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BERICHT
Virushepatitis
Aktueller Stand bei der Hepatitistherapie
Während in der Hepatitis-C-Therapie die Mittel zur Heilung vorhanden sind, fehlen diese nach wie vor bei den anderen Hepatitisinfektionen. Fortschritte bei der Hepatitis B führen aber immerhin dazu, dass die bis anhin noch lebenslängliche Behandlung nun unter bestimmten Voraussetzungen gestoppt werden kann. Ein Update zum aktuellen Stand bei den Hepatitistherapien gab Prof. Markus Heim, Chefarzt Gastroenterologie und Hepatologie, Universitätsspital Basel.
Mittlerweile sind fünf Hepatitisviren bekannt, die sich in Genom, Struktur, Übertragungsweg und Klinik voneinander unterscheiden (Tabelle 1). 20 bis 25 Prozent der akuten Hepatitiden in Europa und den USA gehen auf das Konto des Hepatitis-A-Virus. Dieses verursacht immer wieder Epidemien. Die Übertragung verläuft orofäkal, und nach einer Inkubationszeit von 15 bis 50 Tagen dauert die Erkrankung 2 bis 12 Wochen. Die Hepatitis A verläuft selten Markus Heim (Foto: vh) fulminant, chronifiziert nicht und hat eine gute Prognose. Es gibt keine Therapie, gegen die Infektion kann vorbeugend geimpft werden. Bei der Hepatitis B sind 90 Prozent der Infektionen im Erwachsenenalter selbstlimitierend. Das Virusgenom bleibt zwar lebenslang in der Leber, doch Anti-HBs-Antikörper, die der Körper gebildet hat, verhindern, dass das Virus die Leberzelle infiziert. Dieses Prinzip kommt auch bei der Impfung mit HBsAntigen zur Anwendung, die in der Folge die Bildung von AntiHBs-Antikörpern provoziert. Beim chronischen Verlauf bleibt das HBs-Antigen im Blut detektierbar wie auch die HBVDNA, die man als «viral load» misst. Dabei stellt sich die Frage, welche Patienten behandelt werden sollen. Die Konzentrationen von HBs-Antigen und HBV-DNA sinken in den ersten Monaten nach der Aktivierung des Immunsystems und der Bildung von Antikörpern ab, können aber nach 36 Monaten
wieder ansteigen. In diesem Verlauf gibt es zwei Phasen, die geprägt sind von der erhöhten Alaninaminotransferase (ALT), dem Parameter für eine Leberentzündung: Die erste Phase ist HBe-Antigen-positiv, die zweite HBe-Antigen-negativ. In diesen zwei Phasen müssen die Patienten behandelt werden. «Leider hat die Nomenklatur dieser Phasen in den verschiedenen Guidelines immer wieder geändert. Deshalb sollte in Berichten die Diagnose deskriptiv beschrieben werden, dies mit Datum, Laborwerten, Beschreibung der entzündlichen Aktivität und des Fibrosestadiums sowie der aktuellen Phase mit Guidelinenennung, auf die sich die Phasenbezeichnung bezieht», empfiehlt Heim.
Serologie entscheidet
Bei vermuteter HBV-Infektion entscheidet die Serologie über die weiteren Schritte. Ist der Patient HBs-Antigen-positiv, muss herausgefunden werden, ob eine aktive Entzündung vorliegt. Im positiven Fall wird eine Behandlung eingeleitet, im negativen Fall reicht eine Monitorisierung der HB-Antigene, der HBV-DNA, der ALT und der Fibrose (Abbildung). Behandlungsziel bei der Hepatitis B ist das Verhindern einer progressiven Fibrose, die zur Zirrhose und zum hepatozellulären Karzinom führen kann. Die EASL-Guidelines empfehlen hier, HBV-DNA-positive Patienten mit aktiver Entzündung und/oder progredienter Leberfibrose oder Zirrhose zu behandeln (Kasten).
