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Medikamentöse Therapie der rheumatoiden Arthritis
Methotrexat und Alternativen
FORTBILDUNG
In der medikamentösen Therapie der rheumatoiden Arthritis gibt es mittlerweile eine umfangreiche Auswahl an Substanzen, die an das Erkrankungsprofil, die Komorbiditäten und die Lebensumstände des Patienten angepasst werden können. Während NSAR und Steroide die Akut- und Bedarfstherapie ausmachen, sind die Eckpfeiler der Therapie synthetische und biologische Basismedikamente (DMARD).
Anastasia Bühner-Chakravertty und Salvea Schwertbad
Die rheumatoide Arthritis verläuft meist schubartig. Sie manifestiert sich führend an der Gelenkhaut (Synovitis) und verursacht Schmerzen sowie reversible Funktionseinschränkungen. Über Monate und Jahre kann sie zu Gelenkdeformierungen und schliesslich zu irreversiblen Funktionseinschränkungen führen. Durch eine medikamentöse Immunsuppression kann die Krankheitsaktivität unterdrückt und der Krankheitsverlauf verlangsamt, wenn nicht gar in eine Remission gebracht werden. Die Auswahl der medikamentösen Therapieoptionen hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Dies ist für den Patienten erfreulich, kann in der Praxis aber den Überblick erschweren. Dieser Artikel will eine Übersicht über die derzeit angewandten und zugelassenen Substanzen und Tipps zur Anwendung in der täglichen Praxis geben. Bewusst nur am Rande erwähnt werden die nicht weniger wichtigen, nicht medikamentösen Therapieansätze wie Physiotherapie, Ergotherapie und physikalische Medizin sowie Nikotinkarenz und Ernährungsanpassung.
Nicht steroidale Antirheumatika zur Bedarfstherapie
Nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) werden im Wesentlichen als Bedarfstherapie eingesetzt, sowohl zu Beginn der Erkrankung als auch im Verlauf in einer Schubsituation zusätzlich zur Basistherapie. Zu beachten sind Blutbildverände-
MERKSÄTZE
Eine medikamentöse Immunsuppression kann eine Remission der rheumatoiden Arthritis bewirken.
Basismedikamente sind die Eckpfeiler der medikamentösen Therapie; NSAR und Steroide werden zur Akut- und Bedarfstherapie eingesetzt.
Goldstandard ist nach wie vor Methotrexat, welches bei Niereninsuffizienz allerdings kumuliert. Alternativ zu Methotrexat kann Leflunomid gegeben werden.
Neuere Therapien wie Biologika, Biosimilars und JAK-Inhibitoren sind wirksam und gut verträglich.
rungen sowie Induktion oder Verschlechterung einer bestehenden Niereninsuffizienz, welche insbesondere bei gleichzeitig bestehender Basistherapie mit Methotrexat zu einer toxischen Kumulation der Basistherapie führen kann.
Steroide verursachen dosisabhängig Nebenwirkungen
Steroide sind aufgrund ihrer einzigartigen raschen Wirkungsweise trotz aller Neuerungen nicht aus der medikamentösen Therapie der rheumatoiden Arthritis wegzudenken. Zu Erkrankungsbeginn, aber auch in Schubsituationen wird meist Prednisolon eingesetzt. Hier reicht in der Regel eine Dosierung von 20 mg/Tag aus, entsprechend der zirkadianen Rhythmik verteilt auf eine grössere morgendliche und eine kleinere abendliche Dosis (z.B. 15–0–5 mg). Entsprechend den Empfehlungen der EULAR (European League Against Rheumatism) sollten Steroide aufgrund ihres umfangreichen Nebenwirkungspotenzials innerhalb von 8 Wochen in den Low-dose-Bereich (entspr. < 7,5 mg/Tag) reduziert und nach Möglichkeit in der zweiten Jahreshälfte nach Start beendet werden. Sinnvoll und empfohlen sind die Auffrischung des Impfschutzes, die Kontrolle der kardiovaskulären Risikofaktoren sowie – bei entsprechender Anamnese – regelmässige augenärztliche Kontrollen zum Ausschluss einer Katarakt oder eines Glaukoms. Parallel sollte Vitamin D in einer Dosis von 1000 IE/Tag substituiert werden, nicht zuletzt wegen des häufigen Vitamin-D-Mangels und des zeitnahen Knochendichteverlusts unter Steroidtherapie.
