Transkript
FORTBILDUNG
Hautveränderungen in der Schwangerschaft
Früh erkennen, richtig behandeln
Alle Hauterkrankungen sind auch in der Schwangerschaft möglich. Bei Hautveränderungen gilt es, die Erstmanifestation von Dermatosen und speziellen Schwangerschaftsdermatosen zu unterscheiden. Zu beachten ist, dass sich die Krankheitslast bereits vorbestehender Dermatosen während der Schwangerschaft verändern, das heisst stärker, aber auch milder werden kann.
Petra Staubach-Renz
Grundsätzlich kann jede Frau trotz vorbestehenden Dermatosen, wie zum Beispiel Psoriasis vulgaris, atopischem Ekzem, Urtikaria oder selbst Angioödemen, schwanger werden. Das Management der Dermatosen gestaltet sich allerdings oft schwieriger, da sehr wenige Medikamente in der Schwangerschaft zugelassen sind. Der Arzt muss also den individuellen Nutzen gegenüber der Sicherheit/dem Risiko abwägen (Tabellen 1–3). Durch eine interdisziplinäre Versorgung mit Gynäkologen sowie Spezialzentren für spezielle Hauterkrankungen kann die Patientinnenversorgung optimiert werden.
Physiologische Veränderungen in der Schwangerschaft
Bedingt durch die hormonelle Umstellung, aber auch durch die rasche Gewichtszunahme sind folgende Hautveränderungen häufig, in der Regel nach der Schwangerschaft, spontan regredient und ohne pathologischen Befund:
L Melasma (Hyperpigmentierungen durch hormonelle Umstellung, oft nach Schwangerschaft gebessert, manchmal andauernd)
L Striae distensae («Schwangerschaftsstreifen») (Abbildung 1) L Linea nigra L Hyperpigmentierungen der Mamillen und des Genitals
(rückläufig nach Schwangerschaft) L Ödeme, Angioödeme («Schwellungen») L Acne gravidarum L Hypertrichose (verminderter Haarausfall) L postpartales Effluvium (postpartaler, vermehrter Haaraus-
fall, meist 3 Monate nach Entbindung) L Onycholyse (selten: distale Nagelveränderungen, vorüber-
gehend) L kutane Candidosen – Auftreten von Hautveränderungen
durch Komorbidität in der Schwangerschaft, wie zum Beispiel Schwangerschaftsdiabetes (vorwiegend im Bereich der ausgeprägten Hautfalten).
MERKSÄTZE
Dermatosen in der Schwangerschaft sind häufig, werden aber selten zur Gefahr für den Fetus.
Entscheidend ist es, die Subentität schnell zu diagnostizieren und eine suffiziente Therapie einzuleiten.
Meist reicht neben einer Basistherapie eine Lokaltherapie aus, selten benötigt man Systemtherapeutika. Wo erforderlich, müssen diese angewandt werden. Hilfreich sind dabei Datenbanken wie z.B. www.embryotox.org.
Bereits bestehende Therapien bei bekannten Dermatosen sollten bei Bekanntwerden einer Schwangerschaft reevaluiert werden.
Hautärzte oder Hautkliniken mit Spezialsprechstunden können gemeinsam mit den Allgemeinärzten und Gynäkologen das interdisziplinäre Patientinnenmanagement erweitern.
Typische Schwangerschaftsdermatosen
Nahezu alle Schwangerschaftsdermatosen haben als Symptom Pruritus (Juckreiz), der oft auch der Hauptgrund ist, der die Patientinnen zum Arzt führt. Bei der intrahepatischen Schwangerschaftscholestase ist dieser Pruritus wegweisend, und erst sekundär entwickeln sich (nicht immer) Hauteffloreszenzen. Die häufigsten Schwangerschaftsdermatosen wie PUPP (pruritic urticarial papules and plaques of pregnancy) oder atopische Schwangerschaftsdermatose sind meist selbstlimitierend und nicht gefährlich für Kind und Mutter.
