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FORTBILDUNG
Diagnostik und Management der rheumatoiden Arthritis
Empfehlungen der NICE-Guidelines 2018
In einem Übersichtsartikel haben britische Wissenschaftler die aktualisierte Richtlinie des National Institute for Health and Care Excellence (NICE) zur Diagnose und zum Management der rheumatoiden Arthritis bei Erwachsenen zusammengefasst. Die Empfehlungen richten sich an Nichtspezialisten wie den Hausarzt, die in die Erstevaluierung rheumatischer Symptome und die Versorgung von Patienten mit diagnostizierter rheumatoider Arthritis involviert sind.
British Medical Journal
Bei der rheumatoiden Arthritis (RA) handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, die durch eine Synovitis der kleinen und grossen Gelenke gekennzeichnet ist. Infolge des Entzündungsgeschehens kommt es zu Schwellungen, Steifheit, Schmerzen und einer progressiven Zerstörung der Gelenke. Frauen erkranken durchschnittlich dreimal häufiger als Männer. Meist entwickelt sich die Erkrankung im Alter zwischen 40 und 60 Jahren, sie kann aber auch in jedem anderen Lebensalter auftreten.
Rasche Überweisung zum Rheumatologen
Häufig gehen Patienten mit den ersten Anzeichen der Erkrankung zum Hausarzt. Von dort sollte jeder Erwachsene, bei dem eine persistierende Synovitis unbekannter Ursache vermutet wird, zum Rheumatologen überwiesen werden. Wenn die kleinen Gelenke der Hände oder der Füsse oder mehr als ein Gelenk betroffen sind oder wenn zwischen dem Beginn
MERKSÄTZE
Als Behandlungsziel wird die Remission oder eine geringe Krankheitsaktivität angestrebt.
Die Behandlung wird mit einer DMARD-Monotherapie begonnen.
Die Dosis wird erhöht, bevor die Zugabe eines weiteren DMARD in Betracht gezogen wird.
Bei Beginn mit einem neuen konventionellen synthetischen DMARD wird ein kurzfristiges Bridging mit Glukokortikoiden erwogen.
Zur Kontrolle von Schmerzen und Steifheit können NSAR angewendet werden.
NSAR sollten in der niedrigsten wirksamen Dosis über den kürzestmöglichen Zeitraum unter gleichzeitiger Gabe eines PPI angewendet werden.
der Symptome und dem Aufsuchen des Arztes mehr als drei Monate liegen, ist eine möglichst kurzfristige Überweisung erforderlich. Dies gilt auch bei negativem Rheumafaktortest. Die rasche Überweisung an den Rheumatologen ist von grosser Bedeutung, um frühzeitig eine Remission zu erreichen und so potenzielle Behinderungen zu vermeiden.
Untersuchungen beim Hausarzt
Bei Verdacht auf eine RA-bedingte Synovitis kann der Hausarzt eine Bestimmung des Rheumafaktors und/oder des Antikörpers von Anti-CCP(zyklisches zitrulliniertes Peptid) im Serum veranlassen. Die Überweisung zum Rheumatologen sollte nicht hinausgezögert werden, bis die Testergebnisse beim Hausarzt vorliegen. Des Weiteren raten die Leitlinienexperten zu einer frühzeitigen Röntgenuntersuchung der Hände und Füsse. Bei positivem CCP-Antikörper-Test oder sichtbaren Erosionen im Röntgenbild besteht ein erhöhtes Risiko für eine radiologische Progression. Die betroffenen Patienten sollten angewiesen werden, bei jeder Verschlimmerung ihrer Symptome rasch den Rheumatologen aufzusuchen.
Treat-to-target-Strategie
Die Krankheitsaktivität wird mit Instrumenten wie dem Disease Activity Score 28 (DAS28) evaluiert. Dieser enthält eine Erfassung der Anzahl druckempfindlicher und geschwollener Gelenke und eine Evaluierung der Schmerzen sowie eine Bestimmung der Serumwerte eines Entzündungsbiomarkers wie der Erythrozytensedimentationsrate oder des C-reaktiven Proteins (CRP). Als Behandlungsziel wird eine Remission oder – falls dies nicht möglich ist – eine geringe Krankheitsaktivität angestrebt (treat to target). Entsprechend dem DAS28 liegt bei Punktwerten < 2,6 eine Remission und bei Werten ≤ 3,2 eine geringe Krankheitsaktivität vor. Bei Personen mit erhöhtem Risiko für eine radiologische Progression ist eher eine Remission als eine geringe Krankheitsaktivität anzustreben. Bis das Behandlungsziel erreicht ist, werden CRP-Wert und Krankheitsaktivität monatlich überprüft.
