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BERICHT
Asthma und COPD
Therapieupdate für den Hausarzt
Patienten mit obstruktiven Atembeschwerden können an Asthma oder COPD erkrankt sein. Je nach Erkrankung ist die Therapie unterschiedlich. Während bei Asthma der Zusatz von Steroiden helfen kann, ist er bei COPD gemäss den neuen schweizerischen Guidelines nicht empfohlen. Dr. Albrecht Breitenbücher vom Kantonsspital Baselland, Bruderholz, gab am klinischen Fortbildungstag einen Überblick über die jeweilige Behandlung.
Erster Schritt zur Abgrenzung von COPD und Asthma nach der Anamnese ist der Lungenfunktionstest. Dieser zeigt das Ausmass der Obstruktion und deren Reversibilität an. Liegt der Tiffenau-Quotient (FEV1/FVK) unter 70 Prozent, handelt es sich um eine Obstruktion. Deren Schweregrad wird mittels FEV1-Wert bestimmt (> 70–80% leicht; 50–70% mittelschwer; 30–50% schwer; < 30% sehr schwer). Eine partielle Reversibilität weist auf ein Asthma hin, eine chronische Obstruktion auf eine COPD (Tabelle 1). Lässt sich aufgrund der Vorgeschichte ein asthmatisches Geschehen vermuten, empfiehlt Breitenbücher zur weiteren Abklärung die Bestimmung der Eosinophilen und die Durchführung eines Multi-RAST-Testes zum Screening auf häufige Luftallergene (SX1, Phadiatop®). Eine Eosinophilie würde das Vorliegen eines Asthmas unterstützen, das Ansprechen auf eine Behandlung mit topischen Steroiden wahrscheinlich machen und wäre ein Indikator für ein instabiles, ungenügend behandeltes Asthma mit erhöhtem Exazerbationsrisiko. Allerdings findet sich nicht bei allen Asthmatikern eine Eosinophilie; dennoch ist ein entsprechender Behandlungsversuch indiziert, falls die übrigen Befunde für ein Asthma sprechen. Die Relevanz der allergologischen Befunde muss mit der Klinik zusammen beurteilt werden. Bei einer Hausstaubmilbenallergie wäre eine Expositionsprophylaxe mittels Encasing der Matratzen und des Bettzeugs mit milbendichten Überzügen zu überlegen. Obwohl es sich dabei erfahrungsgemäss um eine nützliche Massnahme handelt, ist die wissenschaftliche Grundlage dünn, so dass die Übernahme durch die Krankenkassen nicht garantiert ist. Möglichkeiten bei der Asthmatherapie Die Asthmabehandlung ist eine Eskalationstherapie, die stufenweise verläuft und sich an den Beschwerden, verursacht durch die Erkrankung, orientiert. Begonnen wird mit kurz wirksamen Betamimetika (Stufe 1) gemäss den GINA-Guidelines 2018 (2), dann kommen stufenweise Medikamente hinzu: ein niedrig dosiertes inhalatives Kortikosteroid (ICS) (Stufe 2), ein lang wirksames Betamimetikum (LABA) plus eventuell eine Immuntherapie bei Milbenallergie (Stufe 3), ein mittel- bis hoch dosiertes ICS plus LABA plus Tiotropium (Stufe 4), ein hoch dosiertes ICS plus LABA plus Tiotropium plus zusätzlich humanisierte monoklonale Antikörper (Omalizumab [Anti-IgE], Mepolizumab [Anti-IL-5], Benralizumab [Anti-IL-5-Ra]) oder orale Kortikosteroide. Mit SMART (single inhaler maintenance and reliever therapy) lassen sich diese Stufen einfach eskalieren, wobei das gleiche Kombinationspräparat für die Basis und die Notfallbehandlung verwendet wird. Voraussetzung ist dabei, dass die LABA-Komponente relativ tief dosiert und rasch wirksam ist (z.B. Budenosid/Formoterol [Symbicort®] oder Fluticason/Formoterol [Flutiform®]). Bei leichtem, persistierendem Asthma erfolgt die Behandlung nach Bedarf 1 × 1–2 Hübe), bei mittelschwerem (2 × 2 Hübe) bis schwerem Asthma (4 × 2 Hübe) wird die Dosis entsprechend ange- Tabelle 1: Differenzialdiagnose Asthma und COPD Asthma Alter bei Beginn Anamnese Immunologie Pathologie Symptome Lungenfunktion FeNO* Kindheit/Erwachsenenalter Familienanamnese, allergische Rhinitis, Ekzem Th2-Zytokine (IL-4, -5, -13), Eosinophilie, IgE↑, Mastzelldegranulation, Histamin, Prostaglandine, Leukotriene mittelgrosse Bronchien, Muskelhypertrophie, -konstriktion, zäher Schleim Variabilität von Tag zu Tag, häufig nachts partielle Reversibilität, bronchiale Hyperreaktivität erhöht * FeNo: fraktioniertes exhaliertes Stickstoffmonoxid (NO) COPD mittleres Erwachsenenalter Rauchen, andere Noxen Neutrophile, Tc1-Zellen, Proteasen, TGF-β kleine Bronchien, Becherzellhyperplasie, peribronchiale Fibrose, Emphysem langsam progredient chronische Obstruktion tief (Quellen: Dr. A. Breitenbücher, KLIFO 2018 und [1]) 24 ARS MEDICI 1+2 | 2019 Anzeige Boehringer Spiolto 25 BERICHT Gruppe C LAMA + LABA LAMA + ICS weitere Exazerbation(en) LAMA Gruppe D evtl. Roflumilast bei FEV1 prädiktiv < 50% und chronischer Bronchitis evtl. Makrolid (bei Ex-Rauchern) weitere Exazerbation(en) LAMA + LABA + ICS weitere Exazerbation(en) LAMA LAMA + LABA persistierende Symptome/weitere Exazerbationen LAMA + ICS Gruppe A Bronchodilatator fortsetzen, beenden oder alternative Bronchodilatatorklasse Gruppe B LAMA + LABA Beurteilung der Wirksamkeit ein Bronchodilatator persistierende Symptome lang wirksamer Bronchodilatator (LABA oder LAMA) bevorzugte Behandlung = Abbildung: Pharmakologischer Behandlungsalgorithmus gemäss GOLD-Guidelines (Quelle: mod. nach [5]) passt. Die Handhabung sei für Patienten einfach, und es würden längerfristig Steroide eingespart, so Breitenbücher. Wenn sich die Symptome nur schwer kontrollieren lassen, müssen verschiedene Faktoren überprüft werden: Inhalationstechnik, Compliance, Rauchen sowie Allergene. Möglicherweise erschweren auch Komorbiditäten wie beispielsweise eine chronische Rhinosinusitis, Infekte, Bronchiektasen oder eine gastroösophageale Refluxerkrankung die Symptomkontrolle. Bei schwerem eosinophilem Asthma ist der Anti-IL-5-Antikörper (Mepolizumab) eine steroidsparende Option. In der MENSA-Studie konnte das Biologikum bei Patienten mit im Durchschnitt 3 bis 4 Exazerbationen pro Jahr die Anfälle zwischen 47 und 53 Prozent je nach Applikationsweg gegenüber der Plazebotherapie reduzieren. Die Nebenwirkungen befanden sich auf Plazeboniveau (3). Relativ neu ist auch Benralizumab, das sich gegen den IL-5-Rezeptor richtet und so die Eosinophilen zum Verschwinden bringt. Vorgehen bei COPD Entspricht die Symptomatik des Patienten einer COPD, wird diese gemäss den GOLD-Guidelines anhand des FEV1 mit Obstruktionsgraden GOLD 1 bis 4 und anhand der Symptomschweregruppen A bis D unter Berücksichtigung der Exazerbationshäufigkeit charakterisiert. Die Erfragung der Symptomatik erfolgt mit dem CAT (COPD Assessment Test), mit dem Hustenhäufigkeit und Symptomschwere bei Anstrengung abgefragt werden, und