistik (BfS) offenzulegen?
3. Weshalb kommunizierte das BAG Ende Oktober 2018 zum Studienergebnis, die Arztlöhne seien zu hoch, obschon die Studie selbst explizit einräumt, die Datenqualität sei «verbesserungswürdig» – und damit ungenügend?
4. Wie kommt er dazu, aufgrund dieser Ergebnisse die Leistungserbringer und Kantone öffentlich aufzufordern, «mit weiteren Einkommensstudien für eine bestmögliche Transparenz zu sorgen»?
5. Wie lässt sich aufgrund obiger Fragen schliesslich der Studienauftrag begründen – zumal die Ergebnisse verglichen mit den offiziellen, regelmässigen Erhebungen des BfS älter, lückenhaft und schlechter sind?
STELLUNGNAHME DES BUNDESRATES VOM 20.2.2019
1./4. Ziel der vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) veröffentlichten Studie «Einkommen, OKP-Leistungen und Beschäftigungssituation der Ärzteschaft 2009–2014» ist es, mehr Transparenz zu schaffen als Grundlage für eine sachliche Diskussion im Kontext der steigenden Gesundheitskosten. Der Bundesrat ist insbesondere an der Entwicklung der Einkommen der verschiedenen Fachgebiete in der Ärzteschaft interessiert. Die Einkommensschere zwischen Spezialisten und Grundversorgern soll nicht weiter auseinanderklaffen. Für diese Studie wurden insgesamt 147 624 Franken aufgewendet. Die Einkommen von Ärztinnen und Ärzten setzen sich aus verschiedenen Anteilen zusammen. Dabei steht nicht die absolute Höhe, sondern der Ursprung im Vordergrund, insbesondere, wenn allfällige finanzielle Anreize zu medizinisch nicht indizierten Massnahmen führen. Der Bundesrat sieht hier die Leistungserbringer und die Kantone in der Verantwortung, die entsprechende Transparenz zu schaffen. 2. Die FMH hat im Jahr 2013 nach einer Intervention des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) die Veröffentlichung der Einkommensstatistik der Ärztinnen und Ärzte eingestellt. Das
BSV bemängelte inhaltliche und strukturelle Schwächen: die unzureichende Berücksichtigung der Teilzeitarbeit, die ungenügende Abdeckung der untersuchten Ärztinnen und Ärzte sowie die Nichtberücksichtigung ihrer freiwilligen Einzahlungen in die zweite Säule. In der parlamentarischen Kommission (SGK-SR) sowie in der Öffentlichkeit wurde 2013 der Wunsch geäussert, diese methodischen Schwierigkeiten zu überwinden. Nach der Erstellung einer Machbarkeitsstudie wurde die Studie im Einklang mit dem Datenschutz- und dem Bundesstatistikgesetz einmalig durchgeführt. Die FMH wurde sowohl bei der Machbarkeits- als auch bei der Hauptstudie zur Mitarbeit eingeladen. Sie hat darauf verzichtet. Das Studienziel war daher, die von der FMH lange Jahre publizierte Einkommensstudie ohne Lücken, aber auf besserer methodischer Basis, weiterzuführen. Die Statistik «Strukturdaten Arztpraxen und ambulante Zentren» des Bundesamtes für Statistik (BfS) wurde zeitlich später entwickelt und fokussiert nicht auf die Einkommen der Ärzteschaft. Im Zentrum stehen die Ausstattungen der Praxen, Aufwand, Ertrag und Betriebsergebnis. Mit der BfS-Erhebung las-
sen sich keine Rückschlüsse auf die in Gruppenpraxen oder anderen komplexeren Angebotsstrukturen erzielten Einkommen ziehen. Die Angebotslandschaft verändert sich zusehends in diese Richtung.Werden keine Erhebungen individueller Einkommen mehr gemacht, fehlen wichtige Informationen über die Einkommensentwicklung der Ärzteschaft. 3. In der Kommunikation vonseiten des Bundes ist von zu hohen Einkommen der Ärzteschaft nicht die Rede. Das BAG kommunizierte, dass die Einkommen höher lägen als bisher angenommen. Dies wurde mit der Re-Evaluation der von der FMH publizierten Einkommenszahlen für das Jahr 2009 bestätigt. Die breitere Datenbasis sowie die Standardisierung auf Vollzeitäquivalente erhöhen das Medianeinkommen Selbstständiger für das Jahr 2009 um gut 30 Prozent. 5. Die gewählten Untersuchungsjahre erlauben eine Re-Evaluation der zuletzt durch die FMH publizierten Einkommen des Jahres 2009 und schliessen die Lücke bis zur ersten Erhebung durch das BfS, die 2016–2017 erstmalig gestartet wurde und das Jahr 2015 umfasst. Die Bass-Studie hat mit Informationen zu den Einkommen von 90 bis 95 Prozent aller Fachärztinnen und -ärzte eine sehr hohe Abdeckung.
ARS MEDICI 7 | 2019
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