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FORTBILDUNG
Pharmakotherapie
Das initiale medikamentöse Management wird vom Rheumatologen eingeleitet. Zur Behandlung stehen konventionelle synthetische DMARD (disease modifying antirheumatic drugs = krankheitsmodifizierende Medikamente), gezielte synthetische DMARD wie Januskinasehemmer und biologische DMARD zur Verfügung. Die beiden Letzteren sind nicht Gegenstand dieser Richtlinie. Für Erwachsene mit neu diagnostizierter RA gilt eine Monotherapie mit konventionellen DMARD wie oralem Methotrexat (z.B. Methotrexat® Pfizer), Leflunomid (Arava® und Generika) oder Sulfasalazin (Salazopyrin®) als Option der ersten Wahl. Mit der Behandlung sollte so schnell wie möglich – und idealerweise innerhalb von 3 Monaten nach Beginn der persistierenden Symptomatik – begonnen werden. Bei palindromer Erkrankung kann Hydroxychloroquin (Plaquenil® und Generika) zur Erstbehandlung als Alternative in Betracht gezogen werden. Die DMARD-Dosis wird unter Berücksichtigung der Verträglichkeit gesteigert. Kann das Behandlungsziel trotz Dosiseskalation nicht erreicht werden, wird im Rahmen einer Step-up-Strategie ein weiteres konventionelles DMARD (orales Methotrexat, Leflunomid, Sulfasalazin oder Hydroxychloroquin) hinzugefügt. Nach Ansicht des NICE sollten die Wirksamkeit von oralem und subkutanem Methotrexat (z.B. Metoject®) bei RA in Studien überprüft werden, da die subkutane Darreichungsform möglicherweise weniger Nebenwirkungen mit sich bringt. Bei Beginn mit einem neuen konventionellen synthetischen DMARD raten die Experten zu einem kurzfristigen Bridging mit Glukokortikoiden (oral, intramuskulär oder intraartikulär). Bleibt das Behandlungsziel (Remission oder geringe Krankheitsaktivität) mindestens ein Jahr lang ohne Glukokortikoide erhalten, kann eine vorsichtige Reduktion der Medikamentendosis oder ein Absetzen in abgestufter Vorgehensweise in Betracht gezogen werden. Bei einer Verschlechterung der Symptome wird unverzüglich zum vorherigen DMARDRegime zurückgekehrt.
Monitoring
Im Rahmen der Dauerbehandlung ist sicherzustellen, dass
alle RA-Patienten bei Schüben einen schnellen Zugang zum
Rheumatologen haben und dass eine regelmässige Überprü-
fung der Medikamente vorgenommen wird. Nach Erreichen
des Behandlungsziels wird alle sechs Monate kontrolliert, ob
es noch eingehalten wird.
Die NICE-Experten weisen darauf hin, dass Ultraschall-
untersuchungen zur Routineüberprüfung der Krankheits-
aktivität bei Erwachsenen mit RA nicht geeignet sind. Sie
könnten jedoch von Nutzen sein, wenn die klinische Unter-
suchung kein eindeutiges Ergebnis liefert oder das Ergebnis
nicht mit anderen Anzeichen der Krankheitsaktivität
(Schmerzen oder Entzündungsmarker) übereinstimmt. Diese
Vorgehensweise sollte nach Ansicht der Experten in Studien
untersucht werden.
L
Petra Stölting
Quelle: Allen A et al.: Diagnosis and management of rheumatoid arthritis in adults: summary of updated NICE guidance. BMJ 2018; 362: k3015 doi: 10.1136/bmj.k3015.
Interessenlage: Einer der drei Autoren der referierten Studie hat Honorare von Sanofi und von Pfizer erhalten.
Symptomkontrolle
Die Symptomkontrolle erfolgt im Rahmen der Primär- und der Sekundärversorgung. Die Kontrolle der Synovitis mit konventionellen synthetischen DMARD und Kortikosteroiden verbessert zwar die RA-Symptomatik, bei manchen Patienten sind jedoch trotzdem Analgetika erforderlich. Die Wirksamkeit von Paracetamol (z.B. Panadol®), Opioiden und trizyklischen Antidepressiva bei rheumatoider Arthritis ist nach Ansicht der Leitlinienexperten nicht überzeugend evidenzbelegt. Deshalb wurde die Empfehlung «andere Analgetika» in der aktualisierten Fassung durch die ausschliessliche Empfehlung nicht steroidaler Antirheumatika (NSAR) zur Kontrolle von Schmerzen und Steifheit ersetzt. Bei der Anwendung von NSAR (traditionelle NSAR und selektive Cyclooxygenase-[COX-]2-Hemmer) sind potenzielle gastrointestinale, kardiorenale und hepatische Toxizitäten sowie Risikofaktoren des Patienten wie Alter oder Schwangerschaft zu berücksichtigen. Zudem sollte die niedrigste wirksame Dosis über den kürzestmöglichen Zeitraum gegeben und gleichzeitig ein Protonenpumpeninhibitor (PPI) angeboten werden.
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