Basismedikamente wirken zeitverzögert
Die Wirkung von Basismedikamenten tritt mit zeitlicher Verzögerung ein. Zu den konventionellen Basismedikamenten, die heutzutage in der Praxis Anwendung finden, gehören in erster Linie Methotrexat, Leflunomid und Sulfasalazin. Selten eingesetzt werden Antimalariamittel, welche bei der rheumatoiden Arthritis meist als Kombinationspartner dienen. Hoch ist ihr Stellenwert hingegen bei der Behandlung von Kollagenosen, insbesondere bei systemischem Lupus erythematodes. Methotrexat ist nach wie vor Goldstandard in der Therapie der rheumatoiden Arthritis und wird zudem auch erfolgreich eingesetzt in der Behandlung zahlreicher anderer rheumati-
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FORTBILDUNG
Allgemeine Informationen zu Basismedikamenten
L Immunsuppressiva müssen regelmässig eingenommen werden, damit sie ihre Wirksamkeit entfalten können.
L Der Wirkeintritt ist frühestens nach 4 Wochen, meist nach 2 bis 3 Monaten und teilweise sogar erst nach einem halben Jahr zu erwarten (Sulfasalazin).
L Die medikamentöse Therapie sollte im Hinblick auf Wirkung und Nebenwirkung durch regelmässige klinische und Laborkontrollen überwacht werden, wobei sich hier Rheumatologe und Hausarzt ergänzen sollten.
scher Systemerkrankungen wie der Psoriasisarthritis oder der juvenilen idiopathischen Arthritis (Zulassung bereits im Kindesalter). Ein Drittel der mit Methotrexat behandelten Patienten erreicht eine Remission der Erkrankung. In der Regel wird eine Dosierung von 15 mg/Woche gewählt, welche im Verlauf angepasst wird. Da die parenterale Bioverfügbarkeit mit nahezu 100 Prozent der oralen mit etwa 25 Prozent wesentlich überlegen ist, wird die subkutane Applikationsform favorisiert. Diese ist in Bezug auf gastrointestinale Nebenwirkungen wie Unwohlsein und Übelkeit häufig verträglicher. Eine seltene, aber wichtige Nebenwirkung ist die methotrexatinduzierte Pneumonitis, die sich durch Fieber, trockenen Husten und Dyspnoe äussert. Häufig tritt sie in den ersten Monaten nach Therapiebeginn auf. Methotrexat sollte dann umgehend beendet und der Patient mit Folsäure und Steroiden behandelt werden. Alternativ zu Methotrexat kann Leflunomid eingesetzt werden. Diese orale Therapie ist ähnlich effektiv und in der Regel gut verträglich. Die oft initial auftretende Neigung zu Diarrhöen normalisiert sich meist innerhalb weniger Wochen. Leflunomid kann einen arteriellen Hypertonus induzieren beziehungsweise aggravieren. Da es über den enterohepatischen Kreislauf reabsorbiert wird, kann unter Umständen ein Auswaschverfahren vonnöten sein: L Cholestyramin 3-mal 8 mg über 11 Tage L alternativ Aktivkohle 4-mal 50 g über 11 Tage L anschliessend Spiegelbestimmung. Da im Falle eines aktiven Kinderwunsches Methotrexat und Leflunomid kontraindiziert sind, kann hier alternativ Sulfasalazin unter Folsäuresubstitution gewählt werden. Sulfasalazin kann unter anderem schwere Leukopenien und bei Männern eine Azoospermie verursachen, welche 3 Monate nach Therapiebeendigung reversibel ist. Antimalariamittel werden heute in erster Linie als Kombinationspartner eingesetzt. Häufiger eingesetzt wurden sie vor der Zeit der Biologika als Bestandteil des O’Dell-Schemas (bestehend aus Methotrexat, Sulfasalazin und Antimalariamittel). Nach langjährigem, meist überdosiertem Gebrauch kann es durch Ablagerungen zu einer irreversiblen Retinopathie kommen, sodass Patienten unter Antimalariatherapie regelmässig augenärztliche Kontrollen erhalten sollten.