Tabelle 1:
Übersicht über die Hepatitisviren
Genom Struktur
A RNA keine Hülle
B DNA Hülle
Übertragungsweg Klinik
orofäkal akut
parenteral akut, chronisch
C RNA in Lipoproteinpartikel
parenteral chronisch
D RNA Virusoid, braucht Hüllenantigen (HBsAg) parenteral chronisch
E RNA keine Hülle
orofäkal akut, selten chronisch
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BERICHT
Verdacht auf HBV-Infektion
HBsAg-positiv
HBsAg-negativ, anti-HBe-positiv
Chronische HBV-Infektion (keine Anzeichen für eine chronische Hepatitis)
Monitorisierung inkl. HBsAg, HBeAg, HBV-DNA, ALT, Fibrose-Assessment
Berücksichtigung des Risikos für HCC, HBV-Reaktivierung, extrahepatische Manifestationen,
HBV-Übertragung
Nein
Chronische Hepatitis-B+-Zirrhose Start der antiviralen Behandlung
Ja
Keine Überweisung zum Spezialisten, Patient über potenzielles Risiko für eine
HBV-Reaktivierung informieren
Bei Immunsuppression antivirale Prophylaxe starten oder
Werte überwachen
Abbildung: Algorithmus bei Hepatitis-B-Infektion (1)
Kasten:
Behandlungsindikationen bei Hepatitis B gemäss EASL-Guidelines 2017 (1)
1. Patienten mit HBV-DNA > 20 000 IE/ml und ALT > 2 x ULN können ohne vorherige Biopsie behandelt werden.
2. HBV-DNA > 2000 IE/ml und ALT > ULN und Leberbiospie mit mindestens mässiger entzündlicher Aktivität und/oder mindestens mässiger Fibrose
3. HBV-DNA > 2000 IE/ml und Leberbiospie mit mindestens mässiger Fibrose auch bei normaler ALT
4. Nachweisbare HBV-DNA und Zirrhose 5. Hohe HBV-DNA, normale ALT und Alter > 30 Jahre Die Indikation zur Behandlung sollte auch das Alter des Patienten, dessen Gesundheitszustand, das Risiko einer HBV-Übertragung, die Familienanamnese bezüglich HCC oder Zirrhose und extrahepatische Manifestationen berücksichtigen.
Bei Neudiagnosen können die Patienten mit dem neuen direkten Antiviralium Tenofovir-Disoproxylfumarat (Viread® und Generika) sowie dem Nachfolgepräparat Tenofovir-Alafenamid (Vemlidy®) behandelt werden, das gemäss Heim im Unterschied zum Vorgängerpräparat noch besser in die Leber-
KURZ & BÜNDIG
Hepatitis B: Neue Nomenklatur von der EASL 2017. Die Behandlungsdauer soll neu individualisiert werden.
Hepatitis C: Die Fibrose-Limitatio für die Behandlung mit DAA ist aufgehoben.
Hepatitis E wird zunehmend diagnostiziert, bei Immunsupprimierten ist ein chronischer Verlauf möglich.
zelle aufgenommen wird. Bei Patienten, die schon jahrelang mit den etwas älteren direkten Antiviralia Lamivudin (Zeffix® und Generika) und Telbivudin (Sebivo®) behandelt werden und bei denen damit die Entzündung kontrolliert werden kann, muss nicht auf die neueren Präparate umgestellt werden. Es gibt noch die Möglichkeit einer Interferonbehandlung (Pegasys®), die den Vorteil einer klaren Limitierung auf 12 bis 18 Monate hat, aber im Gegensatz zu den direkt wirkenden Antiviralia wegen der Nebenwirkungen bei den Patienten nicht so beliebt ist. Nach neuester Auffassung muss die Behandlung gemäss EASL-Guidelines 2017 (1) nicht mehr lebenslang aufrechterhalten werden. Sie kann unter bestimmten Voraussetzungen gestoppt werden: L HBsAg-Negativität L HBeAg-Serokonversion und HBV-DNA-negativ während
> 12 Monaten L HBeAg-negativ mit > 3 Jahre HBV-DNA-negativ.
Hepatitis C
Bei der Hepatitis C hat sich in den letzten Jahren so viel getan, dass nun die weltweit 71 Millionen Fälle (Schweiz gemäss BAG etwa 40 000) eigentlich geheilt werden könnten. Nach etwa 20 Jahren Interferonbehandlung sind nun direkt wirkende Antiviralia (Tabelle 2) verfügbar, die miteinander kombiniert Heilungsraten von über 95 Prozent erreichen. Das neueste Hepatitis-C-Präparat Glecaprevir/Pibrentasvir erreichte in einer Phase-III-Studie eine Heilungsrate von 99,7 Prozent bei Genotyp 1 und von 95 Prozent bei Genotyp 3 (2). Sollten Patienten damit nach einer ersten Behandlung nicht geheilt sein, kann die Therapie mit einer anderen Kombination wiederholt werden, um eine nahezu 100-prozentige Heilungsrate zu erreichen (3, 4), so Heim.
