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FORTBILDUNG
Adaptierte Leitlinie zur DMARD-Therapie bei rheumatoider Arthritis
Mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten sofort nach Diagnosestellung beginnen, Glukokortikoide nur zeitlich begrenzt geben
Krankheitsmodifizierende Medikamente (disease-modifying anti-rheumatic drugs, DMARD) können den Verlauf der rheumatoiden Arthritis (RA) verlangsamen und eine Zerstörung der Gelenke verhindern – wenn man sie korrekt einsetzt und den Therapieerfolg regelmässig überprüft.
Zeitschrift für Rheumatologie
Moderne Behandlungsstrategien mit DMARD haben das Bild der RA in den letzten Jahren stark verändert. Der Fortschritt lässt sich unter anderem an einer geringeren radiologischen Progression der Gelenkveränderungen und an einer verbesserten Funktionalität der Patienten ablesen. Darüber hinaus reduzieren moderne RA-Therapien signifikant Arbeitsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit, kardiovaskuläre Mortalität und Gesamtmortalität der betroffenen Patienten. In der S2e-Leitlinie zur Behandlung der RA mit DMARD der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) fassen die Autoren in sechs übergeordneten Prinzipien (siehe Kasten) und zehn Empfehlungen alle wichtigen Aspekte der modernen RA-Therapie mit DMARD zusammen.
DMARD gleich nach Feststellung der RA
Die neue Guideline empfiehlt, mit einer DMARD-Therapie zu beginnen, sobald die Diagnose einer RA gestellt ist. Denn der frühestmögliche Beginn einer DMARD-Behandlung bei neu diagnostizierter RA (optimalerweise innerhalb von 12 Wochen nach Symptombeginn) wirkt sich positiv auf die Parameter therapeutisches Ansprechen, Remission, Funktionsstatus und radiologische Progression aus. Ziel der Therapie ist das Erreichen und die Erhaltung einer Remission – also die nahezu vollständige Entzündungs- und Beschwerdefreiheit. Ist das nicht möglich, kann eine möglichst niedrige Krankheitsaktivität eine akzeptable Alternative dazu sein.
MERKSÄTZE
Bei rheumatoider Arthritis soll direkt nach der Diagnosestellung eine DMARD-Therapie begonnen werden.
Glukokortikoide sollten bei initialer Therapie ergänzend zu einem konventionellen synthetischen DMARD gegeben werden. Die Glukokortikoidtherapie soll auf drei bis sechs Monate beschränkt werden.
Der Therapieerfolg soll regelmässig überprüft werden, eine erste Kontrolluntersuchung soll bereits sechs Wochen nach Therapiestart erfolgen.
Zuerst mit Methotrexat behandeln …
Methotrexat soll als erstes konventionelles synthetisches DMARD (csDMARD) eingesetzt werden; es ist das am besten untersuchte csDMARD. Ein Vorteil für eine initiale Kombination mehrerer csDMARDs ist nicht sicher belegt. Falls Methotrexat beispielsweise wegen Kontraindikationen nicht verabreicht werden kann, soll die Therapie mit Leflunomid oder mit Sulfasalazin begonnen werden. Beide gehören zur Gruppe der csDMARD und haben sich in länger zurückliegenden Studien als ähnlich effektiv wie Methotrexat erwiesen.
… und Glukokortikoide dazu kombinieren
Die Leitlinienautoren raten, Glukokortikoide bei initialer Therapie ergänzend zum csDMARD zu geben. Empfehlenswert sei eine Startdosis bis 30 mg Prednisolonäquivalent/Tag mit Reduktion auf eine niedrige Dosis innerhalb von acht Wochen. Die Glukokortikoidtherapie soll auf drei bis sechs Monate beschränkt werden. Eine zusätzliche intraartikuläre Gabe von Glukokortikoiden kann sinnvoll sein.
Therapieerfolg frühzeitig überprüfen!
Die Kollegen betonen, dass die Wirksamkeit der Ersttherapie frühzeitig kontrolliert werden soll und empfehlen einen ersten Kontrolltermin bereits nach sechs Wochen. Zu diesem Zeitpunkt sollten die Verträglichkeit der Medikation und die Therapieadhärenz überprüft und die Behandlung bei Bedarf optimiert werden (z.B. durch Anpassung der Dosierung oder durch einen Wechsel auf eine andere Applikationsform).
Krankheitsaktivität mittels Composite Score erfassen
Bei aktiver Erkrankung sollte die Krankheitsaktivität häufig – im Abstand von ein bis drei Monaten – mithilfe eines Composite Score kontrolliert werden. Falls drei Monate nach Beginn der Therapie keine Verbesserung zu erkennen ist oder wenn nach sechs Monaten das Ziel nicht erreicht ist, sollte die Behandlung angepasst werden.
Therapieziel verfehlt – was tun?
Wenn nach spätestens zwölf Wochen unter optimierter Starttherapie noch kein adäquates Therapieansprechen bezie-
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FORTBILDUNG
Kasten:
Übergeordnete Prinzipien
1. Die Behandlung der RA sollte die bestmögliche medizinische Betreuung des Patienten zum Ziel haben und auf gemeinsamen Entscheidungen durch den Patienten und den Rheumatologen basieren.
2. Die RA ist eine schwere Erkrankung, die mit hohen direkten und indirekten Kosten verbunden ist. Dies sollte der behandelnde Rheumatologe bei seinen Entscheidungen berücksichtigen.
3. Es existieren keine zuverlässigen Biomarker in der alltäglichen Praxis für Therapieentscheidungen. Daher sollen Therapieentscheidungen derzeit unter anderem anhand von Vortherapie, Krankheitsaktivität, Funktionsstatus, Vorliegen von Erosionen, Sicherheitsaspekten und der Komorbidität sowie der Präferenz des Patienten getroffen werden.