der mMRC (modified Medical Research Counsil Dyspnea Scale), die eine Skalierung der Atemnot erlaubt. Die damit erreichte Punktzahl ergibt die Einteilung in die Symptomgruppen A bis D, was die Grundlage für die Behandlungsstrategie festlegt, die in der neuen schweizerischen Guideline wie folgt lautet (4): Die Symptomgruppe A zeigt wenig Symptome und maximal eine Exazerbation pro Jahr, die aber nicht zur Hospitalisation führt. Diese Gruppe wird mit einem Bronchodilatator behandelt. Bei allen anderen Gruppen ist von Beginn an ein lang 26 ARS MEDICI 1+2 | 2019 Anzeige IBSA Solmucol 27 BERICHT Tabelle 2: Lang wirksame Bronchodilatatoren bei COPD Klasse Präparat ultralang wirksames LABA ultralang wirksames LAMA ultralang wirksame LABA/LAMA-Kombination ultralang wirksame LABA/LAMAKombination plus Kortikosteroid Indacaterol (Onbrez®) Tiotropium (Spiriva®) Glycopyrronium (Seebri®) Indacaterol/ Glycopyrronium (Ultibro®) Vilanterol/Umeclidinium (Anoro® Ellipta®) Olodaterol/Tiotropium (Spiolto Respimat®) Fluticason, Umeclidinium, Vilanterol (Trelegy Ellipta®) (Quellen: Dr. A. Breitenbücher, KLIFO 2018; swissmedicinfo.ch) Dosierung 1 x 150–300 µg 1 x 18 µg 1 x 50 µg 1 x 110/50 µg 1 x 22/55 µg 2,5/2,5 µg; 2 Hübe 1 x 92/55/22 µg; 1 Hub wirksames Anticholinergikum (LAMA) und, bei ungenügendem Effekt, eine Kombination eines LAMA/LABA empfohlen. Erst bei weiteren Exazerbationen kommen als zusätzliche Massnahmen ein ICS, allenfalls auch nach fachärztlichem Konsilium Roflumilast oder Makrolidantibiotika (4) infrage (Abbildung). Die Indikation für ein ICS bei der stabilen COPD wird zunehmend kritisch beurteilt (6). Die Guidelines geben bei stabiler COPD der Kombination aus LAMA/LABA den Vorzug gegenüber LABA/ICS, weil in der FLAME-Studie zu beobachten war, dass die LAMA/ICS-Kombination in Bezug auf die Exazerbationsreduktion der LAMA/LABA-Kombination unterlegen und die Pneumonierate unter ICS höher war (7). Bei der Wahl des lang wirksamen LABA/LAMA-Kombinationspräparates (Tabelle 2) sollten Patientenpräferenzen bezüglich der Handhabung berücksichtigt werden, entscheide doch die Qualität der Handhabung über den Erfolg der Therapie, so Breitenbücher. Mittlerweile zugelassen ist eine Dreifachkombination (LAMA/ LABA/ICS), die jedoch nicht zu einem generellen Einsatz bei der COPD verleiten sollte. In der erst kürzlich publizierten IMPACT-Studie hatten Patienten mit der Triple-Kombination zwar weniger Exazerbationen als unter LAMA/LABA, jedoch war ein gleichzeitiges Asthma kein Ausschlussgrund (8). Die bessere Ansprechrate auf die ICS-Kombination ist somit wahrscheinlich auf die Asthmatiker unter den Teilnehmern zurückzuführen. Die Nebenwirkungen der ICS sollten dabei gemäss Breitenbücher im Auge behalten werden, wie beispielsweise vermehrte Pneumonien, Mykobakteriosen, Candidiasis, Dysphonie, Hautblutungen oder Osteoporose. Zusätzliche ICS sollten speziellen Patientengruppen vorbe- KURZ & BÜNDIG Bei Asthma primär ICS und LABA. Aggravierende Faktoren und Komorbiditäten behandeln. Bei COPD stehen Bronchodilatatoren im Vordergrund. Topische Steroide bei COPD-Patienten nur bei Asthma- COPD-Overlap-Syndrom oder gehäuften Exazerbationen. halten werden, wie beispielsweise COPD-Patienten, die