Transkript
FORTBILDUNG
Management der Rosazea
Geeignete Hautpflege, topische und orale Medikamente, Laser …
Erytheme, entzündliche Papeln und Pusteln oder gar Rhinophyme können die Gesichter von Rosazeapatienten entstellen und die Betroffenen psychisch belasten. Eine kürzlich erschienene Übersichtsarbeit zeigt die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten auf.
New England Journal of Medicine
Die Rosazea ist eine chronisch entzündliche Hauterkrankung, die primär Wangen, Nase, Kinn und Stirn betrifft. Zu den Rosazeamanifestationen zählen persistierendes Gesichtserythem, Papeln, Pusteln, Teleangiektasien und rezidivierende Flushs. Darüber hinaus können phymatöse Veränderungen auftreten (Hypertrophie der Talgdrüsen und Fibrose), wobei das Rhinophym am häufigsten beobachtet wird. Gemäss Schätzungen kommt eine Augenbeteiligung (okuläre Rosazea) bei bis zu 75 Prozent der Rosazeapatienten vor, was sich in Form von Fremdkörpergefühl, Trockenheit, Brennen, Jucken, Rötung, Fotophobie, Tränenfluss und Verschwommensehen äussert. Eine das Sehvermögen bedrohende Keratitis ist selten. Viele Rosazeapatienten leiden unter ihrem pustulösen Hautausschlag im Gesicht. Als Folge der Hautveränderungen kann es zu einer Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls und zu Angst kommen; manche Patienten fühlen sich deprimiert und stigmatisiert, was die Lebensqualität stark negativ beeinflusst. Meist beginnt die Rosazea bei Menschen im Alter zwischen 30 und 50 Jahren, wobei sich Exazerbationen und Remissionen abwechseln. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, Hellhäutige entwickeln häufiger eine Rosazea. Die Prävalenz
MERKSÄTZE
Das Rosazeaerythem kann mit topischem Brimonidin, topischem Oxymetazolin, Laser- oder anderen Lichttherapien behandelt werden.
Bei entzündlichen Läsionen zählen folgende topische Substanzen zur Erstlinientherapie: Ivermectin, Oxymetazolin, Azelainsäure und Metronidazol.
Bei mittelschweren und schweren entzündlichen Läsionen kommen orale Therapien mit Doxycyclin, Tetrazyklin und Isotretinoin zum Einsatz.
Eine Erhaltungstherapie wird empfohlen, vorzugsweise mit topischen Substanzen.
der Rosazea in verschiedenen Populationen wird mit weniger als 1 Prozent bis 22 Prozent angegeben.
Verschiedene Formen der Rosazea
Das National Rosacea Society Expert Committee unterscheidet vier Formen der Rosazea: L erythematös-teleangiektatische Rosazea L papulopustuläre Rosazea L phymatöse Rosazea L okuläre Rosazea.
Nach dieser Klassifikation kann eine Rosazea diagnostiziert werden, wenn mindestens eines der folgenden primären Merkmale in zentralen Gesichtsbereichen vorliegt: Flushing (transientes Erythem), persistierendes Erythem, Papeln und Pusteln sowie Teleangiektasien. Zu den sekundären Merkmalen, die gleichzeitig oder unabhängig auftreten können, zählen: brennendes oder stechendes Gefühl, Auftreten von Plaques, Hauttrockenheit, Ödeme, okuläre Manifestationen, Manifestationen ausserhalb des Gesichts sowie phymatöse Veränderungen. Das internationale Rosacea Consensus Panel (ROSCO) schlug kürzlich ein anderes Klassifikationssystem vor, das auf dem Phänotyp basiert und die Diversität der klinischen Manifestationen besser widerspiegelt. Jedoch hat sich dieses Klassifikationssystem noch nicht flächendeckend etabliert.