Neuere Substanzen
Zu den neueren Therapien zählen Biologika, Biosimilars und Januskinase-(JAK-)Inhibitoren. Zur Behandlung der rheuma-
toiden Arthritis sind sämtliche fünf TNF-(Tumornekrosefak-
tor-)α-Inhibitoren zugelassen. Infliximab wird als einziger
intravenös appliziert. Adalimumab, Etanercept, Certolizumab
pegol und Golimumab werden subkutan verabreicht. Wei-
tere Biologika wirken über andere Zytokine. Abatacept ist in
Kombination mit Methotrexat zugelassen und kann intra-
venös oder subkutan appliziert werden. Tocilizumab und das
in der Schweiz seit 2018 zugelassene Sarilumab inhibieren
Interleukin-(IL-)6 und führen damit zu einer Unterdrückung
der Bildung von Akutphaseproteinen in der Leber wie dem
C-reaktiven Protein (CRP). Patienten unter IL-6-Blockade
entwickeln auch bei bakteriellen Infekten zum Teil kein
CRP. Rituximab wird intravenös halbjährlich verabreicht
und führt via B-Zell-Depletion zu einer lang anhaltenden
Wirksamkeit.
Biosimilars sind Folgepräparate von Biologika, die höchst
ähnlich, aber nicht identisch sind. Zahlreiche Studien haben
keine Sicherheitsbedenken bezüglich Wirksamkeit und Immu-
nogenität ergeben. Die Anzahl der zugelassenen Biosimilars
steigt jährlich. Aktuell gibt es zugelassene Biosimilars zu den
Wirkstoffen Infliximab, Etanercept und Rituximab. Die Zulas-
sung für Biosimilars von Adalimumab wird in Kürze erwartet.
JAK-Inhibitoren, sogenannte «small molecules» (aufgrund
ihrer geringen Grösse), inhibieren die intrazelluläre Signal-
übertragung. Im Gegensatz zu sämtlichen Biologika/Biosimi-
lars können sie oral verabreicht werden, was aus Patienten-
sicht ein wesentlicher Unterschied ist.
Biologika, Biosimilars und JAK-Inhibitoren sind zugelassen,
wenn konventionelle DMARD (disease-modifying antirheu-
matic drugs) versagt haben. Zuvor sollten chronische Infek-
tionen wie Tuberkulose und Hepatitis B/C ausgeschlossen
werden. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören Haut-
reaktionen und Infekte (insbesondere Atemwegsinfekte,
gehäuft im ersten Jahr). Im Allgemeinen sind die neuen
Therapien sehr gut wirksam und verträglich, und zahlreiche
Biologika sind bereits im Kindesalter zugelassen.
Um das Infektionsrisiko des Patienten zu minimieren, ist es
sinnvoll, die Impfungen gemäss den Empfehlungen der STIKO
(Ständige Impfkommission am Berliner Robert-Koch-Insti-
tut) zu ergänzen. Bezüglich des perioperativen Managements
von Basismedikamenten gibt es hilfreiche Empfehlungen von
der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh). Fer-
ner hat die DGRh Merkblätter zur Therapieüberwachung für
alle verfügbaren Basismedikamente erstellt.
L
Dr. med. Anastasia Bühner-Chakravertty Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie MVZ Porzer Rheuma Zentrum D-51149 Köln sowie Salvea Schwertbad D-52066 Aachen
Interessenlage: Die Autorin hat keine Interessenkonflikte deklariert.
Literatur: Smolen JS et al.: EULAR recommendations for the management of rheumatoid arthritis with synthetic and biological disease-modifying antirheumatic drugs: 2016 update. Ann Rheum Dis 2017; 76(6): 960–977.
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 13/2018. Die Übernahme erfolgt nach leichten Anpassungen durch die Redaktion von ARS MEDICI mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autorin.
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