Transkript
FOKUS PHARMAKOTHERAPIE
Kombinationsbehandlung der Gicht
Hyperurikämie und Gicht gelten als Risikofaktoren diverser Erkrankungen, eine adäquate Kontrolle der Harnsäurewerte ist sowohl medizinisch als auch unter Kostenaspekten bedeutsam. Um die Einordnung von Lesinurad im Management der Gicht bemüht sich ein aktueller Review.
Annals of Pharmacotherapy
Bei erhöhten Harnsäurewerten respektive Gicht reicht eine Modifikation des Lebensstils oft nicht, um definierte Zielwerte zu erreichen. Als Ziel gelten im Minimum Serumharnsäurewerte unter 360 μmol/l, bei Patienten mit schwerer Gichterkrankung und anhaltenden Symptomen Werte unter 300 μmol/l. Ein solches zielorientiertes Vorgehen empfehlen sowohl die Guidelines des American College of Rheumatology (ACR) als auch die der European League Against Rheumatism (EULAR). Gemäss den EULAR-Empfehlungen wird zur Prävention der rezidivierenden Gicht als Firstline-Massnahme der Xanthinoxidasehemmer Allopurinol eingesetzt. Dieser ist am längsten auf dem Markt und mit den niedrigsten Kosten assoziiert. Allerdings können zum Teil hohe und mehrfach täglich erforderliche Dosierungen die Compliance beeinträchtigen und den Einsatz durch vermehrte Nebenwirkungen limitieren. Bei Unverträglichkeit oder falls Allopurinol nicht ausreicht, um die Zielwerte zu erreichen, kommen Febuxostat, ein Urikosurikum oder die Kombination eines Xanthinoxidasehemmers mit einem Urikosurikum in Betracht. Das stärker wirksame Febuxostat weist viele dem Allopurinol vergleichbare Nebenwirkungen auf, darüber hinaus wurde in klinischen Studien vor der Zulassung eine höhere Inzidenz thromboembolischer kardiovaskulärer Ereignisse beschrieben, wie die Autoren anmerken. Die FDA kommunizierte Ende 2017 einen Hinweis auf ein erhöhtes Risiko kardialer Todesfälle unter Febuxostat aus der vorläufigen Auswertung einer Sicherheitsstudie, ein entsprechender Review werde folgen.
Neuer Wirkmechanismus
Werden unter maximal tolerierbarer Dosis eines Xanthinoxidasehemmers allein die Zielwerte nicht erreicht, wird die Zugabe von Probenecid oder anderen urikosurischen Agenzien empfohlen. Die Einnahme von Probenecid ist abhängig von der Nie-
renfunktion, erfolgt ebenfalls mehrfach täglich und muss potenzielle Wechselwirkungen berücksichtigen. Insofern ist Lesinurad als Substanz mit einem neuen Wirkmechanismus ein wichtiger Fortschritt in der Therapie der Gicht, wie die Autoren schreiben. Lesinurad (Zurampic®) senkt die Serumharnsäurewerte und erhöht die renale Clearance, indem es den Harnsäuretransporter URAT1 sowie den organischen Anionen-Transporter 4 (OAT4) in der Niere hemmt. Die Rückresorption der Mehrheit der Harnsäure aus dem renalen tubulären Lumen erfolgt durch Ersteren, während OAT4 eine diuretikainduzierte Hyperurikämie auslöst. Die initialen Phase-III-Studien CLEAR 1 (n = 601, in den USA) und CLEAR 2 (n = 610; in 12 Ländern, u.a. Europa) untersuchten die Wirksamkeit von Lesinurad in Kombination mit Allopurinol bei Gichtpatienten zwischen 18 und 85 Jahren, mit einem BMI < 45 kg/m2 und einem ungenügenden Ansprechen auf Allopurinol allein, die in den letzten 12 Monaten mehr als zwei Gichtanfälle hatten. Die Patienten erhielten randomisiert ein Jahr lang Lesinurad (1 x 200 bzw. 400 mg/Tag) oder Plazebo zusammen mit ihrer vorherigen Allopurinoldosis. Den primären Endpunkt (Serumharnsäure < 360 μmol/l nach 6 Monaten) erreichten signifikant mehr Patienten unter der Kombination mit dem Verum. Lesinurad wurde als Monotherapie trotz wirksamer Serumharnsäuresenkung wegen eines Anstiegs der Serumkreatininwerte und Bedenken hinsichtlich der renalen Sicherheit nicht zugelassen. Zugelassen wurde es als 200-mg-Dosierung in Kombination mit einem Xanthinoxidasehemmer (in der Schweiz zusammen mit Allopurinol) (1). Bei älteren Patienten (in den Studien ca. 13% ≥ 65 Jahre, 2% ≥ 75 Jahre) wurde kein Unterschied hinsichtlich der Sicherheit gefunden. Bei Patienten mit schwerer hepatischer Einschränkung wurde die Substanz nicht untersucht und wird somit auch nicht empfohlen. Obwohl bei milder bis modera- ter Nierenfunktionsstörung (Kreatininclea- rance [CrCL] zwischen 30 und 90 ml/min) kein Unterschied im Vergleich zu normaler Nierenfunktion festgestellt wurde, sollte bei einer geschätzten CrCl zwischen 45 und 60 ml/min dennoch monitorisiert und bei Wer- ten unter 45 ml/min auf den Einsatz von Le- sinurad verzichtet werden, so die Autoren. Laut Fachinformation darf es unter 45 ml/min mit Vorsicht eingesetzt, sollte aber nicht initiiert werden (1). Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählten in Kombination mit einem Xanthinoxidasehemmer gemäss Haber et al. obere Atemwegsinfektionen (1,5– 15%), Nasopharyngitis (3,7–13,8%) und Bluthochdruck (5,7–11%). Neben nie- renbezogenen Ereignissen wurde in den Phase-III-Studien auch über schwere kar- diovaskuläre Ereignisse berichtet, unter der 200-mg-Dosierung lag die Inzidenz im Ver- gleich zu Plazebo bei 1,36. Ein kausaler Zu- sammenhang mit Lesinurad wurde dabei nicht hergestellt (1). Basierend auf den Er- fahrungen aus den Studien sollte die Nie- renfunktion vor und während der Therapie überprüft und die kardiovaskuläre Gesund- heit gut kontrolliert werden, empfehlen Haber et al. Zusammenfassend beschreiben sie Lesinu- rad als sichere und wirksame Option zur Vorbeugung wiederkehrender Gichtepiso- den, wenn eine Monotherapie mit einem Xanthinoxidasehemmer durch ein uriko- surisches Präparat ergänzt werden muss. Es habe den Vorteil einer einmal täglichen Do- sierung und bringe weniger Medikamenten- interaktionen als Probenecid mit sich. Da es erst seit Kürzerem verfügbar ist, können mögliche seltene Ereignisse jedoch nicht abschliessend beurteilt werden. Mü L Quelle: Haber SL et al.: Lesinurad: a novel agent for the management of chronic gout. Ann Pharmacother 2018; 52(7): 690–696. 1. www.swissmedicinfo.ch, Fachinformation Lesinurad, Stand November 2016. 590 ARS MEDICI 13 | 2018