Verschiedene Faktoren tragen zur Entstehung bei
Die Pathophysiologie der Rosazea ist nicht vollständig geklärt. Es scheinen verschiedene Faktoren an der Entstehung der Hauterkrankung beteiligt zu sein: genetische Faktoren, Dysregulation des angeborenen und adaptiven Immunsystems, Störungen der vaskulären und neuronalen Funktionen sowie Mikroorganismen wie etwa Demodex folliculorum. Trigger wie Hitze, UV-Licht, Stress, scharf gewürzte Speisen, heisse Getränke, Rauchen und Alkohol können die Symptome verschlimmern. Die Rosazea geht mit einer Störung der Hautbarriere einher, was zu einem transepidermalen Wasserverlust führt. Dadurch wird die Haut trocken und anfällig für Schuppenbildung; manche Patienten berichten auch über ein Brennen und Stechen der Haut.
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Allgemeinmassnahmen und Hautpflege bei Rosazea
L Patienten sollten ein Tagebuch führen, um Stimuli und Trigger zu identifizieren, welche die Rosazea verschlimmern können (Kosmetika, bestimmte Wetterbedingungen, körperliche Aktivität, Medikamente, stark gewürztes Essen, Getränke, Alkohol, Stress). Entsprechende Trigger sollten vermieden werden.
L Sonnenschutzmittel zum Schutz vor UV-A- und UV-B-Strahlung sollten einen Lichtschutzfaktor von mindestens 30 aufweisen und vorzugsweise Dimethicon, Cyclomethicon oder beides enthalten, um die Irritation der Gesichtshaut zu lindern.
L Für die Hautpflege sollten seifenfreie Reinigungsprodukte und nicht ölige Feuchtigkeitscremes verwendet werden. Viele Feuchtigkeitscremes wurden für die empfindliche und leicht irritierbare Haut von Rosazeapatienten entwickelt. Manche dieser Produkte enthalten grüne Pigmente, um die Gesichtsrötung zu neutralisieren.
L Wenn Patienten Grundierung und Concealer verwenden möchten, sollten sie auf ölfreie Produkte zurückgreifen.
L Patienten sollten im Allgemeinen auf folgende Hautpflegeprodukte verzichten: – wasserfestes Make-up, das schwierig zu entfernen ist – Hauttonika, Gesichtswässer und Adstringenzien (d.h. Produkte, die Alkohol, Menthol, Pfefferminze, Kampfer, Zaubernuss oder Eukalyptusöl enthalten) – Kosmetika, die Natriumlaurylsulphat, starke Duftstoffe, Fruchtoder Glykolsäuren enthalten – Peelingcreme.
Diagnose wird klinisch gestellt
Die Diagnostik der Rosazea stützt sich auf die klinischen Merkmale und eine sorgfältige Anamnese. Eine Hautbiopsie wird nur durchgeführt, um andere Erkrankungen auszuschliessen, da die histopathologischen Merkmale der Rosazea typischerweise nicht spezifisch für Rosazea sind. Differenzialdiagnostisch sind seborrhoische Dermatitis, Flushstörungen, Acne vulgaris, periorale Dermatitis, Lupus erythematodes und chronische aktinische Schäden abzugrenzen.
Management
Die Behandlung der Rosazea beginnt meist mit der Edukation des Patienten hinsichtlich der Hauterkrankung und potenzieller exazerbierender Faktoren, damit der Patient Trigger identifizieren und vermeiden kann. Obwohl Daten aus randomisierten Studien fehlen, stützt die klinische Erfahrung verschiedene Allgemeinmassnahmen zur Hautpflege. Das Führen eines Tagebuchs ist hilfreich, um Stimuli und Trigger ausfindig zu machen, die zu einer Exazerbation der Rosazea führen können (siehe Kasten). Da bei Rosazea eine Störung der Hautbarriere vorliegt, sollten hautreizende Kosmetikprodukte vermieden werden. UV-Licht ist ein bekannter Rosazeatrigger, daher wird die tägliche Anwendung von Sonnenschutzmitteln empfohlen.