4. Der zuständige Arzt für das Management des RA-Patienten, insbesondere für die Aktivitätsbestimmung der RA und die Steuerung der medikamentösen Therapie, ist der internistische Rheumatologe.
5. Das Ziel der Behandlung ist die Remission (nach dem Prinzip des «treat to target»). Niedrigere Krankheitsaktivität kann, wenn nicht anders möglich, eine akzeptable Alternative dazu sein.
6. Glukokortikoide sollten bei jedem Patienten ausgeschlichen werden, sofern dies klinisch vertretbar ist. Eine Deeskalation der Basistherapie kann bei Patienten mit «sustained remission» (anhaltende Remission) ohne Glukokortikoidtherapie erwogen werden. Die Deeskalation sollte auf einer gemeinsamen Entscheidung von Arzt und Patient beruhen.
hungsweise spätestens nach 24 Wochen noch keine Remission erreicht werden konnte, muss die Therapie angepasst werden. Optimierte Starttherapie in den ersten sechs bis zwölf Wochen bedeutet dabei unter anderem, dass Methotrexat in der Dosis gesteigert werden sollte. Falls die Therapie mit oralem Methotrexat begonnen wurde, sollte bei ausbleibendem klinischem Ansprechen binnen sechs Wochen auf subkutanes Methotrexat umgestellt werden. Auch die kurzfristige Erhöhung der oralen Glukokortikoiddosis und/oder intraartikuläre Glukokortikoidinjektionen in einzelne Gelenke können in der ersten Behandlungsphase notwendig sein. Die weitere Therapieentscheidung sollte dann anhand von Prognosefaktoren getroffen werden. Liegen keine ungünstigen Prognosefaktoren (wie etwa hoher BSG-[Blutsenkungsgeschwindigkeit-] oder CRP-[C-reaktives Protein-]Wert oder eine hohe Zahl an geschwollenen Gelenken) vor und weist der Patient eine moderate Krankheitsaktivität auf, kann eine Kombination mehrerer csDMARD verabreicht werden. Bei hoher Krankheitsaktivität und/oder ungünstigen Prognosefaktoren soll die Kombination eines csDMARD (in der Regel Methotrexat) mit einem biologischen DMARD (bDMARD) oder mit einem gezielten synthetischen DMARD (tsDMARD) zum Einsatz kommen. Nach unzureichendem Ansprechen zweier csDMARD-Therapien soll eine bDMARD- oder tsDMARD-Therapie verabreicht werden. Jede bDMARD- und jede tsDMARD-Therapie soll möglichst mit Methotrexat kombiniert werden.
Bei nicht ausreichendem Ansprechen (Therapieziel verfehlt) oder Unverträglichkeit der ersten bDMARD-Therapie soll der Wechsel auf ein alternatives bDMARD mit gleichem oder anderem Wirkprinzip oder auf ein tsDMARD erfolgen. Ein nochmaliger Wechsel ohne Änderung des Wirkprinzips ist nicht sinnvoll. Wird die Therapie nach csDMARDs mit einem tsDMARD anstatt eines bDMARD begonnen, sollte bei Nichtansprechen auf ein bDMARD gewechselt werden.
Deeskalation der Therapie
Die Autoren unterscheiden zwischen der Deeskalation von Glukokortikoiden (die auf jeden Fall weitmöglichst erfolgen soll) und der von DMARD. Wenn die DMARD-Therapie deeskaliert werden soll, muss nach erfolgtem Ausschleichen der Glukokortikoidmedikation eine anhaltende Remission über mindestens sechs Monate bestehen.
Adipositas und Rauchen unter DMARD-Therapie
Sowohl Adipositas als auch Rauchen sind bei RA-Patienten
mit einer schlechteren Prognose und einem geringeren An-
sprechen auf die DMARD-Therapie assoziiert. Zudem erhö-
hen beide Faktoren auch das kardiovaskuläre Risiko und be-
einflussen andere Begleiterkrankungen negativ. Daher sollten
die behandelnden Ärzte betroffene Patienten zu einer ent-
sprechenden Änderung des Lebensstils motivieren.
In einer prospektiven Untersuchung mit übergewichtigen
RA-Patienten und stabiler DMARD-Therapie ergab eine Re-
duktionsdiät eine Verbesserung der Krankheitsaktivität ab-
hängig vom Umfang der Gewichtsabnahme. Auch nach bari-
atrischen Operationen bei RA-Patienten kam es zu einer
deutlichen Verbesserung der Krankheitsaktivität.
Im Gegensatz dazu war in einer Kohortenstudie mit RA-Pa-
tienten das Beenden des Rauchens nicht mit einem günstige-
ren Verlauf assoziiert – es zeigte sich sogar eine etwas höhere
Krankheitsaktivität in dieser Gruppe. Daher sollten prospek-
tive, kontrollierte Studien die Wirksamkeit von Lebensstilin-
terventionen auf das DMARD-Ansprechen in Zukunft noch
besser belegen.
Dennoch empfehlen die Leitlinienautoren ausdrücklich, dass
RA-Patienten Normalgewichtigkeit anstreben und Nikotin-
karenz einhalten sollten, da sich dies auf die Begleiterkran-
kungen der RA sehr positiv auswirkt.
L
Andrea Wülker
Quelle: Fiehn C et al.: S2e-Leitlinie: Therapie der rheumatoiden Arthritis mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten. Z Rheumatol 2018; 77 (Supplement 2): 35–53.
Interessenlage: Die Autoren der referierten Originalarbeit haben keine Interessenkonflikte deklariert.
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