Transkript
Highlights vom europäischen Gastroenterologenkongress
BERICHT
Am Jahreskongress der United European Gastroenterology (UEG Week) trafen sich 14 000 Delegierte aus 114 Ländern. Über 3700 Abstracts wurden angenommen und 194 Sessions abgehalten. Aus dem vielfältigen Programm haben wir erst einmal ein paar Highlights herausgepickt, im später erscheinenden Heft «CongressSelection» wird dieser Kongress dann ausführlicher besprochen.
M. Crohn: Klinische Remission mit Cannabisöl
Für Patienten mit Morbus Crohn scheint sich eine neue The-
rapieoption zu eröffnen. Hanföl dient schon seit Längerem
der Symptomlinderung bei etlichen Erkrankungen wie zum
Beispiel Morbus Crohn. Eine neue israelische Studie zeigte
nun bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer
M.-Crohn-Erkrankung, dass Hanföl eine klinische Remis-
sion bewirken kann, dies erstaunlicherweise ohne Einfluss
auf die zugrunde liegende Entzündung zu nehmen.
46 Studienteilnehmer bekamen randomisiert während 8 Wo-
chen entweder Plazebo oder Hanföl, das 15 Prozent Canna-
bidiol und 4 Prozent Tetrahydrocannabinol enthielt. Studien-
endpunkte waren Symptomstärke, Lebensqualität und die
Entzündung, die endoskopisch wie auch mittels Entzün-
dungsmarkern in Blut und Stuhlproben gemessen wurde.
Nach Studienende zeigte die Hanfölgruppe eine signifikante
Remission ihrer M.-Crohn-Symptome. 65 Prozent von ihnen
erreichten gar die strengen Kriterien für eine klinische Remis-
sion, in der Plazebogruppe war dies bei 35 Prozent der Fall.
Zudem stieg unter Hanföl die Lebensqualität im Vergleich zu
Plazebo signifikant an. Entgegen aller Erwartungen waren in
der Hanfölgruppe jedoch weder eine signifikante endosko-
pische Verbesserung noch eine Verbesserung bei den
Entzündungsmarkern zu beobachten.
«Wir wissen, dass Cannabinoide antientzündliche Eigen-
schaften haben können. Die Symptomverbesserung in dieser
Studie scheint jedoch nichts mit diesen antientzündlichen
Eigenschaften zu tun zu haben», so Studienleiterin Timna
Naftali, Tel Aviv (ISR). Die Forschergruppe plant nun weitere
Untersuchungen zur Wirkung auf das endocannabinoide
System.
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Quelle: «IDB Clinical trials I», United European Gastroenterology Week (UEGW) 2018, 21. bis 24. Oktober in Wien.
1. Naftali T et al.: Cannabis induces clinical response but no endoscopic response in Crohn’s disease patients. Presented at UEG Week Wien 2018. OP 196.
Mikroplastik auch in Stuhlproben zu finden
Nicht nur die Fische haben in verschmutzten Meeren mit
Plastik zu kämpfen. Das verbreitete Verpackungsmaterial
scheint sich in der Nahrungskette nun auch Zugang zum menschlichen Körper verschafft zu haben. Das zeigten Stuhlproben, in denen Kunststoffe wie Polypropylen (PP) und Polyethylenterephtalat (PET) gefunden wurden. Forscher der Medizinischen Universität Wien haben zusammen mit dem Bundesumweltamt in einer Pilotstudie bei 8 Personen aus verschiedenen Ländern mit und ohne Meeranstoss (Finnland, Italien, Japan, Holland, Grossbritannien, Polen, Österreich, Russland) Stuhlproben entnommen und auf Spuren von Mikroplastik hin untersucht. Alle 8 Teilnehmer zeichneten in der Woche vor der Stuhlentnahme auf, was sie gegessen hatten. Die Aufzeichnungen zeigten, dass alle mit Plastik in Berührung gekommen waren, entweder durch Lebensmittelverpackungen oder PET-Flaschen. Keiner der Teilnehmer war Vegetarier, und sechs von ihnen assen auch Fisch. Die Stuhlproben wurden auf 10 verschiedene Plastikarten getestet. Dabei handelt es sich um Plastikarten, die für Flaschen, Taschen, Einweggeschirr, Autobestandteile, Kabel, Elektronik, Röhren, Farbanstriche oder Lacke verwendet werden. Bis auf eine