Therapien bei Flush, Erythem und Teleangiektasien Daten aus randomisierten Studien zu Interventionen bei transientem Erythem und Flushing fehlen. Wenn Flushs für den Patienten belastend sind, werden jedoch auf der Basis empirischer Evidenz häufig Betablocker (Nadolol, Propanolol und Carvedilol) oder α2-adrenerge Substanzen (Clonidin) verschrieben. In zwei randomisierten, kontrollierten Studien mit 553 Patienten wurde gezeigt, dass die Behandlung mit 0,5-prozentigem Brimonidintartrat-Gel (hochselektiver α2-adrenerger Agonist mit vasokonstriktiver Aktivität) persistierende Erytheme reduziert. Die Behandlung mit einer Creme mit 1-prozentigem Oxymetazolinhydrochlorid (α1-adrenerger Agonist und partieller α2-Agonist) wurde kürzlich von der Food and Drug Administration (FDA) auf der Basis zweier randomisierter, kontrollierter Studien mit 885 Teilnehmern für die Behandlung des mit der Rosazea assoziierten persistierenden Erythems zugelassen. Obwohl Laser- und andere lichtbasierte Therapien zur Behandlung von Erythemen und Teleangiektasien breit eingesetzt werden, wurden diese Behandlungsmethoden in erster Linie in Beobachtungsstudien untersucht. Die wenigen randomisierten Studien, aus denen Daten verfügbar sind, wurden nur mit kleinen Patientengruppen durchgeführt.
Therapien bei entzündlichen Läsionen Die Behandlung bei entzündlichen Papeln und Pusteln hängt vom Ausmass der Inflammation ab. Topische Azelainsäure, topisches Metronidazol und topisches Ivermectin sind Firstline-Behandlungsoptionen, deren Wirksamkeit in randomisierten, kontrollierten Studien nachgewiesen wurde. Andere topische Therapien, die manchmal verordnet werden, sind eine Kombination aus 10-prozentigem Natriumsulfacetamid und 5-prozentigem Schwefel in Form einer Creme oder Lotion (2-mal täglich), Permethrincreme (2-mal täglich) und Retinoide (1-mal täglich), aber die wenigen Daten, die es zu diesen Behandlungsoptionen gibt, stammen aus randomisierten Studien von geringer methodologischer Qualität. Wenn First-Line-Optionen bei leichten Fällen nicht ausreichend wirken oder wenn eine stärker ausgeprägte Rosazea vorliegt, wird im Allgemeinen empfohlen, die topische Behandlung mit einer oralen Antibiose zu kombinieren, obwohl die Datenlage hierzu limitiert ist. Die einzige orale Behandlung, die sowohl von der FDA als auch von der European Medicines Agency für inflammatorische Läsionen im Zusammenhang mit einer Rosazea zugelassen ist, ist Doxycyclin 40 mg mit veränderter Wirkstofffreisetzung einmal täglich. Diese Dosis soll antiinflammatorische Effekte, aber keine antimikrobielle Wirkung haben. Die Wirksamkeit der oralen Behandlung mit 40 mg Doxycyclin wurde in zwei randomisierten, kontrollierten Studien mit 537 Patienten nachgewiesen. Auch die Behandlung mit Tetrazyklin wurde mit signifikanten Reduktionen der Anzahl entzündlicher Läsionen assoziiert, doch sie führt tendenziell zu ausgeprägteren gastrointestinalen Nebenwirkungen (Übelkeit und Diarrhö) als die Behandlung mit Doxycyclin. In schweren Fällen mit entzündlichen Papeln und Pusteln oder bei entzündlichen Papeln und Pusteln, die nicht auf orale Antibiotika ansprechen oder die nach Absetzen der ora-
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len Antibiose rezidivieren, kommt eine Behandlung mit niedrig dosiertem oralem Isotretinoin (0,25–0,3 mg pro kg Körpergewicht pro Tag) über 12 bis 16 Wochen in Betracht. Diese Behandlung hat sich in zwei randomisierten, kontrollierten Studien als effektiv erwiesen. Da Isotretinoin hochteratogen ist, sollte es bei Schwangeren oder bei Frauen, die potenziell schwanger werden können, nicht zum Einsatz kommen. Falls Isotretinoin bei Frauen im gebärfähigen Alter angewendet wird, sollen routinemässig Schwangerschaftstests durchgeführt und eine sichere Verhütungsmethode eingesetzt werden.
