Transkript
Erektile Dysfunktion
Ursache ist häufiger internistisch denn urologisch
BERICHT
Die erektile Dysfunktion sei eher ein Symptom eines organischen oder eines psychogenen Grundproblems als eine eigenständige urologische Erkrankung, sagte PD Dr. Räto Strebel, Chefarzt Urologie, Kantonsspital Graubünden, Chur, am VZI-Symposium in Zürich. Solche Patienten vor einer Überweisung zum Urologen erst internistisch abzuklären, sei wichtig.
Die wichtigsten Risikofaktoren für eine organische
Genese einer erektilen Dysfunktion sind kardiovasku-
läre Grunderkrankungen, wie beispielweise Hyperto-
nie oder Atherosklerose. «Die erektile Dysfunktion ist
häufig ein Vorbote einer nachfolgenden kardiovasku-
lären Erkrankung, insbesondere der koronaren Herz-
erkrankung», so Strebel weiter. Eine kardiovaskuläre
Räto Strebel
Anamnese- und Risikofaktorenerhebung ist demnach
(Foto zVg)
sinnvoll, bevor man den Patienten zum Urologen schickt. Zu Erektionsproblemen können auch psych-
iatrische Grunderkrankungen, Stresssituationen oder Medi-
kamentennebenwirkungen führen. Häufig kann eine orga-
nisch bedingte erektile Dysfunktion durch eine psychogene
Komponente noch verstärkt werden. Eine schlechte Erinne-
rung beispielsweise führt zu Stress, was eine Kontraktion der
glatten Muskulatur und in der Folge den Blutausstrom aus
dem Schwellkörper induziert. «Stress beziehungsweise Adre-
nalin ist ein Erektionskiller», fasst Strebel zusammen.
Abklärung auf allen Seiten
In der Abklärung ist die Anamnese der wichtigste Punkt. Sexuelle Probleme, kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes, Rauchen, Hirnschlag, chirurgische Eingriffe und die Masturbationsfähigkeit kommen hier zur Diskussion. Masturbation, Penetration und Probleme der Steifigkeit, Dauer oder einer Ejaculatio praecox stellen die nächste Stufe dar. Mit der Lokaluntersuchung können eine allfällige Phimose oder Penisverkrümmung entdeckt beziehungsweise ausge-
KURZ & BÜNDIG
Bei erektiler Dysfunktion kardiovaskuläre Risikofaktoren und mögliche Stressquellen abklären.
Lokaluntersuchung ist ebenso wichtig. Karzinombedingte Totalresektion der Prostata hat häufig
Impotenz zur Folge, TURP nicht.
schlossen werden. Die psychosoziale Einbettung, wie die berufliche Situation (Stress?), private Situation, Partnerschaft (neue Partnerin? Alter?), spielt ebenso eine Rolle wie operative Eingriffe, beispielsweise an Becken, Rektum oder Prostata.
Art der Prostataoperation für Erektionsfähigkeit entscheidend
Hatte der Patient eine Prostataoperation, kommt es darauf an, ob bei ihm wegen einer benignen Prostatahyperplasie eine transurethrale Resektion der Prostata (TURP) oder infolge eines Prostatakarzinoms eine radikale Prostatektomie durchgeführt wurde. Bei der radikalen Prostatektomie grenzt die zu entfernende Region anatomisch unmittelbar an die für die Potenz verantwortlichen neurovaskulären Bündel. Eine Verletzung derselben führt zu Impotenz. Ziel ist es daher, diese zu schonen, sofern die Tumorausdehnung dies zulässt. Bei der TURP existiert dieses anatomische Problem nicht, neu auftretende Erektionsstörungen nach dem Eingriff sind daher eher selten, eine retrograde Ejakulation ist dagegen häufig. Gemäss eigener Untersuchungen bei knapp 1000 Männern war die erektile Funktion bei 29 Prozent der Patienten nach TURP besser, bei 52 Prozent unverändert und bei 20 Prozent schlechter als zuvor (1). Von den Männern in einer britischen Untersuchung, die zuvor schon eine erektile Dysfunktion (77%) hatten, war sie nach der TURP nur noch bei 55 Prozent ein gleich grosses Problem (2). Zu berücksichtigen ist aber auch die Tatsache, dass mit steigendem Alter die sexuelle Aktivität rückläufig ist und die präoperativen Erektionsstörungen zunehmen, dies aber in keinem Zusammenhang mit einer etwaigen Tumorausdehnung steht. Ebenso wichtig sei der Umstand, dass eine bereits bestehende erektile Dysfunktion nach einer Operation nicht besser werde als zuvor, wie manche Patienten sich das möglicherweise vorstellten, so Strebel. Faktoren, die einen Einfluss auf eine erektile Dysfunktion haben, sind demnach Alter, Komorbiditäten, präoperative Erektion, Operationstechnik, Tumorstadium, Erfahrung des Operateurs sowie die Partnerin.
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BERICHT
Therapie der erektilen Dysfunktion
Möglichkeiten der pharmakologischen Behandlung der erektilen Dysfunktion sind Phosphodiesterase-5-(PDE-5-)Hemmer wie Sildenafil (Viagra® und Generika), Tadalafil (Cialis®), Vardenafil (Levitra®) und Avanafil (Spedra®). Deren Wirkung beruht auf der Hemmung der Phosphodiesterase-5 und der Steigerung des Bluteinstroms in den Schwellkörper. Die Halbwertszeiten sind je nach Präparat unterschiedlich lang, was einen gezielten Einsatz je nach Bedürfnis ermöglicht. Diese Therapie funktionierte jedoch nur, wenn die neurovaskulären Bündel intakt seien, betont Strebel. Die häufigsten Nebenwirkungen der PDE-5-Hemmer sind Kopfschmerzen, Flush, Dyspepsie oder eine verstopfte Nase. PDE-5-Hemmer sind kontraindiziert, wenn ein Herzinfarkt kürzer als sechs Monate zurückliegt, bei instabiler Angina pectoris, unkontrollierten Arrhythmien, Hypotonie < 90/50, Herzinsuffizienz > NYHA-Klasse II sowie bei gleichzeitiger Anwendung von NO-Donatoren. Auf der nächsten Eskalationsstufe steht das Prostaglandin E1 Alprostadil, das durch Dilatation der Blutgfässe und Relaxa-
tion der glatten Muskulatur eine Erektion bewirkt. Alprosta-
dil wird entweder intraurethral (Muse®) oder intrakavernös
(Caverjet®) appliziert.
Mechanische Erektionshilfen in Form einer Vakuumpumpe
oder Schwellkörperprothese kommen gemäss Strebel eher
selten zur Anwendung. Eine weitere Möglichkeit besteht in
der Überweisung zur Sexualtherapie, die als Einzige eine
möglicherweise kausale Therapie darstellt. «Alles andere ist
Symptombekämpfung», so Strebel abschliessend.
L
Valérie Herzog
Quelle: «Erektile Dysfunktion: Abklärung und Therapie». Fortbildungssymposium der Vereinigung allgemeiner und spezialisierter Internistinnen und Internisten Zürich, 25. Januar 2018 in Zürich.
Referenzen: 1. Muntener M et al.: Sexual function after transurethral resection of the
prostate (TURP): results of an independent prospective multicentre assessment of outcome. Eur Urol 2007; 52: 510–515. 2. Brookes ST et al.: Sexual dysfunction in men after treatment for lower urinary tract symptoms: evidence from randomised controlled trial. BMJ 2002: 324: 1059–1061.
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