Transkript
FORTBILDUNG
Karpaltunnelsyndrom: Der grosse Imitator!
Sinnvolle Abklärung und Therapie
Die Diagnose eines Karpaltunnelsyndroms ist für Ärzte verschiedener Fachrichtungen immer wieder eine Herausforderung. Nicht selten liegen scheinbar typische Beschwerden vor, ohne dass letztlich die Diagnose gestellt werden kann. Umgekehrt ist es ebenfalls nicht selten so, dass lediglich diskrete Beschwerden vorhanden sind und die weiteren Abklärungen doch eine schwere Schädigung des Nervus medianus im Karpaltunnel aufzeigen. Im Folgenden ein Überblick über die Diagnostik und die daraus resultierenden Therapieoptionen.
Nicole Kamber, Esther Vögelin
In seiner ursprünglichen Definition des Karpaltunnelsyndroms (KTS) hatte der amerikanische Orthopäde George Phalen das Vorliegen mindestens eines der drei folgenden Befunde gefordert: L eine sensible Störung im Medianus-Versorgungsgebiet L ein positives Tinel-Zeichen und/oder L einen positiven Phalen-Test (1). Weniger eindeutig scheint es gemäss der aktuelleren Literatur: «If we were to ask physicians what test should be used to diagnose carpal tunnel syndrome, the answer would vary widely, depending on their speciality and clinical experience»; eine akkurate Anamnese und eine klinische Untersuchung werden jedoch weiterhin klar als die zentralen Aspekte angesehen und sollen im ersten Teil entsprechend näher beleuchtet werden (2).
MERKSÄTZE
Den grössten prädiktiven Wert in der körperlichen Untersuchung haben der Nachweis einer Hypalgesie im MedianusVersorgungsgebiet, eine klassische Verteilung im Katz-HandDiagramm sowie eine Daumenabduktionsschwäche.
Goldstandard zur Diagnosestellung ist die elektrophysiologische Abklärung.
Bei klarer Klinik gewinnt zur Diagnose eines Karpaltunnelsyndroms der Ultraschall zunehmend an Bedeutung.
Bei negativem Ultraschall oder unklarer Klinik ist eine Elektroneurografie zwingende Ergänzung.
Für den Operateur gibt der Ultraschall wertvolle Zusatzinformation zu Morphologie und Anatomie.
Die konservative Therapie umfasst Schienen (fragliche Evidenz, subjektiv hilfreich) sowie Steroide, mit denen eine gute Schmerzlinderung erzielt werden kann.
Die mini-offene und die endoskopische Karpaltunnelspaltung sind gleichermassen effektiv hinsichtlich des Ergebnisses im Langzeitverlauf, aber die Rekonvaleszenz ist schneller mit der endoskopischen Technik.
Verschiedene Manifestationen
Beschwerden durch ein KTS (Brachialgia paraesthetica nocturna) treten typischerweise initial hauptsächlich nachts auf und manifestieren sich mit Schmerzen und Gefühlsstörungen über dem Handgelenk und in der Hand, betont über den ersten drei Fingern. Später kommt es auch tagsüber zu Symptomen, insbesondere bei längerer Elevationsstellung der Hand, wie zum Beispiel beim Telefonieren. Im Verlauf kann auch eine «Negativ»-Symptomatik im Sinne zunehmender neurologischer Defizite (Taubheitsgefühl, Schwäche) auftreten. Eine Ausstrahlung der Schmerzen ist schliesslich über den Unter- und Oberarm bis in die Schulter möglich (wobei – in Abgrenzung zur Radikulopathie – der Nacken nicht mitbetroffen sein sollte). Beklagt wird von den Patienten häufig eine eingeschränkte Geschicklichkeit, die sich beispielsweise dadurch zeigt, dass das Zuknöpfen von Hemden erschwert ist. Manche bemerken eine Verbesserung der Beschwerden beim Ausschütteln der Hand. Sofern hier eine Bewegung imitiert wird, wie sie zum Herunterschütteln eines Quecksilberthermometers gebraucht wird, ist dies als eigenständiges Zeichen (flick sign) bekannt (3). Es ist nicht selten, dass sensible Störungen und Schmerzen deutlich über das Versorgungsgebiet des N. medianus hinausgehen. In diesem Zusammenhang ist es hilfreich, in Anlehnung an das sogenannte Katz-Hand-Diagramm, Patienten (z.B. im Wartezimmer) ihre Beschwerden mit Farben in die vorgefertigte Abbildung einer Hand einzeichnen zu lassen (1). Damit kann bereits eine Einschätzung hinsichtlich einer typischen oder atypischen Verteilung der Symptomatik vorgenommen werden.
