Transkript
POLITFORUM
Xundheit in Bärn
INTERPELLATION vom 16.3.2018
Entsolidarisierung in der Grundversicherung verhindern
Prisca Birrer-Heimo
Nationalrätin SP Kanton Luzern
Die Krankenkasse Helsana hat das Bonusprogramm «Helsana plus» lanciert, welches Grundund Zusatzversicherten die Möglichkeit bietet, Punkte zu sammeln und diese gegen eine finanzielle Entschädigung einzutauschen. Dieses Modell kommt damit einem Rabattsystem gleich. Die Versicherten können unter anderem Punkte sammeln, indem sie sportliche Aktivitäten über Trackingsysteme oder Apps wie Apple Health und Google Fit messen und entsprechende Angaben über die App der Helsana an die Versicherung weiterleiten.
Dadurch diskriminiert dieses Modell kranke, körperlich beeinträchtigte, betagte, unsportliche und technisch unversierte Personen und widerspricht damit dem Solidaritätsprinzip der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP). Versicherte, die der Privatsphäre und dem Datenschutz hohe Bedeutung beimessen, werden ebenfalls benachteiligt. Sollten weitere solche Rabattsysteme eingeführt werden, besteht die Gefahr, dass das Solidaritätsprinzip der OKP ausgehöhlt wird und Versicherte weitere Benachteiligungen erfahren: Angesichts der stetig steigenden Krankenkassenprämien kann die finanzielle Belastung so gross werden, dass viele Personen keine andere Wahl hätten, als solchen Programmen beizutreten, um entsprechende Rabatte zu erhalten – welche sie mit ihren Gesundheitsdaten «bezahlen». Weiter ist denkbar, dass Personen, welche keine oder keine
«gesunden» Daten liefern können oder wollen, im Bereich der Zusatzversicherungen benachteiligt werden.
In diesem Zusammenhang ersuche ich den Bundesrat um die Beantwortung der folgenden Fragen: 1.Teilt er die Ansicht, dass solche Bonuspro-
gramme manche Personengruppen gegenüber anderen bevorteilen und so das Solidaritätsprinzip der OKP verletzen? 2.Sind solche Bonusprogramme der Krankenkassen im Bereich der Grundversicherung nach der geltenden Rechtslage zulässig? 3.Welche Massnahmen oder gesetzlichen Änderungen sind notwendig, um die Entsolidarisierung der Grundversicherung mit solchen oder ähnlichen Programmen und Anreizen zu verhindern?
STELLUNGNAHME DES BUNDESRATES VOM 1.6.2018
Die Thematik des Bonusprogramms «Helsana plus» wird auch in der gleichlautenden Interpellation Streiff und in der Interpellation Vogler behandelt. 1./2. In der sozialen Krankenversicherung dürfen keine Prämienrückerstattungen oder Rabatte auf Prämien gewährt werden, wenn diese gesetzlich nicht vorgesehen sind. BesondereVersicherungsformen oder Bonusprogramme, die den Versicherten, geknüpft an bestimmte Verhaltensweisen, Prämienrabatte einräumen oder Risikogruppen benachteiligen, sind in der Grundversicherung unzulässig. Die Versicherer dürfen zudem im Rahmen der Grundversicherung keine Mittel zweckentfremden und somit nur im Bundesgesetz über die Krankenversicherung vorgesehene Kosten übernehmen. Es gilt das Solidaritätsprinzip und die Gleichbehandlung für alle.
Das Bonusprogramm «Helsana plus» wird von der Helsana Zusatzversicherungen AG betrieben und finanziert. Unseres Wissens werden keine Gelder der sozialen Krankenversicherung verwendet. Die Grundversicherer sind demnach nicht betroffen, und es dürfen ausschliesslich Gelder aus der Zusatzversicherung nach dem Versicherungsvertragsgesetz vom 2. April 1908 verwendet werden. Gemäss den regulatorischen Bestimmungen können solche Aufwendungen der Zusatzversicherung belastet werden, wenn der Rabatt versicherungstechnisch begründet ist und nur die Zusatzversicherung betrifft. Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (Edöb) hält in seiner Empfehlung vom 26. April 2018 fest, dass die von der Helsana plus App verwendete Entgegennahme von Daten der Grundversicherung durch die Zu-
satzversicherung und die dort erfolgte Weiterbearbeitung in datenschutzrechtlicher Hinsicht rechtswidrig sei. Der Edöb empfiehlt daher, die Bearbeitung zu unterlassen. Der Bundesrat hat Kenntnis von dieser Empfehlung genommen. Er hat ebenfalls zur Kenntnis genommen, dass die Empfehlung von der Helsana infrage gestellt wird. 3. Eine Ungleichbehandlung von Versicherten, Prämienrabatte für gesundes Verhalten und eine Zweckentfremdung der Prämiengelder sind in der Grundversicherung nicht zulässig. Der Bundesrat erachtet die bestehenden Gesetzesbestimmungen als ausreichend. Sowohl das Bundesamt für Gesundheit wie auch der Edöb werden die Umsetzung der Rechtsbestimmungen weiterhin überwachen und einschreiten, falls Programme die Grundversicherung und ihre Vorgaben gefährden.
ARS MEDICI 17 | 2018
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