Intrahepatische Schwangerschaftscholestase Hier handelt es sich um eine schwerwiegende und für den Fetus gefährliche Schwangerschaftsdermatose (Synonym: Pruritus gravidarum, Prurigo gravidarum). Es ist eine typische reversible Erkrankung der Spätschwangerschaft. 10 Prozent der Schwangeren entwickeln einen extrahepatischen Ikterus. Zudem besteht ein erhöhtes Risiko für einen Vitamin-KMangel mit potenziellen Blutungskomplikationen. Häufig beobachtet wird ein Gestationsdiabetes. Klinisch klagen die Patientinnen zunächst ausschliesslich über massiven Juckreiz
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Abbildung 1: Striae distensae
© Staubach
Tabelle 1:
Klassifikationen der Schwangerschaftsdermatosen
Name Intrahepatische Schwangerschaftscholestase
Impetigo herpetiformis
Polymorphe Schwangerschaftsdermatose Pemphigoid gestationis
Atopische Schwangerschaftsdermatose
Synonyme
Besonderheiten
Pruritus gravidarum Prurigo gravidarum
3. Trimenon, späte Schwangerschaft, oft nur Juckreiz, periumbilikal betroffen, Gefahr für Fetus
Psoriasis pustulosa der Schwangerschaft
3. Trimenon, ähnlich einer Psoriasis pustulosa, oft intertriginös, Probebiopsie hilfreich, Gefahr für Fetus
PUPP (pruritic urtica- Meist 3. Trimenon,
rial papules and
periumbilikal frei
plaques of pregnancy)
Herpes gestationis
2.–3. Trimenon, periumbilikal betroffen, Probebiopsie hilfreich
Prurigo der Schwangerschaft, Prurigo gestationis
2. Trimenon, atopische Diathese positiv, aber bislang keine Ekzeme
Tabelle 2:
Lokaltherapien bei Dermatosen der Schwangerschaft
Klassifikation Antimykotika topische Glukokortikoide Calcineurininhibitoren Antiinfektiosa
antivirale Topika
Mögliche Lokaltherapien/Beispiele
Nystatin, Clotrimazol, Miconazol
Unbedenklich (Cave! Keine Klasse-IV-Glukokortikoide), TIX2-Kortikosteroide bevorzugen
Keine ausreichenden Daten – nur wenn keine Alternativen bestehen
Chlorhexidin, Octenidin – kleinflächig – (Cave! Keine Spülungen), Permethrin, Benzylbenzoat, Schwefel
Herpes: melisse- und/oder zinkhaltige Externa, Aciclovir; Condylomata: Trichloressigsäure
Abbildung 2: Polymorphe Schwangerschaftsdermatose
© Staubach
in der Spätschwangerschaft, erst sekundär entwickeln sich zum Beispiel Prurigoknoten. Prädilektionsstellen sind die Nabelumgebung, Brust, Hände und Füsse. Laborchemisch sind die Gallensäuren im Nüchternserum erhöht (> 10 µmol/l, ggf. erhöhte Transaminasen), was eine Gefahr für den Fetus bedeutet. Hier muss eine sofortige Zusammenarbeit mit den Gynäkologen und Hepatologen oder/und eine Klinikeinweisung erfolgen. Die Therapie ist einfach und sollte nach Diagnosestellung unverzüglich eingeleitet werden: Ursodesoxycholsäure (13–15 mg/kg Körpergewicht [KG]/Tag). Die Symptome klingen spätestens 2 bis 6 Wochen nach der Entbindung ab, Rezidive sind vorwiegend bei Einnahme oraler Kontrazeptiva und bei Folgeschwangerschaften beschrieben.
Impetigo herpetiformis Die seltene Impetigo herpetiformis ist eine im dritten Trimenon auftretende Dermatose. Typisch sind streuende erythematöse Maculae und Plaques mit Pusteln, manchmal krustig belegt. Die Klinik erinnert an eine pustulöse Psoriasis. Die Patientinnen fühlen sich krank, häufig mit Fieber. Laborchemisch sind Hypokalzämie und/oder Neutrophilie auffällig. Totgeburten und fetale Missbildungen sind häufig. Eine Probebiopsie ist wegweisend. Erforderlich ist eine zeitnahe Therapie mit systemischen Kortikosteroiden.
Polymorphe Schwangerschaftsdermatose Die PUPP beginnt meist im dritten, selten bereits im zweiten Trimenon und kommt vorwiegend bei Erstgebärenden vor.
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Tabelle 3:
Systemische Therapien bei Dermatosen in der Schwangerschaft
Kontraindikationen, Cave! Retinoide (teratogen) Mycofenolat-Mofetil
Methothrexat
Apremilast
Antiinfektiosa Fluconazol, Itraconazol, Ketoconazol, Griseofulvin
Einsatz in Schwangerschaft möglich
Antihistaminika (Loratadin, Cetirizin)
Glukokortikoide, Prednisolon unter 10 mg/Tag (8.–11. Schwangerschaftswoche: Cave!)
Cyclosporin – Erfahrungen organtransplantierter Mütter
Biologika (nach Rücksprache, Daten bei einzelnen Biologika sind vorhanden)
Antiinfektiosa Aciclovir, Terbinafin, Amphotericin B
Sie zeichnet sich durch ihr vielfältiges klinisches Bild aus: Pruritus, Urtikaria, Papeln, Plaques, zu Beginn häufig striär im Bereich der Striae distensae angeordnet (Abbildung 2). Prädilektionsstelle ist der Bauch, wobei die Periumbilikalregion ausgespart bleibt. Streuherde sind häufig. Die Erkrankung ist selbstlimitierend. Lokaltherapien mit Glukokortikoiden sind ausreichend. Additiv können Antihistaminika der zweiten Generation (inkl. «updosing», Cave: Aufklärung) und bei nicht ausreichendem Ansprechen kurzzeitig orale Kortikosteroide angewandt werden.
