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FORTBILDUNG
Ablation, Antikoagulation und kardiale Devices bei Arrhythmien
Neue Studienergebnisse zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen
Im vergangenen Jahr wurden Studienergebnisse zur Ablation bei ventrikulären Tachykardien und Vorhofflimmern (VHF) präsentiert. Andere Untersuchungen befassten sich mit der Antikoagulation zur Schlaganfallprophylaxe sowie mit der Prädiktion und der Prävention des plötzlichen Herztodes.
European Heart Journal
Im Jahr 2017 wurden zahlreiche Studien zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen publiziert. Cäcilia Linde vom Karolinska-Universitätskrankenhaus in Stockholm (Schweden) und Jan Steffel vom universitären Herzzentrum in Zürich (Schweiz) haben praxisrelevante Ergebnisse in einer Auswahl zusammengestellt.
Kardiale Arrhythmien und Katheterablation
In einer ersten randomisierten Studie erwies sich die Ablation von Atrioventrikularknoten-Reentry-Tachykardien (AVNTR) zur Verhinderung erneuter Episoden als signifikant wirksamer im Vergleich zu einer medikamentösen Behandlung. Die Ablation supraventrikulärer Tachykardien (SVT) kann auch im klinischen Alltag als sicheres und wirksames Verfahren betrachtet werden, wie aus Daten des prospektiven deutschen Ablations-Qualitätsregisters hervorgeht. Die Erfolgsrate der AVNRT-Ablation lag hier bei 98,9 Prozent.
VHF-Diagnose und Schlaganfallrisiko
Mit modernen Herzschrittmachern, implantierbaren Kardioverter-Defibrillatoren (ICD) und Devices zur kardialen Resynchronisationstherapie (CRT) können atriale Hochfrequenzepisoden mit einer Dauer von ein paar Sekunden bis zu Tagen oder Wochen registriert und gespeichert werden. Dabei ergibt sich die Frage, ab welchem Zeitraum es sich um VHF handelt, aber auch die weitaus wichtigere Frage, ab welchem Zeitpunkt sich das Schlaganfallrisiko erhöht und somit eine Antikoagulation erforderlich wäre. In der Studie ASSERT waren Episoden mit einer Dauer von mehr
MERKSÄTZE
Bei supraventrikulären Tachykardien und VHF ist eine Ablation wirksamer als eine medikamentöse antiarrhythmische Behandlung.
Zur Schlaganfallprävention bei VHF werden NOAK empfohlen. Bei der Abschätzung des Risikos für einen plötzlichen Herz-
tod sind neben der LVEF auch EKG-Parameter von Bedeutung.
Mittlerweile stehen auch elektrodenlose Herzschrittmacher und subkutane ICD zur Verfügung.
als 24 Stunden mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko verbunden, kürzere dagegen nicht.
Wie bleibt der Sinusrhythmus erhalten?
Die Modifizierung des Lebensstils könnte sich zum Eckpfeiler der initialen Behandlung von VHF entwickeln. In den beiden offenen australischen Studien LEGACY und CARDIOFIT senkten Sport- und Ernährungsprogramme bei übergewichtigen Patienten (Body-Mass-Index [BMI]: > 27 kg/m²) mit gelegentlichem oder persistierendem VHF die Rezidivrate. Ein ähnlicher Nutzen von Sport und Ernährung zeigte sich auch in der Studie RACE 3. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden Patienten mit frühem permanentem VHF und einer kürzlich diagnostizierten Herzinsuffizienz (< 3 Monate) einer «Upstream-Therapie» (Medikamente, Rehabilitationstherapie, Ernährungsberatung; n = 119) oder einer konventionellen medikamentösen Behandlung (n = 126) zugeordnet. Nach einem Jahr befanden sich 75 Prozent der UpstreamGruppe und 63 Prozent der konventionell behandelten Patienten im Sinusrhythmus. Der Nutzen der Upstream-Therapie zeigte sich in allen Untergruppen.