Klinische Untersuchung gibt Anhaltspunkte
In der klinischen Untersuchung sollte, nebst einer Prüfung der Sensibilität, eine Testung des mit dem Medianus versorgten M. abductor pollicis brevis (APB) erfolgen. Da bei diesem kleinen Muskel sowohl Trophik als auch Kraft interindividuell sehr unterschiedlich sein können, sollte die Testung im Seitenvergleich erfolgen (4). Ebenfalls in die körperliche Untersuchung gehören Tinel-Zeichen und Phalen-Test (Kasten), wobei sich hierzu in der Literatur stark divergierende Angaben bezüglich Sensitivität und Spezifität finden (Tinel-Zeichen:
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Kasten:
Tinel-Zeichen und Phalen-Test
Beide Tests können Hinweise auf ein Karpaltunnelsyndrom liefern. Das Hoffman-Tinel-Zeichen bezeichnet bei der Perkussion eines geschädigten Nervs im entsprechenden Versorgungsgebiet auftretende Parästhesien. Beim Phalen-Test wird der Nervus medianus durch eine etwa einminütige maximale Flexion des Handgelenks so komprimiert, dass es zu Parästhesien in dessen distalem Versorgungsgebiet kommt.
Spezifität 55–100%, Sensitivität 38–100%; Phalen-Test: Spezifität 54–98%, Sensitivität 42–85%) (2). Nicht zuletzt aus diesem Grund wurde in einem Review die diagnostische Wertigkeit verschiedener Aspekte der Anamnese und der klinischen Untersuchung analysiert (1). Den grössten prädiktiven Wert erzielten der Nachweis einer Hypalgesie im Medianus-Versorgungsgebiet, eine klassische Verteilung im Katz-Hand-Diagramm (siehe Abbildung 1) sowie die Daumenabduktionsschwäche. Entsprechend darf die körperliche Untersuchung fokussiert erfolgen, sollte aber zudem die Evaluation häufiger Differenzialdiagnosen bein-
halten; insbesondere die Prüfung der Muskeleigenreflexe zur Abgrenzung gegenüber Radikulopathien.
Elektrophysiologische Abklärung nach wie vor zentral …
Goldstandard, sowohl klinisch als auch wissenschaftlich, ist bis heute die Elektrophysiologie. Diese beinhaltet unter anderem die Durchführung einer Medianus-Neurografie. Hierfür wird der Nerv an verschiedenen Stellen mittels supramaximaler elektrischer Stimulation gereizt und ein Muskelsummenpotenzial über einen Medianus versorgten Muskel (klassischerweise über dem APB) respektive eine sensible Reizantwort zum Beispiel über dem Zeigefinger abgeleitet. Die Amplitude der Reizantwort lässt eine Aussage über die Intaktheit der Axone zu, und mittels Bestimmung der Nervenleitgeschwindigkeit kann eine Aussage über die Myelinscheide getroffen werden. Bei Vorliegen eines KTS erwartet man unter anderem klassischerweise eine sogenannte verlängerte distal-motorische Latenz. Dies entspricht der Zeit zwischen Stimulation am Handgelenk und Ableitung über dem APB. Ausserdem sucht man eine verlangsamte sensible Nervenleitgeschwindigkeit über dem Handgelenk. Nebst einer affirmativen Aussage bezüglich des Vorliegens eines KTS dient die Elektrophysiologie
Klassisch
Die Symptome betreffen mindestens zwei der Finger 1, 2, 3. Das klassische Muster erlaubt Symptome auch in den Fingern 4 und 5, Schmerz im Handgelenk mit Ausstrahlung proximal des Handgelenks. Symptome im Bereich von Handfläche oder Handrücken kommen beim klassischen Muster nicht vor.
Möglich
Symptome wie beim klassischen Muster, zusätzlich erlaubt sind palmare Symptome ausser ausschliesslich im ulnaren Bereich. Nicht gezeigt, aber ebenfalls ein Kennzeichen des möglichen Musters sind Symptome , die nur einen der Finger 1, 2 oder 3 betreffen.
