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FORTBILDUNG
Kombinationstherapien bei LUTS
Optionen für eine individualisierte Behandlung
Aus einem systematischen Review geht hervor, dass Kombinationstherapien für Männer und Frauen mit LUTS, bei denen eine Monotherapie nicht ausreichend wirksam ist, eine vielversprechende Option sein können. Das Hinzufügen eines weiteren Wirkstoffs (Add-on) ermöglicht zudem eine individuelle Vorgehensweise im Rahmen des Symptommanagements.
European Urology
Bei Beschwerden des unteren Harntrakts (lower urinary tract symptoms, LUTS) unterscheidet man Speichersymptome, Entleerungssymptome und postmiktionelle Symptome. Viele Erwachsene leiden unter LUTS, und die Prävalenz nimmt mit dem Alter zu. In der Vergangenheit wurden LUTS bei Männern vor allem auf eine benigne Prostatahyperplasie (BPH) zurückgeführt. Mittlerweile hat sich jedoch herausgestellt, dass die Blase sowohl bei Männern als auch bei Frauen den Hauptanteil der Beschwerden verursacht. Daher werden derzeit vorwiegend Medikamente angewendet, die auf die Blase einwirken. Zur Behandlung von LUTS stehen folgende Substanzklassen zur Verfügung: L Alpha-1-Adrenorezeptor-Antagonisten (Alpha-1-Blocker) L 5-Alpha-Reduktase-Inhibitoren (5-ARI) L Muskarinrezeptorantagonisten (Antimuskarinika) L Beta-3-Adrenozeptor-Agonisten (Beta-3-Agonisten) L Gabapentinoide L Östrogene L Progestine L Phosphodiesterase-5-Inhibitoren (PDE5I). Da LUTS oft multifaktoriell bedingt sind, könnte eine Kombination von Medikamenten mit unterschiedlichen Wirkmechanismen, die auf verschiedene Symptomkomplexe abzielen, eine vielversprechende Option darstellen. In einem systematischen Review haben Maurizio Serati von der Universität Insubrien in Varese (Italien) und sein Team den aktuellen Wissensstand zur Wirksamkeit und Sicherheit von Medikamentenkombinationen zur Behandlung nicht neurogener LUTS bei Männern und Frauen zusammengefasst.
Kombinationen für Männer
Alpha-1-Blocker/5-ARI: Bei Männern ist die Kombination Alphablocker/5-ARI am besten untersucht. In Studien war
MERKSÄTZE
Bei unzureichender Wirksamkeit einer Monotherapie kann die Effektivität durch Hinzufügen eines weiteren Medikaments verbessert werden.
Die Kombination von Medikamenten mit verschiedenen Wirkmechanismen ermöglicht eine individuelle Behandlung von Symptomkomplexen.
diese Kombination bei längerfristiger Behandlung (> 1 Jahr) wirksamer als die jeweiligen Monotherapien. Männer mit mittelgradigen bis schweren LUTS und hohem Progressionsrisiko (vergrösserte Prostata [Prostatavolumen, PV > 30–40 ml], erhöhte Konzentration an PSA[prostataspezifisches Antigen], fortgeschrittenes Alter, höheres Restharnvolumen nach der Miktion [postvoid residual, PVR], verminderte maximale Harnflussrate [maximum urinary flow rate, Qmax] usw.) profitierten am meisten von der Kombination Alpha-1-Blocker/5-ARI. In Post-hoc-Analysen älterer Studien wurden unter Alpha-1Blocker/5-ARI signifikante Verbesserungen im Hinblick auf die Lebensqualität (quality of life, QoL), den International Prostate Symptom Score (IPSS), die Qmax und die Nykturie beobachtet. Zudem senkt die Kombination vermutlich das Progressionsrisiko. Das Absetzen des 5-ARI-Kombinationspartners war in einer Studie signifikant mit einer BPH-Progression und der Notwendigkeit einer transurethralen Prostataresektion (TURP) verbunden. Die Nebenwirkungen von Alphablocker/5-ARI entsprachen denen der Einzelsubstanzen, kamen unter der Kombination jedoch signifikant häufiger vor. Antimuskarinika/Beta-3-Agonisten: In acht Studien untersuchten Wissenschaftler die Wirksamkeit von Mirabegron (Betmiga®) als Add-on zu Solifenacin (Vesicare® und Generika) oder als Bestandteil einer initialen Kombinationsbehandlung bei Patienten mit überaktiver Blase (overactive bladder, OAB) und Inkontinenz. Nach Zugabe von Mirabegron wurde eine signifikante Verbesserung im Hinblick auf die