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STUDIE REFERIERT
Akute Extremitätenschmerzen
NSAR mit Paracetamol kombiniert wirkt ebenso gut wie eine Opioidkombination
Opiatabkömmlinge wirken nicht in jedem Fall besser als Nichtopioide. Bei der Behandlung akuter Extremitätenschmerzen schneidet die Kombination eines NSAR mit Paracetamol gleich gut ab wie drei verschiedene Opioidkombinationspräparate.
JAMA
In den USA grassiert eine Opioidmissbrauchsepidemie. Seit dem Jahr 2000 verstarben über 500 000 Personen an einer Medikamentenüberdosis. Opioidanalgetika gehören in der Notaufnahme noch immer zur Therapie erster Wahl bei akuten Schmerzen leichter bis schwerer Ausprägung. Zwischen 2006 und 2010 wurde in amerikanischen Notfallstationen fast jedem fünften Schmerzpatienten ein Opioidanalgetikum abgegeben.
Bei starken Schmerzen oft zuerst ein Schmerzmittel
Akute Verletzungen der Extremitäten sind ein häufiger Grund von Notfallkonsultationen. Abhängig von der Schmerzintensität bekommen Patienten mit Extremitätenverletzungen oft eine Einzeldosis eines oralen Analgetikums, bevor weitere diagnostische Abklärungen oder eine Behandlung möglich sind. Obwohl eine grosse Auswahl an Analgetika existiert, war bisher die Evidenzlage für die Wahl des geeigneten Schmerzmittels in diesen klinischen Fällen nur unzureichend.
Welche Analgetika kombinieren?
Es ist zwar bekannt, dass Opioide eine bessere Analgesie bewirken als Nichtopioide. Eine Studie, ebenfalls auf einer Notfallaufnahme durchgeführt, konnte jedoch zeigen, dass die zusätzliche Gabe von Oxycodon und Paracetamol zu einem nicht steroidalen Antirheumatikum (NSAR; Naproxen) die Schmerzlinderung bei Patienten mit Kreuzschmerzen nicht verbessert. Auch verschiedene Studien zur postoperativen Schmerzbehandlung fanden
bezüglich der analgetischen Wirkung keinen Unterschied zwischen einer Kombination von Nichtopioiden und der Kombination von Codein und Paracetamol. In der vorliegenden doppelblinden und plazebokontrollierten Studie wurde bei 416 Patienten aus der Bronx, New York, zwischen Juli 2015 und August 2016 das Ausmass der Schmerzlinderung 2 Stunden nach Einnahme vier verschiedener Analgetikakombinationen untersucht, wobei eine der Kombinationen opiatfrei war. Diese bestand aus 400 mg Ibuprofen (NSAR) und 1000 mg Paracetamol. Letzteres wird in den USA als Acetaminophen bezeichnet. Die Opioidkombinationen bestanden entweder aus 5 mg Oxycodon und 325 mg Paracetamol (in den USA als Kombipräparat Perocet® erhältlich) beziehungsweise aus 5 mg Hydrocodon und 300 mg Paracetamol (USA: Vicodin®, das Medikament, von dem auch TV-Serienarzt Dr. House abhängig ist) oder 30 mg Codein und 300 mg Paracetamol (USA: Vopac® u.a.). In der Schweiz sind keine dieser Opioidkombinationspräparate zugelassen.
