Transkript
BERICHT
Insulintherapie beim Typ-2-Diabetiker
Tipps zu Strategie und Injektionen
Nicht jede Insulinstrategie eignet sich für jeden Typ-2-Diabetiker. Je nach Lebensweise des Patienten ist eine Basis-Bolus-Therapie wenig geeignet. Mittlerweile gibt es jedoch viele verschiedene Insulinformen und Kombinationsmöglichkeiten, sodass eine individuelle Therapiestrategie möglich ist. Dazu sind jedoch Informationen über einen regelmässigen Tagesablauf oder eine fehlende Tagesstruktur für den Therapieerfolg entscheidend. Worauf zu achten ist, erklärte Prof. Peter Wiesli, Chefarzt Innere Medizin, Kantonsspital Frauenfeld, am FOMF Diabetes Update in Zürich.
Wird bei Typ-2-Diabetikern eine Insulintherapie nötig, stellt sich die Frage, mit welcher Insulinstrategie man beginnen soll. Bewährt habe sich der Therapiebeginn mit einem Basalinsulin, denn damit komme es zu wenig Gewichtszunahme und wenig Hypoglykämien, berichtet Wiesli. Das Basalinsulin soll mit einer tiefen Dosis von 10 E begonnen und in Abhängigkeit des Nüchternblutzuckers kontinuierlich auf-
titriert werden. Reicht die erzielte Senkung nicht aus, braucht es den Zusatz von kurz wirksamen Insulinen. Mit Basis-Bolus lässt sich am genauesten therapieren, daher ist diese Therapieform am sichersten. «Je tiefer der HbA1c-Wert, desto physiologischer sollte die Insulintherapie sein. Denn das Risiko für Hypoglykämien ist mit Basis-Bolus kleiner als mit Mischinsulinen», so der Rat von Wiesli.
Tabelle:
Antidiabetika zur Kombination mit Insulin
Wirksubstanz
Metformin SGLT-2-Hemmer Canagliflozin Dapagliflozin Empagliflozin Ertugliflozin DPP-4-Hemmer Vildagliptin Sitagliptin Saxagliptin Linagliptin Alogliptin GLP-1-Rezeptor-Agonisten Albiglutid Dulaglutid Exenatid Liraglutid Lixisenatid Semaglutid
Quelle: Prof. Peter Wiesli, FOMF Diabetes 2018.
Handelsname
Glucophage®, Metfin®, Metformin®
Invokana® Forxiga® Jardiance® Steglatro®
Galvus® Januvia®, Xelevia® Onglyza® Trajenta® Vipidia®
Eperzan® Trulicity® Bydureon®, Byetta® Victoza® Lyxumia® Ozempic®
Kombination mit Metformin
Vokanamet® Xigduo XR® Jardiance Met® Stegluromet®
Galvumet® Janumet XR®, Velmetia® Kombiglyze XR®, Duoglyze® Jentadueto® Vipdomet®
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BERICHT
Doch eignet sich diese anspruchsvolle Therapieform nicht für jeden Patienten. Für Patienten mit kognitiven Einschränkungen beispielsweise ist die Basis-Bolus-Therapie wegen der grösseren Fehleranfälligkeit und der damit grösseren Hypoglykämiegefahr nicht geeignet.
Wann Mischinsulin?
Mischinsuline mit fixem Verhältnis zwischen kurz und lang wirksamem Insulin (z.B. Insulin aspart) sind eine gute Therapievariante für Patienten, bei denen die Injektion durch Dritte durchgeführt werden muss, oder bei Patienten, die Angst vor Spritzen haben, nicht so viel spritzen wollen oder am Mittag nicht spritzen können. Zudem ist die Mischinsulintherapie bei Patienten, die viele Zwischenmahlzeiten zu sich nehmen, einfacher als Bolusinjektionen zu jeder Nahrungsaufnahme. Die Therapie mit Mischinsulinen eignet sich bei Patienten, die ihre Mahlzeiten immer etwa zur gleichen Uhrzeit einnehmen, bei deren Mahlzeiten der Kohlehydratanteil nicht stark variiert und deren körperliche Aktivität immer etwa gleich gross ist. Patienten mit unregelmässigem Bewegungs- und Essmuster eignen sich dafür weniger. Nachteile von Mischinsulinen sind die gegenüber der Basis-Bolus-Therapie stärkere Gewichtszunahme und die grössere Hypoglykämiegefahr (1).
KURZ & BÜNDIG
Basis-Bolus ist am physiologischsten, aber anspruchsvoll. Mischinsulin ist bei klarer Tagesstruktur ideal. Sufonylharnstoff nicht mit Insulin kombinieren, da die Hypo-
glykämiegefahr erhöht ist.
Bei Einführung von Basalinsulin Sulfonylharnstoffe und Pioglitazon absetzen.
Bei Einführung von Basis-Bolus- oder Mischinsulin Metformin und SGLT-2-Hemmer weiterführen.
Orale Antidiabetika weiterführen oder absetzen?
Bei Umstellung der Typ-2-Diabetes-Therapie auf Insulin stellt sich die Frage, ob und welche oralen Antidiabetika abgesetzt werden sollen. Bei bestehender Therapie mit Metformin und Gliclazid sollte bei Zugabe von Basalinsulin der Sulfonylharnstoff durch einen DPP-4-Hemmer ausgetauscht werden, so Wiesli. Wie eine Studie zeigte, bewirkt der Zusatz des DPP-4-Hemmers Sitagliptin zum Basalinsulin eine Senkung des HbA1c-Werts um weitere 0,4 Prozent, des Insulinverbrauchs um 5 E, des Nüchternblutzuckers um 0,6 mmol und der Hypoglykämierate um 15 Prozent (2). Eine weitere Kombinationsmöglichkeit sind subkutan zu applizierende GLP-1Rezeptor-Agonisten. Bei Einführung einer Basalinsulintherapie können gemäss Wiesli die bestehenden oralen Antidiabetika mit Ausnahme von Sulfonylharnstoffen und Pioglitazon fortgeführt werden. Bei einer Basis-Bolus- oder einer Mischinsulintherapie sollen bis auf Metformin und SGLT-2-Hemmer alle anderen Antidiabetika abgesetzt werden. Der Nutzen einer zusätzlichen oralen Therapie mit SGLT-2-Hemmern kann sich in einem besseren HbA1c-Wert, weniger Hypoglykämien, Gewichtsabnahme, kardiovaskulären Effekten und Nephroprotektion niederschlagen. Denn SGLT-2-Hemmer senken unabhängig von Insulin den Blutzucker durch erhöhte renale Glukoseausscheidung. Das ist auch bei einer Insulinresistenz von Vorteil.
L
Valérie Herzog
Quelle: «Insuline», FOMF Diabetes Update Refresher, 16. November 2018 in Zürich.
Referenzen: 1. Holman RR et al.: Three-year efficacy of complex insulin regimens in
type 2 diabetes. N Engl J Med 2009; 361: 1736–1747. 2. Mathieu C et al.: A randomized clinical trial to evaluate the efficacy and
safety of co-administration of sitagliptin with intensively titrated insulin glargine. Diabetes Ther 2015; 6: 127–142.
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