Transkript
FORTBILDUNG
Mit personalisierter Krebsimmuntherapie
Therapieresponse für eine halbe Million oder Geld zurück
Die Meldungen in der Tagespresse und an den Kongressen haben Hoffnungen auf einen Siegeszug gegen den Krebs geweckt. Mit CAR-T-Zelltherapeutika, einer neuartigen Krebsimmuntherapie, ist man diesem Ziel bei zwei Krebsindikationen mit sensationellen Remissionsraten schon sehr viel näher gekommen. Die Remission hat allerdings einen beachtlichen Preis.
Das Prinzip der CAR-T-Zelltherapie basiert auf der Gewinnung und der Modifizierung patienteneigener Immunzellen. Aus dem Blut des Patienten werden zytotoxische T-Zellen entnommen und gentechnisch so verändert, dass sie B-Zellen mit dem CD19-Antigen zerstören. Das Andocken gelingt durch die Fusionsproteine CAR (chimeric antigen receptor). Die so zu CAR-T-Zellen modifizierten eigenen T-Zellen werden dem Patienten reinfundiert. Zwei CAR-T-Zelltherapeutika, Tisagenlecleucel (Kymriah®) und Axicabtagen ciloleucel (Yescarta®), sind in den USA bereits im letzten Jahr zugelassen worden, seit Ende August nun auch von der europäischen Arzneimittelbehörde. Tisagenlecleucel ist bei pädiatrischen und jungen erwachsenen Patienten mit refraktärer oder rezidivierender B-Zell-ALL (akute lymphoblastische Leukämie) indiziert sowie bei Erwachsenen mit refraktärem oder rezidivierendem, diffusem grosszelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL) nach erfolgloser Chemotherapie. Axicabtagen ciloleucel ist bei Erwachsenen mit refraktärem oder rezidivierender DLBCL sowie bei primär mediastinalem grosszelligem B-Zell-Lymphom (PMBCL) nach erfolgloser Chemotherapie indiziert (1). Studien mit CAR-T-Zelltherapeutika bei anderen Tumorindikationen, auch soliden Tumoren, sind unterwegs (2). Die potenziellen Nebenwirkungen dieser CAR-T-Zelltherapien können schwer sein. So kann nach deren Applikation beispielsweise ein Zytokin-Release-Syndrom (CRS) auftreten, eine systemische Antwort auf die Aktivierung und Proliferation von CAR-T-Zellen, was zu hohem Fieber und grippeähnlichen Symptomen führen kann, und es kann zu neurologischen Dysfunktionen kommen. Beides kann lebensbedrohlich sein oder in bestimmten Fällen zum Tod führen. Daher beinhalten diese Therapien ein engmaschiges Monitoring. Tritt ein CRS auf, kann dieses mit Tocilizumab erfolgreich behandelt werden (1).
Resultate beeindrucken
Bei der Indikation B-Zell-ALL bei Kindern und jungen Erwachsenen erzielte eine Infusion Tisagenlecleucel eine Remissionsrate (overall remission rate) innerhalb von 3 Monaten von 81 Prozent. Nach 6 und 12 Monaten lag die ereignisfreie und Gesamtüberlebenszeit bei 73 und 90 Prozent beziehungsweise bei 50 und 76 Prozent. Bei 73 Prozent der Patienten trat ein Zytokin-Realease-Syndrom auf, 48 Prozent von ihnen erhielten Tocilizumab. 40 Prozent der Patienten wurden wegen neurologischer Probleme behandelt, Zerebralödeme traten nicht auf (3, 4).
Bei der Indikation DLBCL bei Erwachsenen erreichte Tisagenlecleucel eine objektive Ansprechrate (objective response rate; ORR) von 53 Prozent, mit einer kompletten Remissionsrate von 32 Prozent innerhalb der ersten 6 Monate (5). Unter der zweiten CAR-T-Zelltherapie erreichten Patienten mit therapierefraktären grosszelligen B-Zell-Lymphomen nach einer Infusion von Axicabtagen ciloleucel eine ORR von 82 Prozent, davon waren nach 15 Monaten 40 Prozent immer noch in Komplettremission. 13 Prozent der Patienten erlitten ein CRS, 28 Prozent neurologische Ereignisse, 3 Patienten starben während der Therapie (6).
Kostendiskussion vorprogrammiert
Die Therapie ist sehr teuer. Eine Infusion von Tisagenlecleu-
cel von Novartis kostet 475 000 US-Dollar, Axicabtagen
ciloleucel kostet 373 000 US-Dollar. Gemäss einem Bericht
in der «Neuen Zürcher Zeitung» soll die Modifikation der
T-Zellen allein über 100 000 Dollar kosten.
Im Fall von Tisagenlecleucel von Novartis ist ein neues Preis-
modell in Diskussion. Versicherungen müssten demnach nur
zahlen, wenn die Therapie anschlägt. Bei Axicabtagen cilo-
leucel gibt es kein Geld zurück (2).
In der Schweiz wird dieses Thema wohl auch bald aktuell
werden. Wie Novartis auf Anfrage bestätigte, wurde der An-
trag zur Zulassung von Tisagenlecleucel auch bei Swissmedic
eingereicht.
L
Valérie Herzog
Referenzen: 1. European Medicines Agency: Press release 29.6.2018. http://www.ema.
europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/news_and_events/news/2018/ 06/news_detail_002983.jsp&mid=WC0b01ac058004d5c1 2. Bach PB et al.: FDA approval of Tisagenleucel. Promise an complexities of a $475 000 Cancer drug. JAMA 2017; 318: 1861–1862. 3. FDA, Novartis. Oncologic Drugs Advisory Committee Briefing Document. Tisagenlecleucel (CTL019) for the Treatment of Pediatric and Young Adult Patients with Relapsed/Refractory B-Cell Acute Lymphoblastic Leukemia. https://www.fda.gov/downloads/advisorycommittees/ committeesmeetingmaterials/drugs/oncologicdrugsadvisorycommittee/ ucm566168.pdf. July 12, 2017. Accessed September 11, 2017. 4. Maude SL et al.: Tisagenlecleucel in Children and Young Adults with B-Cell Lymphoblastic Leukemia. N Engl J Med 2018; 378: 439–448. 5. Schuster SJ et al.: Primary analysis of Juliet: A global, pivotal, phase 2 trial of CTL019 in adult patients with relapsed or refractory diffuse large B-cell lymphoma. 2017 ASH Annual Meeting. Blood 2017; 130: Abstract 577. 6. Neelapu SS et al.: Axicabtagene Ciloleucel CAR T-Cell Therapy in Refractory Large B-Cell Lymphoma. N Engl J Med 2017; 377:2531–2544.
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ARS MEDICI 19 | 2018