Ablation bei VHF
Die Prävalenz des VHF nimmt mit dem Alter zu, und viele Patienten leiden unter schweren Symptomen. Die pharmakologische Behandlung ist häufig problematisch. In der Studie MANTRA-PAF verglichen Forscher die Wirksamkeit einer medikamentösen antiarrhythmischen Therapie mit der einer Radiofrequenz-Katheterablation (RAF) als erste therapeutische Intervention. Innerhalb des Beobachtungszeitraums von 5 Jahren kam es in der Ablationsgruppe insgesamt seltener zu VHF und auch seltener zu symptomatischem VHF als in der medikamentös behandelten Gruppe. Von den ablativ behandelten Patienten waren 86 Prozent frei von VHF. Die Lebensqualität war in der Ablationsgruppe ebenfalls besser. Im medikamentös behandelten Kontrollarm befand sich allerdings ebenfalls ein hoher Anteil der Patienten im Sinusrhythmus. Die Studie CASTLE-AF untersuchte die Wirksamkeit der Katheterablation bei 363 Patienten, die nicht nur unter VHF, sondern auch an einer Herzinsuffizienz (linksventrikuläre Auswurffraktion [LVEF]: ≤ 35%) litten. Die Teilnehmer wurden entweder mit einer Vorhofablation oder konventionell mit Antiarrhythmika behandelt. Alle Patienten trugen kar-
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diale Devices zur Überwachung des VHF. Die Rate des primären kombinierten Endpunkts – Verschlechterung der Herzinsuffizienz (Klinikeinweisungen) und Sterblichkeit – wurde in der Ablationsgruppe um 38 Prozent im Vergleich zur konventionell behandelten Kontrollgruppe gesenkt (Hazard Ratio [HR]: 0,62; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,43–0,87; p = 0,07). Gleichzeitig hatte sich die LVEF in der Ablationsgruppe nach 12 Monaten im Vergleich zur konventionell behandelten Gruppe um 7 Prozent verbessert. Im Verlauf der fünfjährigen Beobachtungszeit waren die ablativ behandelten Patienten doppelt so häufig frei von VHF wie die konventionell behandelten. Somit verbessert die Ablation bei Patienten mit VHF und Herzinsuffizienz möglicherweise nicht nur die Symptomatik, sondern auch die klinischen Ergebnisse.
Schlaganfallprävention bei VHF
In den Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) von 2016 wird die Antikoagulation mit Nicht-Vitamin-K-abhängigen oralen Antikoagulanzien (NOAK) als bevorzugte Therapie zur Schlaganfallprophylaxe empfohlen. Um die antikoagulative Behandlung besser individuell anpassen zu können, ist noch eine Evaluierung der Unterschiede zwischen Apixaban (Eliquis®), Dabigatran (Pradaxa®), Edoxaban (Lixiana®) und Rivaroxaban (Xarelto®) in randomisierten, kontrollierten Studien erforderlich. Zu den weiteren Methoden der Schlaganfallprävention bei VHF gehört der Verschluss des linksseitigen Vorhofohrs (left atrial appendage, LAA). Im Register EWOLUTION wurde bei mehr als 1000 Patienten im Verlauf des ersten Jahres nach der Implantation eines Watchman-Devices eine niedrige Schlaganfallrate beobachtet. In einem französischen Register zeigte sich jedoch bei 377 Patienten eine hohe Rate (6,1%) Device-bedingter Thromben nach der Implantation verschiedener LAA-Okkluder-Systeme. In den ESC-Leitlinien von 2016 wird auf Basis der verfügbaren Evidenz eine Empfehlung der Klasse IIb für eine LAA-Okklusion zur Schlaganfallprävention bei VHF gegeben.
Ablation ventrikulärer Tachykardien
Die Ablation ventrikulärer Tachykardien (VT) war bis anhin vor allem idiopathischen Kammertachykardien und Tachykardien aufgrund bekannter struktureller Anomalitäten (ischämische VT, VT nach Myokarditis) vorbehalten. In verschiedenen Studien konnten nun auch Patienten mit Brugada-Syndrom, Patienten mit frühen Manifestationen einer arrhythmogenen rechtsventrikulären Kardiomyopathie (ARVC) und Patienten mit narbenbedingter VT erfolgreich ablativ behandelt werden.