Auswahl der Studienteilnehmer
Patienten mit Schmerzen der oberen und unteren Extremitäten inklusive Schulter- und Hüftgelenk, welche aufgrund des Schweregrades beziehungsweise nach Einschätzung des behandelnden Arztes eine Röntgenuntersuchung benötigten, wurden in die Studie eingeschlossen. Ausschlusskriterien waren unter anderem eine vorgängige Methadonbehandlung, chronische Schmerzerkrankungen, welche bereits
ein Schmerzmanagement benötigten (Sichelzellanämie, Fibromyalgie, Neuropathien etc.), der Gebrauch der Studienmedikamente in den letzten 24 beziehungsweise 8 Stunden (Opioide bzw. NSAR/Paracetamol) und Erkrankungen der Schilddrüsen- und Stresshormonachse (Hypo-/Hyperthyreoidismus, M. Addison, M. Cushing). Vor sowie 1 beziehungsweise 2 Stunden nach Einnahme der Analgetika beurteilten die in vier Gruppen à 104 Personen randomisierten Studienpatienten die verbleibende Schmerzintensität auf einer numerischen Bewertungsskala (NRS) von 0 bis 10. Primärer Endpunkt war der Unterschied in der durchschnittlichen Schmerzbewertung zwischen den vier Behandlungsgruppen 2 Stunden nach Analgetikaeinnahme. Als sekundärer Endpunkt wurde die Schmerzbewertung anhand der NRS beziehungsweise einer 4-Punkte-LikertSkala (keine, leichte, mittelmässige und schwere Schmerzen) eine Stunde nach Medikamenteneinnahme gesetzt. Als klinisch relevanter Unterschied in der Schmerzbewertung wurde eine 1,3Punkte-Differenz auf der Schmerzskala definiert. Die Schmerzintensität wurde vor Beginn der Behandlung in allen vier Studiengruppen als hoch eingestuft (8,7 auf der NRS) und nahm in allen Gruppen nach oraler Analgesie deutlich ab. In der NSAR/ParacetamolGruppe betrug der Rückgang 4,3 (95%Konfidenzintervall [KI]: 3,6–4,9), in der Oxycodon/Paracetamol-Gruppe 4,4 (95%-KI: 3,7–5,0), in der Hydrocodon/Paracetamol-Gruppe 3,5 (95%KI: 2,9– 4,2) und in der Codein/Paracetamol-Gruppe 3,9 (95%-KI: 3,2–4,5) Punkte der NRS.
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STUDIE REFERIERT
Kein signifikanter Unterschied zwischen Opioiden und Nicht-opioiden
Damit konnte die Nullhypothese, dass nämlich 2 Stunden nach Einnahme der Schmerzmedikamente zwischen den vier Analgetikagruppen kein signifikanter Unterschied in der subjektiven Schmerzreduktion besteht, bestätigt werden (primärer Endpunkt). In keiner der vier Gruppen konnte der als klinisch relevant definierte Unterschied von 1,3 Punkten auf der Schmerzskala erreicht werden. Dies gilt ebenso für den sekundären Endpunkt 1 Stunde nach Analgetikaeinnahme. Die maximal erzielte nicht signifikante Schmerzdifferenz zwischen zwei Gruppen betrug 0,9.
Opioide wirken nicht immer besser analgetisch
Die hier besprochene Studie ist eine der ersten, welche die Wirkung drei verschiedener Opioidkombinationspräparate direkt mit der Wirkung einer
NSAR/Paracetamol-Kombination verglichen. Die Resultate früherer Studien waren wegen unterschiedlicher Medikamentendosierungen, anders definierter Endpunkte oder methodischer Schwächen wie zu kleiner Stichproben schwer miteinander vergleichbar. Seit die WHO 1986 die klinischen Guidelines zur Behandlung von Tumor- und nicht kanzerogenen Schmerzen herausgegeben hat, hält sich die Vorstellung, dass Nichtopiate in jedem Fall über eine geringere analgetische Wirkung verfügen als Opiate. Wie diese Studie zusammen mit der bereits bestehenden Literatur zeigt, trifft dies bei der Behandlung von akuten Extremitätenschmerzen jedoch nicht zu. Die initiale Analgesie mit einer NSAR/Paracetamol-Kombination ist somit eine gleichwertige Alternative zur Opioidgabe bei der Erstbehandlung akuter Extremitätenschmerzen. Insbesondere in den USA, wo Opioidkombinationspräparate zur Verfügung stehen und deren Abgabe weitverbreitet ist, würde ein
verändertes Verordnungsverhalten bei
Schmerzmedikamenten zu weniger
Opioidmissbrauch führen, da erwiese-
nermassen bereits die Kurztherapie mit
einem Opioid zur Abhängigkeit führen
kann.
MIK L
Quelle: Chang AK et al.: Effect of a single dose of oral opioid and nonopioid analgesics on acute extremity pain in the emergency department: a randomized clinical trial. JAMA 2017; 318(17): 1661–1667.
Interessenlage: Die Autoren der referierten Originalstudie geben an, dass keinerlei Interessenkonflikte vorliegen.
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