Unwahrscheinlich
Beim Fehlen von Symptomen in den Fingern 1, 2 oder 3 ist ein KPT unwahrscheinlich.
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Taubheit
Schmerz
Kribbeln
verminderte Sinneswahrnehmung
Abbildung 1: Wahrscheinlichkeit eines Karpaltunnelsyndroms – verschiedene Muster (adaptiert nach [1])
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Abbildung 2: Längsschnitt (2a) und Querschnittsmessungen (2b–2e)
Abbildung: Vögelin
aber nicht zuletzt auch dazu, relevante Differenzialdiagnosen vor dem Hintergrund gänzlich anderer therapeutischer Konsequenzen (wie z.B. bei genereller Polyneuropathie oder Radikulopathie) auszuschliessen. Nicht selten liegen vermeintlich typische Beschwerden vor, und elektrophysiologisch wird dennoch ein Normalbefund gefunden. Um dies besser zu verstehen, muss einerseits betont werden, dass es sich bei der Elektroneurografie (ENMG) um eine Funktionsuntersuchung handelt. Hierzu konnte in einer Multizenterstudie aus Italien, in der über 1000 Patienten mit idiopathischem KTS untersucht wurden, eine eindeutige Korrelation zwischen der (subjektiven und klinischen) Funktion der Hand und elektrophysiologischen Befunden gezeigt werden (5). Im Gegensatz dazu ergab sich in derselben Studie keine klare Korrelation zwischen der Intensität der Beschwerden und den elektrophysiologischen Befunden, sodass man sich die Frage stellen könnte, ob so etwas wie eine subjektive und elektrophysiologische Dissoziation existiert. Da Schmerzen vornehmlich über kleine, nicht myelinisierte Nervenfasern fortgeleitet werden, die sich in der Reizantwort einer Neurografie nicht niederschlagen, ist es sehr wohl möglich, bei intensiven Schmerzen eine normale Neurografie abzuleiten. Es handelt sich dann um einen funktionell milden, wohl aber potenziell sehr schmerzhaften Befund.
… und spätestens vor chirurgischer Intervention angezeigt
Um also zusammenfassend einen funktionell relevanten Schaden des N. medianus nachzuweisen, insbesondere zu lokalisieren, und um relevante Differenzialdiagnosen auszuschliessen, ist eine Elektroneurografie aus neurologischer Sicht spätestens vor einer chirurgischen Therapie indiziert. Je
nach Modalität liegen bei dieser Untersuchung Sensitivität und Spezifität bei 85 respektive 98 Prozent, was die Untersuchung – unter Beachtung gewisser, oben erläuterter Einschränkungen – zu einer verlässlichen und relevanten Zusatzdiagnostik macht. Insgesamt sollte die Diagnose eine Synthese aus Anamnese, Klinik und Zusatzdiagnostik darstellen, wobei – neben der funktionellen Diagnostik mittels Elektrophysiologie – glücklicherweise zwischenzeitlich auch eine morphologische Diagnostik mittels Nervenultraschall möglich ist, was zu einer engen Zusammenarbeit mit den Kollegen der Handchirurgie führt.
Nervenultraschall erlaubt morphologische Einschätzung
Eine hochauflösende Nervenultraschalluntersuchung (NUS) zur Einschätzung der Morphologie des N. medianus hat zunehmend an Bedeutung in der Diagnosestellung des KTS gewonnen (6). Der Kardinalbefund ist die relative oder absolute Vergrösserung des Nervenquerschnitts proximal des Randes des Retinaculums flexorum (siehe Abbildung 2). Zusätzlich können die Gleitfähigkeit des Nervs dynamisch beim Öffnen und Schliessen der Faust, Raumforderungen wie Ganglien, anatomische Varianten des N. medianus oder aberrante Muskeln im Bezug zu den umliegenden Beugesehnen beobachtet werden. Obwohl zunehmend Studien empfehlen, die NUS als Erstuntersuchung in der Diagnostik des KTS einzusetzen – weil sie schmerzloser und wahrscheinlich auch billiger ist –, herrscht kein Konsens über optimale sonografische Kriterien zur Definition eines komprimierten N. medianus. Ebenso wenig einig ist man sich über die Korrelation zwischen ENMG und NUS hinsichtlich einer KTS-Diagnose.