allgemeine Symptomatik (Fragebogen OAB-q SF), die Anzahl der Miktionen pro 24 Stunden, die Häufigkeit der Drangepisoden, die Inkontinenz, das PVR und das mittlere ausgeschiedene Volumen (mean voided volume, MVV) pro Miktion beobachtet. Antimuskarinika/Antimuskarinika: Zwei Studienteams evaluierten die Wirksamkeit von Solifenacin/Trospium (SpasmoUrgenin® Neo, Spasmex®) zur Behandlung einer OAB. In einer Studie erhielten 79 Männer eine Standarddosierung Trospium/Solifenacin (30 mg/Tag; 10 mg/Tag), eine niedrige Dosierung Trospium/Solifenacin (15 mg/Tag; 5 mg/Tag) oder Plazebo. Bei älteren Männern mit mittelgradigen OABSymptomen zeigten sich sowohl unter der Kombination in Standarddosierung als auch unter der niedrig dosierten Kombination ein signifikanter Anstieg des Reflexvolumens, eine Erhöhung der Blasenkapazität und eine Verbesserung der Detrusor-Compliance sowie eine Abnahme der Miktions-
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FORTBILDUNG
häufigkeit, der Drangepisoden und der Inkontinenzepisoden im Vergleich zu den Ausgangswerten. Die Review-Autoren vermuten, dass es bei der Kombination von zwei Medikamenten mit gleichem Wirkmechanismus zu einem synergistischen Effekt kommt, sodass die Dosis beider Kombinationspartner reduziert werden kann. Antimuskarinika/Alpha-1-Blocker: Die Kombination Antimuskarinikum/Alpha-1-Blocker wurde in zehn Studien untersucht. Zu den untersuchten Kombinationen gehörten Alpha-1-Blocker/Fesoterodin (Toviaz®), Tamsulosin (Pradif® und Generika)/Fesoterodin, Tamsulosin/Imidafenacin (nicht im AK der Schweiz), Tamsulosin/Solifenacin und Propiverin (nicht im AK der Schweiz)/Terazosin (Hytrin BPH®). Die Kombination erwies sich in Add-on-Studien oder als initiale Behandlung bei LUTS-Patienten mit OAB als wirksamer im Vergleich zur Monotherapie mit Alpha-1-Blockern. Alpha-1-Blocker/Beta-3-Agonisten: In einer Add-on-Studie evaluierten Forscher die Wirksamkeit von Tamsulosin/Mirabegron bei OAB-Patienten mit benigner Prostataobstruktion (BPO) bei unzureichender Wirksamkeit von Tamsulosin allein. Unter der Kombination verbesserte sich der OAB-Symptom-Score signifikant im Vergleich zur Monotherapie. Des Weiteren bewirkte die Kombination eine ausgeprägtere Veränderung der Harndrang-Scores, der Miktionshäufigkeit und des PVR. Alpha-1-Blocker/Desmopressin: Zwei Studien befassten sich mit Desmopressin (z.B. Minirin®, Nocutil®) als Add-on zu Tamsulosin bei der Behandlung von Nykturie. Unter der Kombination sank die Anzahl nächtlicher Miktionen signifikant im Vergleich zur Monotherapie mit Tamsulosin. Da es unter Desmopressin zur Hyponatriämie kommen kann, empfehlen die Review-Autoren während der Behandlung eine Überwachung der Natriumserumwerte. Alpha-1-Blocker/PDE5I: In sieben Studien untersuchten Wissenschaftler verschiedene Kombinationen aus einem Alpha-1-Blocker und einem PDE5I. In zwei Studien wurde Sildenafil (Viagra®, Revatio® und Generika), in vier Studien Tadalafil (Cialis®, Adcirca®) und in einer Studie Vardenafil angewendet. Im Vergleich zu den Monotherapien mit Alpha1-Blockern verbesserten sich unter den jeweiligen Kombinationen signifikant die IPSS-Werte, die Werte auf dem Index of Erectile Function (IIEF) und die Qmax. Alpha-1-Blocker/Phytotherapie: Der Nutzen von Sägepalmenextrakten (Serena repens, SeR) zur Behandlung von LUTS ist umstritten. In einer Studie wurde die Wirksamkeit von SeR/Tamsulosin und einer Tamsulosinmonotherapie bei Männern mit symptomatischer BPH verglichen. Nach 12 Monaten hatte sich der IPSS-Wert in beiden Gruppen vergleichbar verringert. Die Speichersymptome besserten sich unter der Kombination signifikant im Vergleich zur Monotherapie. Im Hinblick auf LUTS-QoL, Qmax, PVR, PSA und PV zeigten sich dagegen keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen.
keit, des Harndrangs und der UUI (urge urinary inconti-
nence) im Vergleich zur Solifenacinmonotherapie.
