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STUDIE REFERIERT
Prostatakarzinom
PSA-Screening senkt Mortalität
Kann ein Screening mithilfe des prostataspezifischen Antigens (PSA) das Mortalitätsrisiko für Prostatakrebs reduzieren? Seit Jahren wird diese Frage lebhaft und kontrovers diskutiert. Nun bestätigt eine Reanalyse zweier massgeblicher Studien, dass das PSA-Screening das durch das Prostatakarzinom bedingte Sterberisiko tatsächlich senkt.
Annals of Internal Medicine
Im Jahr 2012 sprach sich die U.S. Preventive Task Force (USPTF) gegen eine routinemässige Durchführung des PSATests aus, da es sehr unwahrscheinlich sei, langfristig durch Prostatakrebs bedingte Todesfälle mithilfe des PSA-basierten Screenings zu verhindern. Seither sind das PSA-Screening und die Inzidenz des Prostatakarzinoms in den USA signifikant zurückgegangen. Die Empfehlung der USPTF basierte im Wesentlichen auf Ergebnissen der beiden Studien ERSPC (European Randomized Study of Screening for Prostate Cancer) und PLCO (Prostate, Lung, Colorectal, and Ovarian Cancer Screening Trial). Jedoch kamen die beiden Studien zu widersprüchlichen Ergebnissen: Die ERSPC berichtete über eine Senkung der prostatakarzinombeding-
Was empfiehlt die Schweizer Gesellschaft für Urologie?
Da die Beurteilung des PSA-Wertes in der Früherkennung nicht immer einfach ist, gibt es klare Empfehlungen der Fachgesellschaft, in welchen Fällen die PSA-Bestimmung als Früherkennungsmassnahme gerechtfertigt ist. Mehr dazu können Sie im persönlichen Rück- und Ausblick des Urologen Prof. Martin Spahn vom Prostatakarzinomzentrum Hirslanden in der ersten Ausgabe des Jahres nachlesen. Darüber hinaus beschreibt er auch die Vorbehalte gegenüber dieser Massnahme, resultieren doch daraus bislang in vielen Fällen unnötige Biopsien. Einen möglichen Ausweg aus diesem Dilemma stellt der Einsatz neuer bildgebender Verfahren in der Früherkennung des Prostatakarzinoms dar. Die Möglichkeiten der multiparametrischen Magnetresonanztomografie und weitere aktuelle Entwicklungen in der Urologie wurden in unserem Jahresausblick in AM 1+2/2018vorgestellt (Seite 23): www.rosenfluh.ch/qr/spahn
ten Mortalität um 21 Prozent, während die PLCO keinen Unterschied der Mortalität in den verschiedenen Studiengruppen fand. Die Interpretation der Studienergebnisse ist nicht einfach, weil es Unterschiede unter anderem hinsichtlich Implementierung (Studiendesign, Adhärenz) und Praxissettings gab. Das US-amerikanische Praxis-Setting trug unter anderem dazu bei, dass in der PLCO-Kontrollgruppe häufiger gescreent wurde und dass seltener biopsiert wurde als in der ERSPC-Studie. Man muss also davon ausgehen, dass die PLCO-Studie eigentlich die Effekte eines organisierten Screenings mit einem opportunistischen Screening verglich und nicht ein Screening mit einem Nichtscreening.
Reanalyse mit komplexen statistischen Verfahren
Eine aktuelle Studie untersuchte nun, ob sich die Effekte eines Screenings auf die prostatakarzinombedingte Mortalität in der ERSPC- und PLCO-Studie tatsächlich unterscheiden, wenn man die Unterschiede hinsichtlich Implementierung und Praxissettings in den beiden Studien berücksichtigt. Zudem sollte die erneute Analyse abschätzen, wie gross die Effekte eines Screenings im Vergleich zu einem Nichtscreening in den beiden Studien waren. Die Reanalyse stützte sich auf aufwendige statistische Verfahren; so wurden unter anderem Mikrosimulationsmodelle eingesetzt und Mean Lead Times (MLT) geschätzt. Die MLT reflektieren das Ausmass der erhöhten Prostatakarzinominzidenz relativ zum BaselineWert, den man ohne ein Screening erwarten würde; damit werden Unterschiede hinsichtlich des Studiendesigns und der Adhärenz erfasst.
Ähnliche Effekte
Die geschätzten MLT waren in der ERSPC- und in der PLCO-Interventionsgruppe ähnlich, doch waren die MLT in der PLCO-Kontrollgruppe länger als in der ERSPC-Kontrollgruppe. Umfassende Analysen fanden keine Evidenz, dass es unterschiedliche Effekte des Screenings in den beiden Studien gab. Dagegen fand sich starke Evidenz, dass der Nutzen mit der MLT stieg. Die Autoren der Reanalyse schätzten, dass das Screening das Risiko prostatakarzinombedingter Todesfälle pro MLTJahr um 7 bis 9 Prozent senkte. In der ERSPC-Studie war das Screening (gegenüber keinem Screening) mit einem um 25 bis 31 Prozent geringeren Risiko für prostatakarzinombedingte Todesfälle verbunden, in der PLCO-Studie mit einem um 27 bis 32 Prozent reduzierten Risiko für prostatakarzinombedingte Todesfälle.
PSA-basiertes Screening kann Leben verlängern
Berücksichtigt man Unterschiede in der Durchführung und im Setting der beiden Studien, liefern ERSPC und PLCO kompatible Evidenz, dass das Screening die durch Prostatakrebs bedingte Mortalität senkt, fassen die Autoren zusammen und weisen darauf hin, dass die U.S. Preventive Services Task Force derzeit ihre Empfehlungen hinsichtlich des PSA-Screenings aktualisiert. AW L
Quelle: Tsodikov A et al.: Reconciling the effects of screening on prostate cancer mortality in the ERSPC and PLCO trials. Ann Int Med 2017; 167: 449–455.
Interessenlage: Ein Teil der Autoren der referierten Originalstudie hat Honorare oder Stipendien von verschiedenen Institutionen oder Pharmaunternehmen erhalten.
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ARS MEDICI 6 | 2018