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Abbildungen 3a und 3b: Endoskopische Karpalkanalspaltung, Lichtquelle*, Sicht auf den Thenarast (l.) und den N. medianus inkl. Gefässzeichnung (r.)
Abbildungen 3c und 3d: Schnittführung und N. medianus im Karpalkanal, nach Spaltung des Retinaculums
Abbildungen 3e und 3f: Erweiterte Schnittführung, N. medianus und aberranter Muskel nach Spaltung des Retinaculums
* Bildquelle 3a aus (12)
Abbildung: Vögelin
Abbildung 3: Endoskopische Karpaltunnelspaltung (3a), mini-offene Karpaltunnelspaltung (3b), erweiterte offene Karpaltunnelspaltung (3c)
In der Literatur werden klinisch definierte KTS-Fälle mit normaler ENMG in bis zu 25 Prozent der Fälle beschrieben (7). Bei 30 bis 50 Prozent dieser Patienten fand sich als Korrelat zur Klinik ein vergrösserter Querschnitt am Eingang des Karpalkanals (6, 8).
Klassische Symptome können fehlen
Die klassischen Symptome des KTS mit nächtlicher Brachialgie treffen nicht für alle Patienten zu. Zur Abklärung eines KTS ist es deswegen wichtig, die Wertigkeit von Zusatzuntersuchungen wie ENMG und NUS interpretieren zu können. Mit der Einführung von hochauflösenden Ultraschallgeräten und der zunehmenden Expertise hat sich die Sonografie als zuverlässige, nicht invasive und schmerzarme, aber eben (noch) nicht standardisierte Methode etabliert (9). Es gibt Autoren, die sich auf einen Querschnittswert am Eintritt des Karpalkanals am Ort der mutmasslich grössten Schwellung des N. medianus verlassen, andere, wie wir, benützen eine Ratio (Quotient zweier Nervenquerschnitte), um dem individuellen Kaliber des Nervs besser gerecht zu werden. Auch gibt es keine absoluten Querschnittswerte, die ein KTS belegen; diese hängen vom jeweiligen berechneten Cut-off-Value einer Studie respektive von der errechneten Spezifität und Sensitivität mittels ROC-Kurve ab. Wir stellen den Querschnitt des Nervs am Eintritt in den Karpalkanal auf Höhe Os pisiforme und Os scaphoideum und zirka 2 cm proximal der Rascetta dar und berechnen die Ratio der Querschnittsfläche, die bei einem Wert > 1,12 als positiv hinweisend für ein KTS bewertet wird. In einer eigenen Untersuchung haben wir mit dieser Ratio >1,12 (Sensitivität 79% und Spezifität 71%) in der NUS 11 von 77 Händen mit vermeintlichem KTS falschpositiv und 5 von 77 falschnegativ eingeschätzt (10).
Wir haben aber realisiert, dass man mit hochauflösenden USSonden das Ausmass und die Lokalisation der Kompression des N. medianus im Karpalkanal noch mit weiteren Querschnittsmessungen weiter distal (siehe Abbildung 2) genauer untersuchen kann. Die Ratio dieser letzteren Querschnittsmessungen ist Gegenstand aktueller Untersuchungen. Die proximalen Quotienten der Querschnittsflächen im und vor dem Karpalkanal lassen auf eine Kompression des N. medianus schliessen, die aus der Bildung eines Pseudoneuroms (Schwellung des Nervenquerschnitts) vor der Engstelle aufgrund von reaktiven Veränderungen des Nervs auf Kompression respektive seiner Abplattung unterhalb des Retinaculums resultiert. Andere Autoren verwenden eine Ratio mit
Schlussfolgerung: Ratio-Nervenquerschnittsmessung per Ultraschall
L Vorteile: Berücksichtigung individueller Unterschiede
geschlechtsunabhängig
Diagnose auch bei geringer Nervendicke
L Aber:
kein Konsens über sonografische Kriterien eines KTS
Klarer klinischer Befund und positive Ratio à US ohne ENMG
Unklarer US oder negative Ratio à US und EMNG
US = Ultraschall; ENMG = Elektroneurografie; KTS = Karpaltunnelsyndrom