Antimuskarinika/Antimuskarinika: In einer Studie, die eben-
falls bereits im Abschnitt «Kombinationen für Männer» vor-
gestellt wurde, war eine Kombination von niedrig dosiertem
Solifenacin/Trospium (5 mg/Tag, 15 mg/Tag) bei 98 älteren
OAB-Patientinnen mit günstigen urodynamischen Effekten
im Hinblick auf das Reflexvolumen, die Blasenkapazität und
die Detrusor-Compliance verbunden. Des Weiteren bewirkte
die Kombination eine Abnahme der Miktionshäufigkeit und
der Drangepisoden.
Antimuskarinikum/Gabapentinoid: Die Wirksamkeit der
Kombination Pregabalin/retardiertes Tolterodin wurde in
einer Studie bei Frauen mit idiopathischer OAB mit den je-
weiligen Monotherapien verglichen. Die Patientinnen erhiel-
ten Pregabalin/Tolterodin in Standarddosierung (150 mg
2-mal täglich, 4 mg 1-mal täglich), Pregabalin/Tolterodin in
niedriger Dosierung (75 mg 2-mal täglich, 2 mg 1-mal täg-
lich), Pregabalin allein (150 mg 2-mal täglich), Tolterodin
(4 mg/Tag) oder Plazebo. Die Veränderung der MVV (primä-
rer Endpunkt) war unter der Kombination in Standarddosie-
rung signifikant ausgeprägter als unter der Tolterodinmono-
therapie.
Antimuskarinikum/Alpha-1-Blocker: Unter der Kombina-
tion Tamsulosin/Tolterodin zeigten sich in einer Studie bei
Frauen mit verminderter Qmax und Verdacht auf eine funktio-
nelle Blasenauslassobstruktion (bladder outlet obstruction,
BOO) im Vergleich zu Tamsulosin allein keine signifikanten
Unterschiede bezüglich des IPSS-QoL-Scores (primärer End-
punkt) sowie von Qmax und PVR (sekundäre Endpunkte).
Nach Ansicht der Review-Autoren könnte die Dosierung von
Tamsulosin (0,2 mg/Tag) zu diesem wenig aussagekräftigen
Ergebnis beigetragen haben.
Antimuskarinikum/Östrogen: In zwei Studien wurde die
Kombination Antimuskarinikum/vaginale Östrogencreme
bei postmenopausalen Frauen mit Detrusorüberaktivität
untersucht. In einer Studie zeigte sich zwischen Tolterodin
allein und Tolterodin/Östrogencreme kein signifikanter
Unterschied zwischen beiden Gruppen. In der anderen Studie
wurden dagegen signifikante Unterschiede im Hinblick auf
verschiedene Endpunkte beobachtet. Zur Klärung der Wirk-
samkeit sind daher weitere Studien erforderlich.
Östrogen/Progestin: In einer Studie untersuchten Wissen-
schaftler bei 27 347 gesunden postmenopausalen Frauen die
Wirksamkeit einer Hormontherapie bezüglich der Inzidenz
und der Schwere von Stress-, Drang- und gemischter Inkon-
tinenz. Die Frauen erhielten Östrogen allein, Östrogen/Pro-
gestin oder Plazebo. Nach einem Behandlungsjahr war es
unter den Hormontherapien zu einer erhöhten Inzidenz aller
Formen der Urininkontinenz bei zuvor nicht inkontinenten
Frauen gekommen. Bei Frauen, die bereits zu Behandlungs-
beginn unter Urininkontinenz gelitten hatten, verstärkten
sich die Beschwerden.
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Kombinationen für Frauen
Antimuskarinika/Beta-3-Agonisten: Die Ergebnisse der acht Studien zu diesen Kombinationen wurden bereits im Abschnitt «Kombinationen für Männer» erläutert. Auch bei Frauen bewirkte Solifenacin/Mirabegron eine signifikante Verbesserung von OAB-Symptomen wie der Miktionshäufig-
Petra Stölting
Quelle: Serati M et al.: Systematic review of combination drug therapy for non-neurogenic lower urinary tract symptoms. Eur Urol 2018, 75(1): 129–168.
Interessenlage: Die Autoren des referierten Reviews erklären, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
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