unter LAMA/LABA immer noch gehäufte Exazerbationen aufweisen, oder solchen, mit einem Asthma-COPD-OverlapSyndrom. Daran sollte gedacht werden, wenn sich die Beschwerden und Exazerbationen durch Bronchodilatatoren nur ungenügend beeinflussen lassen, ebenso bei früherem Asthma oder familärer Belastung, Allergien, deutlich reversibler Atemwegsobstruktion, Eosinophilie und erhöhtem Stickoxid in der Ausatemluft (FeNO), so der Rat von Breitenbücher. Parallele präventive Massnahmen Begleitend können bei COPD-Patienten präventive Mass- nahmen ergriffen werden. Allen voran ist Hilfe zum Rauch- stopp empfohlen. Etwa 43 Prozent der wegen COPD-Exa- zerbationen hospitalisierten Patienten in der Schweiz sind Raucher (4). Zu Impfungen gegen Influenza und Pneumo- kokken (13-valenter konjugierter Impfstoff) sollte den Pa- tienten ebenfalls geraten werden. Eine zusätzliche Behand- lung mit Mukolytika und Antioxidanzien kann gemäss randomisierter Studien die Exazerbationsfrequenz weiter reduzieren, wobei eine ausreichende Dosierung erforderlich ist (N-Acetyl-Cystein 2 × 600 mg/Tag) (9). Ebenfalls als Add- on-Therapie empfehlen die neuen Guidelines das Phytothera- peutikum Pelargonium sidoides (EPs 7630, Kaloba®, 3 × 30 Tropfen/Tag), das gemäss einer randomisierten Studie über 24 Wochen die Zeit bis zur nächsten Exazerbation signifikant verlängerte und deren Anzahl verminderte (10). Eine weitere Option bei gehäuften Infektexazerbationen ist eine Immun- modulation mit dem Bakterienlyophilisat (OM-85 BV, Bron- chovaxom®). Die Daten dazu sind zwar widersprüchlich, dennoch sei es einen Versuch wert, so Breitenbücher ab- schliessend. L Valérie Herzog Quelle: «Update Therapie Asthma und COPD 2018», Klinischer Fortbildungstag (KLIFO), 6. September in Bruderholz. Literatur in der Onlineversion unter www.arsmedici.ch 28 ARS MEDICI 1+2 | 2019 Referenzen: 1. Rothe T et al.: Diagnosis and Management of Asthma – The Swiss Guidelines. Respiration 2018; 95: 364–380. 2. Global Initiative for Asthma 2018. www.ginaasthma.org 3. Ortega HG et al.: Mepolizumab treatment in patients with severe eosi- nophilic asthma. N Engl J Med 2014; 37: 1198–1207. 4. Stolz D et al.: Diagnosis, Prevention and Treatment of Stable COPD and Acute Exacerbations of COPD: The Swiss Recommendations 2018. Respiration 2018; 96: 382–398. 5. Vogelmeier C et al: Global Strategy for the Diagnosis, Management, and Prevention of Chronic Obstructive Lung Disease 2017 Report: GOLD Executive Summary. Eur Respir J 2017; 49: 1700214. 6. Ernst P et al: Inhaled corticosteroids in COPD: the clinical evidence. Eur Respir J 2015; 45: 525–537 7. Wedzicha JA et al.: Indacaterol-glycopyrronium versus salmeterol-fluticasone for COPD. N Engl J Med 2016; 374: 2222–2234. 8. Lipson DA et al.: Once-daily single-inhaler triple versus dual therapy in patients with COPD. New Eng J Med 2018; 378: 1671–1680. 9. Cazzola M et al: Impact of mucolytic agents on COPD exacerbations: a pair-wise and network metaanlysis. COPD: Journal of Chronic Obstructive Pulmonary Disease 2017; 14(5): 552–563. 10. Matthys H et al.: Randomised, double-blind, placebo-controlled trial of EPs 7630 in adults with COPD. Respir Med 2013; 107: 691–701. BERICHT ARS MEDICI 1+2 | 2019 29