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einer Querschnittsmessung des N. medianus proximal des Karpalkanals im Vorderarm und am Eintritt in den Karpalkanal (8, 9, 11, 12). Der Vorteil der Bildung einer Ratio besteht darin, dass ein Verhältnis zweier Werte verglichen wird, da ein absoluter Wert keine anatomischen Varianten berücksichtigt oder jüngere und schlankere Patienten auch eine Affektion des Nervs mit Verbreiterung haben können, ohne den Schwellenwert zu erreichen. Nicht alle Nervenformen (z.B. ein bifider zweigeteilter N. medianus) können mit der Ratio abgebildet werden. NUS wird elektrophysiologische Untersuchungen niemals ersetzen, aber es zeigt sich, dass in einer selektionierten Population die Diagnose eines KTS per NUS im Vergleich zur Elektrophyisologie mit einer guten Spezifität und besseren Sensitivität erfolgen kann (9). Bei negativer Sonografie und persistierender Brachialgie ist sicherlich ein KTS mittels ENMG-Diagnostik auszuschliessen, vor allem bei klinisch nicht eindeutigen Symptomen. Bei falschpositiver Sonografie und geringem Leidensdruck kann der Verlauf abgewartet werden. Jedoch gibt es in grösseren Serien Hinweise, dass einige Patienten mit normalen Nervenleitgeschwindigkeiten morphologisch sonografische Veränderungen (gemessen mit einer Ratio) passend zu einem KTS aufweisen. Auch die Schwere eines elektrophysiologischen nachgewiesenen KTS kann laut Literatur bei bestimmten Patienten mit morphologisch sonografischen Veränderungen (CSA und Ratio) in der NUS korreliert werden (8, 11, 12). Bei unauffälliger NUS des N. medianus mit Symptomen eines KTS ist die ENMG-Untersuchung als Diagnostikum unabdingbar und hilfreich zur Diagnosestellung eines möglichen KTS oder zum Nachweis anderer Brachialgien mit Dysästhesien.
Vergleich ENMG und US
L Keine Standardisierung der Messung des N. medianus mit US (absolute Werte, Ratio).
L Bei typischer Klinik + selektionierten Patienten à US gute Spezifität, bessere Sensitivität als EMNG
L Bei typischer Klinik + selektioniertem Patientengut à US positiv, wenn EMNG negativ
L Schwere eines durch EMNG bestätigten KTS bei selektioniertem Patientengut korreliert mit Ratio im US US = Ultraschall; ENMG = Elektroneurografie; KTS = Karpaltunnelsyndrom
Konservative Therapien
Wir alle verordnen bei nächtlichen Brachialgien eine handgelenkstützende Schiene. In der Literatur gibt es jedoch wenig Evidenz, dass diese Anwendung besser ist als keine Behandlung (13, 14). Kortikosteroidinfiltrationen weisen dagegen eine gute Evidenz für Schmerzlinderung auf (15, 16).
Chirurgische Therapie
Die operative Entlastung hat sich als die wirksamste und effektivste Therapiemethode bewährt. Es gibt die endoskopische,
mini-offene oder die erweitert offene Karpaltunnelspaltung
(siehe Abbildung 3), die ambulant durchgeführt werden kön-
nen. Letztere kommt vor allem bei Rezidiveingriffen oder bei
sekundärer Kompression des N. medianus durch atypische
Muskeln oder Tumoren zur Anwendung. Neuere Studien
belegen die Beschleunigung der Rekonvaleszenz nach endo-
skopischer Karpaltunnelspaltung bei gleicher Sicherheit von
Operation und offener Technik (17).
L
Kontakt: Prof. Dr. med. Esther Vögelin Chefärztin Handchirurgie und Chirurgie der peripheren Nerven Klinik für Plastische und Handchirurgie E-Mail: esther.voegelin@insel.ch
Dr. med. nicole Kamber Stv. Oberärztin, Neuromuskuläres Zentrum E-Mail: Nicole.kamber@insel.ch
Inselspital, Universität Bern
Freiburgstrasse 10
CH-3010 Bern
Internet: www.insel.ch
Interessenkonflikte: Die Autorinnen deklarieren, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
Referenzen: 1. D’Arcy CA, McGee S: Does this patient have carpal tunnel syndrome?
JAMA 2000; 23: 3110–3117. 2. Padua L et al.: Carpal tunnel syndrome: clinical features, diagnosis, and
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drome. J Neurol Neurosurg Psychiatry 1984; 47: 870–872. 4. Middleton SD et al.: Carpal tunnel syndrome. BMJ 2014; 349: 1–7. 5. Padua L et al.: Multiperspective assessment of carpal tunnel syndrome.
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