Hepatitis D
Hepatitis-D-Infektionen treten einerseits als Superinfektion bei Patienten mit Hepatitis B auf. Die HDV-Infektion verläuft akut, in 10 Prozent der Fälle heilt sie spontan ab, chronifiziert jedoch meist, was später zu einer Zirrhose oder einem hepatozellulären Karzinom führt.
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Tabelle 2:
Direkt wirkende Antiviralia in Hepatitis-C-Präparaten
Präparat Epclusa®
Harvoni®
Exviera® + Viekirax®
Zepatier®
Maviret®
Vosevi®
Substanzen
Sofosbuvir Velpatasvir
Sofosbuvir Ledipasvir
Dasabuvir Paritaprevir Ombitasvir
Grazoprevir Elbasvir
Glecaprevir Pibrentasvir
Sofosbuvir Velpatasvir Voxilaprevir
HCV-Genotyp Behandlungsdauer alle 12 Wochen
1 8–12 Wochen
1, 4 8–12 Wochen
1, 4 alle aAlle
12–16 Wochen 12–16 Wochen 12 Wochen
Andererseits kann die HDV-Infektion als Koinfektion durch Ansteckung durch einen HBV- und HDV-Infizierten erfolgen. Die HBV/HDV-Infektion verläuft zwar akut, heilt aber in 90 Prozent der Fälle spontan ab. Nur bei wenigen entsteht daraus eine schwere, entweder fulminante oder chronifizierende Hepatitis (5). Bei der Therapie gibt es keine Neuerungen, diese wird nach wie vor mit Peginterferon durchgeführt, mit Rezidiven ist leider zu rechnen.
Hepatitis E
Die Infektion mit dem Hepatitis-E-Virus ist weltweit die häu-
figste Ursache für eine akute Hepatitis. Die Genotypen 1 und
2 verursachen 20 Millionen Infektionen pro Jahr und 70 000
Todesfälle durch kontaminiertes Trinkwasser (6), die Geno-
typen 3 und 4 gelten als weitverbreitete zoonotische Infek-
tion, die über unzureichend gegartes Schweine- oder Wild-
fleisch sowie Muscheln (Seroprävalenz 86%) übertragen
wird (7). HEV-Infektionen werden zunehmend diagnosti-
ziert. Bei Immunsupprimierten ist die Serologie unzuverläs-
sig, so Heim, der Nachweis erfolgt über PCR (polymerase
chain reaction). Die HEV-Infektion ist nach akuter Hepatitis
in der Regel selbstlimitierend, kann aber neurologische Kom-
plikationen wie neuralgische Schulteramyotrophie, Guillain-
Barré oder Meningoenzephalitis nach sich ziehen (8). Die
Therapie erfolgt mit Ribavirin.
L
Valérie Herzog
Quelle: «Update Virushepatitis», 1. Febraur 2018, Universitätsspital Basel.
Referenzen: 1. Lampertico P et al.: EASL 2017 Clinical Practice Guidelines on the ma-
nagement of hepatitis B virus infection. J Hepatology 2017; 67: 370–398. 2. Zeuzem S et al.: Glecaprevir-Pibrentasvir for 8 or 12 Weeks in HCV Geno-
type 1 or 3 Infection. N Engl J Med 2018; 378: 354–369. 3. Poordard F et al.: Glecaprevir and pibrentasvir for 12 weeks for hepatitis
C virus genotype 1 infection and prior direct-acting antiviral treatment. Hepatology 2017; 66: 389–397. 4. Bourlière M et al.: Sofosbuvir, velpatasvir, and voxilaprevir for peviously trated HCV infection. N Engl J Med 2017; 376: 2134–2146. 5. Botelho-Souza LF et al.: Hepatitis delta: virological and clinical aspects. Virol Journal 2017; 14: 177. 6. Rein DB et al.: The global burden of hepatitis E virus genotypes 1 and 2 in 2005. Hepatology 2012; 55: 988–997. 7. Mansury JM et al.: A nationwide survey of hepatitis E viral infection in French blood donors. Hepatology 2016; 63: 1145–1154. 8. Kamar N et al.: Hepatitis E virus infection. Nat Rev Dis Primers 2017; 3: 17 086.
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