Pemphigoid gestationis (Herpes gestationis) Neben dem Juckreiz treten ab dem zweiten Trimenon bei dieser Autoimmunerkrankung urtikarielle juckende Papeln sowie Blasen auf, wobei die Schleimhäute frei bleiben. Im Gegensatz zur PUPP ist zu Beginn meist die Periumbilikalregion betroffen, später kann es zu Streuphänomenen kommen. Die Erkrankung ist selbstlimitierend nach der Niederkunft. Frühgeburten und niedrige Geburtsgewichte in Kombination mit einer Plazentainsuffizienz sind häufig. Bei unklarem klinischem Befund sollte immer eine Probebiopsie mit direkter Immunfluoreszenz durchgeführt werden, um die Diagnose zu sichern. Wichtig ist eine engmaschigere Kontrolle der Schwangeren. Sollte die Therapie mit lokalen Kortikosteroiden und additiv Antihistaminika der zweiten Generation nicht ausreichen, können systemische Steroide angewendet werden.
Atopische Schwangerschaftsdermatose Dies ist die häufigste Schwangerschaftsdermatose. Sie beginnt bereits im ersten oder zweiten Trimenon bei vorbestehender atopischer Diathese. Die Patientinnen berichten häufig über das erstmalige Auftreten von ekzematösen, zum Teil papulösen Hautveränderungen, begleitet von massivem Juckreiz bei insgesamt trockenem Integument. Auch Minimalkriterien des atopischen Ekzems wie Cheilitis, Perlèche, Pulpitis treten auf. Die Prognose ist gut. Lokale Kortikosteroide sowie orale Antihistaminika der zweiten Generation können eingesetzt werden. Calcineurininhibitoren sollte man nur nach Rücksprache mit den Gynäkologen anwenden und wenn andere Therapieoptionen nicht ansprechen.
Präexistierende Hauterkrankungen
Patientinnen mit bekannten Dermatosen, wie zum Beispiel Psoriasis vulgaris, atopischem Ekzem und/oder chronischer Urtikaria, sollten darüber informiert sein, dass sich die Krankheitslast während der Schwangerschaft ändern kann. Prädiktoren, inwieweit sich die Erkrankung verbessern oder verschlechtern wird, gibt es bislang nicht. Bisherige Therapien sollten bei Bekanntwerden der Schwangerschaft überdacht und gegebenenfalls ab- oder umgesetzt werden. Hier empfiehlt sich die schnelle Überweisung an einen Dermatologen oder an ein für die Erkrankung bekanntes Zentrum, um keine wertvolle Zeit zu verlieren.
Management der Schwangerschaftsdermatosen
Treten dermatologische Beschwerden auf, sind der Zeitpunkt und mögliche Vor- beziehungsweise Begleiterkrankungen neben der aktuell geschilderten Symptomatik von immenser Wichtigkeit. So ist bei der am häufigsten vorkommenden atopischen Schwangerschaftsdermatose eine atopische Diathese bekannt, also das Vorhandensein von Allergien, allergischer Rhinokonjunktivitis oder Asthma ohne Auftreten von Ekzemen vor der Schwangerschaft.
Xerosis mit Juckreiz Das häufigste Symptom während der Schwangerschaft ist der Pruritus. Meist führt eine sehr trockene Haut zu Juckreiz, sodass die Basistherapie der trockenen Haut eine wichtige erste Massnahme ist, vorwiegend dann, wenn die Haut keine sonstigen Effloreszenzen aufweist.
Basistherapie für alle Schwangeren!
Basistherapien sollten immer eine rückfettende Grundlage
mit hydratisierenden Inhaltsstoffen wie Glyzerin oder Urea
enthalten. Eine reine Fettgrundlage, wie sie häufig zur
Vermeidung von Schwangerschaftsstreifen angewandt wird,
ist nicht empfehlenswert. Lipolotionen oder Hydrolotionen
sind leicht auftragbar und angenehm in der Anwendung.
Parallel dazu ist das frühzeitige Erkennen neu auftretender
Hauteffloreszenzen wichtig. Prädilektionsstellen sind weg-
weisend, die Ermittlung sonstiger Symptome wie Fieber oder
anderer Komorbiditäten ist hilfreich, Probebiopsien sind
manchmal angezeigt. Eine Therapie mit Externa ist meist
ausreichend, Systemtherapeutika sind manchmal erforder-
lich (Tabellen 2, 3). Eine schnelle Überweisung an einen
Hautfacharzt oder an eine dermatologische Klinik hilft bei
Unsicherheit, da bei einigen wenigen Subentitäten Eile gefor-
dert ist, um den Fetus zu schützen.
L
Prof. Dr. Petra Staubach-Renz Hautklinik und Poliklinik Universitätsmedizin Mainz D-55131 Mainz
Interessenlage: Die Autorin hat keine Interessenkonflikte deklariert.
Literatur unter www.arsmedici.ch
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 18/2018. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autorin.
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