Plötzlicher Herztod – Prädiktion und Prävention
In der Studie DANISH wiesen prophylaktische implantierte ICD bei 556 Patienten ohne ischämische Herzerkrankung im Hinblick auf die Reduzierung der Gesamtsterblichkeit keinen Nutzen auf. In einer neuen Metaanalyse senkten prophylaktisch implantierte ICD dagegen sowohl bei Patienten mit ischämischer Herzerkrankung (n = 5439) als auch bei Patienten ohne ischämische Herzerkrankung (n = 3128) die Gesamtsterblichkeit um 24 Prozent. «ICD funktionieren – nun müssen wir herausfinden, wer sie benötigt», kommentiert
Lars Kober vom Rigshospitalet in Kopenhagen (Dänemark), Hauptprüfer der Studie DANISH, die Ergebnisse der Metaanalyse. Die beste Strategie zur Stratifizierung des Risikos für einen plötzlichen Herztod ist bis anhin ebenfalls nicht bekannt. Die LVEF ist die am besten dokumentierte Methode zur Auswahl von Patienten, die von einem ICD profitieren könnten. Allerdings verdichten sich derzeit die Hinweise, dass die Prädiktion mit ergänzenden bildgebenden Untersuchungen präzisiert und verbessert werden könnte. In einer Studie wiesen 399 Patienten mit später Gadoliniumanreicherung im Magnetresonanztomogramm (MRT) und einer LVEF ≥ 40 Prozent ein mehr als 9-fach erhöhtes Risiko für einen plötzlichen Herztod auf als Patienten ohne diese Anreicherungen. Der Nutzen verschiedener Parameter des Elektrokardiogramms (EKG) zur Prädiktion des plötzlichen Herztodes zeigte sich in der gemeindebasierten Studie Oregon Sudden Unexpected Death. Bei einer Kombination der LV-Hypertrophie, der QRS-Übergangszone, dem QRST-Winkel, der frequenzkorrigierten QT-Zeit (QTc) und der T-Welle mit den traditionellen Risikofaktoren verbesserte sich die c-Statistik signifikant von 0,625 auf 0,735 (p < 0,001). Diese Ergebnisse wurden in der Studie Atherosclerosis Risk in Communities extern validiert.
Implantierbare kardiale Devices
Permanente Schrittmacher, ICD und CRT haben die Behand-
lung von Bradykardie- und Tachykardiearrhythmien revolu-
tioniert. Im Zusammenhang mit diesen Devices kann es
jedoch zu Komplikationen kommen, die meist mit den intra-
vaskulären Elektroden in Verbindung stehen. Bei Elektro-
denbrüchen und Infektionen ist häufig eine Extraktion erfor-
derlich, die zu erheblicher Morbidität und auch zum Tod füh-
ren kann. Dies ergab eine Analyse des European Lead
Extraction ConTrolled Registry (ELECTRa). Hier kam es
zwischen November 2012 und Mai 2014 im Rahmen von
Elektrodenextraktionen bei 58 von 3510 Patienten (1,7%)
zu schweren prozedurbedingten Komplikationen. Die Mor-
talität betrug 0,5 Prozent (17/3510). Jedoch wurden aber
auch hohe klinische und radiologische Erfolgsraten von 96,7
und 95,7 Prozent erzielt.
Zur Vermeidung dieser Komplikationen wurden mittlerweile
elektrodenlose Schrittmacher entwickelt. Ergebnisse einer
Zwischenanalyse des Micra Post Market Registry weisen da-
rauf hin, dass diese Systeme auch im klinischen Alltag sicher
und effektiv arbeiten. Des Weiteren stehen nun auch subku-
tane ICD zur Verfügung. Aus Zwischenergebnissen einer
Analyse des Registers Evaluation oF FactORs ImpacTing
Clinical Outcome and Cost EffectiveneSS of the S-ICD
(EFFORTLESS S-ICD) geht hervor, dass die Endpunkte im
Hinblick auf die Effektivität und die Sicherheit der neuen
Devices erreicht wurden.
L
Petra Stölting
Quelle: Linde C, Steffel J: The year in cardiology 2017: arrhythmias and cardiac devices. Eur Heart J 2018; doi:10.1093/eurheartj/ehx765.
Interessenlage: Beide Autoren der referierten Studie haben Gelder von verschiedenen Pharmaunternehmen erhalten.
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