Sorte wurden 9 Sorten (3–7/Stuhlprobe) in Partikelgrössen zwischen 50 und 500 µm in den Stuhlproben gefunden, wobei PP und PET den grössten Anteil ausmachten. Im Durchschnitt fanden die Forscher 20 Mikroplastikpartikel pro 10 g Stuhl. Die Studie sei zwar klein, so Studienleiter Dr. Philipp Schwabl, doch 8 von 8 positiven Proben von Menschen aus den verschiedensten Ecken der Welt hätten doch eine starke Aussagekraft (100%). Der Konfidenzintervall betrüge 68 bis 100 Prozent, wenn man dies auf grössere Kohorten umlege. Mikroplastik hat eine Partikelgrösse von weniger als 5 mm. Mikroplastikpartikel würden während der Passage durch den Gastrointestinaltrakt zwar nicht resorbiert, doch könnten dem Kunststoff beigemischte Additive auf diesem Weg durchaus in den Dünndarm aufgenommen werden, berichtet Schwabl. Mikroplastik kann nicht nur durch Verzehr von Fisch und Krustentieren in den menschlichen Körper gelangen, er findet seinen Weg zum Beispiel auch durch Abrasion von Verpackungsmaterial wie beispielweise durch Aufschrauben einer PET-Flasche oder Abnützung der Lebensmittelverpackungen in den Körper.
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Fotos: vh
Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen könnten
auf Mikropartikel besonders empfindlich reagieren. Weitere
Untersuchungen zu dieser und weiteren Fragestellungen
seien geplant, so Schwabl abschliessend.
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Quelle: «An upper GI melange», United European Gastroenterology Week (UEGW) 2018, 21. bis 24. Oktober in Wien.
1. Schwabl P et al.: Assessment of microplastic concentrations in human stool – preliminary results of a prospective study. Presented at UEG Week Wien 2018. OP 317.
Kolorektalkarzinome auch bei jungen Erwachsenen ansteigend
Als Erkrankung der über 50-Jährigen bekannt, sind Kolorektalkarzinome die zweithäufigste Tumorart. Etwa 500 000 neue Fälle treten jährlich auf. Nun hat eine Analyse von Registerdaten der letzten 25 Jahre von 20 europäischen Ländern gezeigt, dass die Inzidenz dieser Krebserkrankungen auch bereits bei jungen Erwachsenen zwischen 20 und 39 Jahren jährlich um 6 Prozent steigt. Beim Kolonkarzinom stieg die Inzidenz zwischen 1990 und 2008 um jährlich 1,5 Prozent, zwischen 2006 und 2016 gar um 7,4 Prozent pro Jahr. Der Anstieg der Inzidenzrate beim Rektalkarzinom betrug zwischen 1990 und 2016 jährlich 1,8 Prozent. Bei Erwachsenen zwischen 40 und 49 Jahren stieg die Inzidenz bei Kolorektalkarzinomen ebenfalls, aber nur um 1,4 Prozent jährlich.
Der Grund für diesen Aufwärtstrend bei Jüngeren ist nicht bekannt. Möglicherweise spielen aber ein sitzender Lebensstil, Übergewicht und schlechte Ernährung eine Rolle – alles bekannte Risikofaktoren für die Entstehung von Kolorektaltumoren. Trotz der Tatsache, dass ein Screening bei über 50-Jährigen das Mortalitätsrisiko senken kann, halten die Autoren ein Screening bei jungen Erwachsenen jedoch nicht für angebracht, so Dr. Fanny Vuik, Erasmus University Medical Center, Rottderdam (NL). Die Inzidenz sei zwar bei den 20- bis 29-Jährigen am stärksten gestiegen, doch seien die absoluten Zahlen klein. Wichtig sei es jedoch, die Patienten mit hohem Risiko zu identifizieren und diese abzuklären. Ein Kolorektalkarzinom, das in jungen Jahren seinen Anfang nimmt, ist aggressiver und bei seiner Entdeckung im fünften Lebensjahrzehnt möglicherweise bereits weit fortgeschritten.
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Valérie Herzog
Quelle: «Increasing incidence of colorectal cancer in young adults in europe», United European Gastroenterology Week (UEGW) 2018, 21. bis 24. Oktober in Wien.
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