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STUDIE REFERIERT
Typ-2-Diabetes
SGLT-2-Hemmer zur kardiovaskulären und renalen Prävention
SGLT-2-Hemmer reduzieren bei Diabetes-Typ-2-Patienten mit atherosklerotischen kardiovaskulären Erkrankungen das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse, bei Patienten ohne diese Erkrankungen jedoch nicht. Die Raten herzinsuffizienzbedingter Hospitalisierungen und der Progression von Nierenerkrankungen verringern sich unter SGLT-2-Hemmern bei Patienten mit und ohne atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankung in vergleichbarer Grössenordnung.
Lancet
In plazebokontrollierten Studien zeigte sich, dass Natrium-Glukose-Kotransporter-2-(SGLT-2-)Hemmer bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 (DMT2) das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse senken. Die Einzelstudien waren jedoch nicht aussagekräftig genug, um die Grössenordnung dieses Nutzens bei Patientengruppen mit unterschiedlichem Risiko für atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankungen verlässlich abschätzen zu können. In einem systematischen Review mit Metaanalyse (1) werteten Thomas Zelniker vom Brigham and Women’s Hospital in Boston (USA) und seine Arbeitsgruppe deshalb die gepoolten Daten der drei grossen randomisierten, plazebokontrollierten Studien EMPA-REG OUTCOME (Empagliflozin; Jardiance®) CANVAS Program (Canagliflozin; Invokana®) und DECLARE-TIMI 58 (Dapagliflozin; Forxiga®) aus. Von den 34 322 DMT2-Patienten litten 20 650 (60,2%) an etablierten atherosklerotischen kardiovaskulären Erkrankungen. Bei den verbleibenden 13 672 Teilnehmern (39,8%) lagen multiple Risikofaktoren vor, jedoch keine derartige Erkrankung.
Heterogene Effekte
In der gesamten Studienpopulation senkten SGLT-2-Hemmer die Rate schwerer kardiovaskulärer Ereignisse (Herzinfarkt, Schlaganfall, kardiovaskulärer Tod) moderat um 11 Prozent (Hazard Ratio [HR]: 0,89; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,83–0,96; p = 0,0014). Dieser klinische Nutzen wurde allerdings nur bei den Patienten mit etablierter atherosklerotischer kardiovaskulärer Erkrankung beobachtet (HR: 0,86; 95%-KI: 0,80–0,93), bei den Teilnehmern mit
multiplen Risikofaktoren dagegen nicht (HR: 1,00; 95%-KI: 0,87–1,16).
Vergleichbarer Nutzen
In den drei Studien senkten SGLT-2Hemmer das Risiko für den kombinierten Endpunkt kardiovaskulärer Tod/ herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierung um 23 Prozent (HR: 0,77; 95%KI: 0,71–0,84; p < 0,0001). Die Rate der herzinsuffizienzbedingten Hospitalisierungen verringerte sich bei Patienten mit und ohne etablierte atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankungen um etwa 30 Prozent. Die Progressionsrate von Nierenerkrankungen (kombinierter Endpunkt: Verschlechterung der geschätzten glomerulären Filtrationsrate [eGFR], Nierenerkrankung im Endstadium, renaler Tod) verringerte sich unter den SGLT-2-Hemmern um 45 Prozent (HR: 0,55; 95%KI: 0,48–0,64; p < 0,0001). Auch hier zeigte sich bei Patienten mit manifesten atherosklerotischen kardiovaskulären Erkrankungen (HR: 0,56; 95%-KI: 0,47– 0,67) und bei Patienten ohne diese Erkrankungen (HR: 0,54; 95%-KI: 0,42–0,71) ein vergleichbarer Nutzen. Die Grössenordnung des renoprotektiven Effekts variierte entsprechend der eGFR zu Baseline: Je höher die eGFR, desto ausgeprägter die Risikoreduzierung. Umgekehrt war die Verringerung der herzinsuffizienzbedingten Hospitalisierungsraten in der untersten eGFRGruppe (< 60 ml/min/1,73 m2) am ausgeprägtesten und in der Patientengruppe mit der höchsten eGFR (≥ 90 ml/ min/1,73 m2) am geringsten.
Protektive Mechanismen
Trotz entsprechender Forschung sind die exakten protektiven Mechanismen
der SGLT-2-Hemmer bis anhin nicht bekannt. Aus der verfügbaren Datenlage geht jedoch hervor, dass die Senkung des HbA1c-Werts eher in einer Reduzierung mikrovaskulärer Komplikationen als jener makrovaskulärer Komplikationen resultiert, erklären die Review-Autoren. Aus ihren eigenen Daten schliessen sie, dass die renoprotektiven Effekte der SGLT-2-Hemmer zusammen mit der durch diese Antidiabetika induzierten Natriurese in grossem Ausmass zur Verringerung der herzinsuffizienzbedingten Hospitalisierungen beitragen könnten. Auf der Website EvidenceAlerts (2) kommentieren Ärzte verschiedener Fachrichtungen die Ergebnisse. Ein Kardiologe ist der Meinung, dass der Review wichtige Informationen zum Nutzen von SGLT-2-Hemmern bei verschiedenen Untergruppen von Patienten mit Diabetes Typ 2 liefert. Ein Endokrinologe erachtet die Verlangsamung des Verlusts der Nierenfunktion für den bedeutsamsten Effekt und bemängelt, dass der renoprotektive Nutzen der SGLT-2-Hemmer weitaus weniger intensiv beworben wird als der kardiovaskuläre. PS s
Quellen: 1. Zelniker TA et al.: SGLT2 inhibitors for primary
and secondary prevention of cardiovascular and renal outcomes in type 2 diabetes: a systematic review and meta-analysis of cardiovascular outcome trials. Lancet 2019: 393 (10166): 31–39. 2. Kommentare: EvidenceAlerts: Best new evidence for healthcare from McMaster PLUS® and DynaMed Plus®; https://plus.mcmaster.ca/ evidencealerts/; 5.12.2018.
Interessenlage: 13 der 15 Autoren des referierten systematischen Reviews mit Metaanalyse haben Gelder von verschiedenen Pharmaunternehmen erhalten. Zu den Interessenkonflikten der kommentierenden Fachärzte sind keine Angaben vorhanden.
118 ARS MEDICI 4 | 2019