Behandlung bei Phymen Hierzu gibt es keine randomisierten, kontrollierten Studien. Auf der Basis klinischer Erfahrung werden bei klinisch entzündeten Phymen topische Retinoide, orales Doxycyclin, orales Tetrazyklin oder orales Isotretinoin empfohlen. Phyme, die nicht entzündet erscheinen und eher fibrotisch sind, bessern sich deutlich hinsichtlich des Erscheinungsbildes und der Symptome nach einer ablativen Lasertherapie oder chirurgischen Behandlung, wie Fallserien zeigen. Zudem halten die Behandlungsresultate lange an.
Behandlung bei okulärer Rosazea Die meisten Leitlinien empfehlen eine Augenlidhygiene mit warmem Wasser (2-mal täglich) und künstliche Tränen. Eine kleine randomisierte Studie wies darauf hin, dass Ciclosporin-Augentropfen die Lebensqualität verbessern und die Tränenproduktion erhöhen. Ciclosporin sollte jedoch nicht angewandt werden, wenn eine aktive Augeninfektion vorliegt. Andere Optionen, für die allerdings nur wenige Daten vorliegen, sind die Applikation von topischem Metronidazol oder Fusidinsäure auf die Augenlider. Daten aus Beobachtungsstudien weisen darauf hin, dass bei Patienten mit ausgeprägterer Augenbeteiligung die Gabe von oralem Doxycyclin in einer Dosis von 40 mg (mit veränderter Wirkstofffreisetzung) oder 100 mg die Symptome reduzieren kann. Lässt die Symptomatik nicht nach oder ist das Sehvermögen betroffen, sollte der Patient an einen Augenarzt überwiesen werden.
Behandlung von Schwangeren und stillenden Frauen Viele Interventionen gegen Rosazea sind für Schwangere und Stillende ungeeignet. Die Behandlungen mit Laser und intensiv gepulster Lichtquelle gelten im Allgemeinen als sicher, werden aber oft auf die Zeit nach der Schwangerschaft verschoben, weil diese Massnahmen schmerzhaft sein können. Bei entzündlichen Läsionen können ein 0,75-prozentiges Metronidazolgel oder eine 1-prozentige Metronidazolcreme, Azelainsäure (15-prozentiges Gel, 15-prozentiger Schaum oder 20-prozentige Creme) und ein 2-prozentiges Erythromycingel oder eine entsprechende Lotion eingesetzt werden. Die Anwendung von Fusidinsäuregel bei okulärer Rosazea ist erlaubt. Zur oralen Behandlung werden nur Makrolidantibiotika wie Erythromycin, Clarithromycin und Azithromycin empfohlen. Der Einsatz von Tetrazyklinen und Isotretinoin ist absolut kontraindiziert.
Erhaltungstherapie
Weil bei der Rosazea häufig Rezidive auftreten, bekommen
die Patienten in der Regel eine Erhaltungstherapie, obwohl
die Datenlage hierzu begrenzt ist. Die Behandlungen mit
topischem Metronidazol, topischer Azelainsäure und topi-
schem Ivermectin erhalten nach der Rückbildung inflam-
matorischer Läsionen die Remission. Bei okulärer Rosazea
werden eine kontinuierliche Augenlidhygiene und die An-
wendung künstlicher Tränen empfohlen.
L
Andrea Wülker
Quelle: Van Zuuren EJ: Rosacea. N Engl J Med 2017; 377: 1754–1764.
Interessenlage: Die Autorin der referierten Übersichtsarbeit hat Vortragshonorare und Unterstützung bei der Reiseorganisation von der Firma Galderma erhalten.
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