Transkript
Herausforderung Hüftschmerz
Die Zuordnung der Schmerzen kann schwierig sein
FORTBILDUNG
Schmerzen im Bereich der Hüfte sind in der täglichen Praxis ein häufiges Symptom. Das Problem ist oft weniger ihre Behandlung als vielmehr die genaue Zuordnung. Nicht selten bestehen mehrere Schmerzquellen, die in ihrer Signifikanz gewertet werden müssen. Die Beurteilung kann mitunter auch für den Spezialisten eine Herausforderung darstellen. Entsprechend ist ein stringentes Vorgehen sinnvoll.
Christian Graf
Anamnese gibt wichtige Anhaltspunkte
Die Anamnese liefert in der Regel bereits sehr wichtige Anhaltspunkte für die Schmerzursache. Es gilt zu erheben, seit wann, wo und mit welcher Ausprägung Beschwerden bestehen, wodurch diese provozierbar sind und worauf sie sich bessern. Neben der Vorgeschichte sollten auch die angrenzende Wirbelsäule und das Knie bezüglich Symptomen abgefragt werden. Je nach Schilderung des Patienten lassen sich bereits ein oder mehrere typische Krankheitsbilder zuordnen: L Bei der Koxarthrose häufig sind der Anlaufschmerz, belas-
tungsabhängige Schmerzen sowie eine meist zunehmende Bewegungseinschränkung. Patienten klagen entsprechend häufig über Probleme beim Anziehen von Socken und Schuhen. Das Sitzen und insbesondere das Aufstehen von tiefen Sitzgelegenheiten kann erschwert sein. Ruheschmerzen treten eher selten und dann erst im späten Verlauf auf. Die Schmerzen sind in der Regel im Leistenbereich lokalisiert und können medial- und ventralseitig bis auf Kniegelenkshöhe ausstrahlen. L Bei jüngeren Patienten kann das femoroazetabuläre Impingement (mit oder ohne Beteiligung des Labrums) eine Ursache von Schmerzen sein. Die Patienten berichten typischerweise über bewegungsabhängig einschiessende Schmerzen im Leistenbereich, häufig bei Dreh- und Beugebewegungen.
MERKSÄTZE
Vom Hüftgelenk ausgehende Schmerzen sind meist im Leistenbereich lokalisiert und strahlen nicht weiter als bis auf Kniegelenkshöhe aus.
Von der Wirbelsäule verursachte Schmerzen sind meist im äusseren oder dorsalen Hüftbereich lokalisiert und können über das Kniegelenk bis in den Fuss ausstrahlen.
Bei Verdacht auf einen Gelenkinfekt, insbesondere auch bei Vorhandensein von Kunstgelenken, immer vor der Gabe von Antibiotika eine diagnostische Punktion durchführen.
L Plötzlich auftretende, starke, teilweise mit einer Belastungsunfähigkeit des betroffenen Hüftgelenks einhergehende Leistenschmerzen können ein Zeichen für eine Femurkopfnekrose sein. Bei dieser wird zwischen einer primären und einer sekundären Form unterschieden. Bei der primären Form ist die genaue Ursache nicht bekannt, möglicherweise besteht ein Zusammenhang mit einer Osteoporose. Bei der gehäuft auch multilokulär auftretenden sekundären Form besteht ein Zusammenhang mit einer Durchblutungsstörung aufgrund eines Traumas, eines Diabetes, einer Kortisonbehandlung, eines Alkoholismus oder auch einer HIV-Medikation.
Wichtige Differenzialdiagnosen: von radikulären Schmerzen …
Knapp 40 Prozent der Schmerzen sind allerdings nicht direkt dem Hüftgelenk zuzuordnen, also nicht koxogen. Zu den wichtigsten Differenzialdiagnosen in der täglichen Praxis zählen lumbospondylogene oder -radikuläre Schmerzen. Die Patienten berichten dabei häufig über Schmerzen im unteren Rücken-, aber auch explizit im dorsalen und lateralen Hüftbereich. Diese sind im Gegensatz zu koxogenen Schmerzen oft auch in Ruhe vorhanden und können bis über das Kniegelenk nach distal ausstrahlen. Insbesondere bei spinalen Engen können diese auch mit Parästhesien oder Hypästhesien assoziiert sein. Eine weitere häufige Ursache von umschriebenen Schmerzen im Bereich des äusseren Hüftgelenks ist die Bursitis trochanterica. Nicht verwechselt werden sollte diese mit einer seltener auftretenden, degenerativ bedingten Läsion der Glutealmuskulatur, die mit einer Schwäche einhergeht. Reizsymptomatiken des Iliosakralgelenks äussern sich durch einseitige Schmerzen im unteren Rücken, zum Teil mit dorsalseitiger Ausstrahlung bis auf Kniegelenkshöhe. Typischerweise verschlimmern sich die Schmerzen bei sitzenden Tätigkeiten und werden durch Bewegung eher gemildert. Bei jugendlichen Patientinnen kann es gehäuft zu einem meist schmerzfreien Schnapphänomenen im Bereich der Hüfte kommen. Manch ein Patient beschreibt das Gefühl, dass die Hüfte «herausspringt». Dabei handelt es sich fast immer um
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Hüftschmerzen: Was kann dahinterstecken?
Artikuläre Ursachen L Koxarthrose L femoroazetabuläres Impingement L Femurkopfnekrose
Periartikuläre Ursachen L lumbospondylogene oder -radikuläre Schmerzen L Bursitis trochanterica L Läsion der Glutealmuskulatur L Reizsymptomatik des Iliosakralgelenks L Coxa saltans L Pubalgie L Leisten- oder Femoralhernie L Meralgia paraesthetica L Infekt L rheumatische Erkrankung L Frakturen L M. Paget L Tumorleiden
eine Coxa saltans, bei der zwischen einer Coxa saltans externa und interna unterschieden wird. Ursache ist ein Schnappen des Tractus iliotibialis oder der Iliopsoassehne. Das Schnappen der Iliopsoassehne ist häufig sowohl für Patienten als auch Umgebende deutlich hörbar, das Tractusschnappen oftmals eher sichtbar. Insbesondere bei Patienten mit intensiven sportlichen Belastungen können Pubalgien – im Sinne von Reizsymptomatiken im Bereich des unteren Schambeinastes und der Adduktorenansätze – mit belastungsabhängigen Schmerzen im Bereich dieser Region bestehen. Die Leisten- oder Femoralhernie bereitet seltener bewegungsabhängige Schmerzen. Häufiger kommt es zu Schmerzen beim Husten oder der Bauchpresse. Teilweise zeigt sich bereits eine sichtbare Schwellung im Leistenbereich, oder es bestehen Ausstrahlungen in das Genitale. Bei der von einer Kompression des N. cutaneus femoris lateralis verursachten Meralgia paraesthetica ist der Schmerz eher oberflächlich im Bereich des lateralen Leistenbands lokalisiert. Patienten klagen über brennende Schmerzen im Bereich der Oberschenkelaussenseite und vertragen den Druck enger Kleidung oder eines Gürtels schlecht. Zusätzlich können Parästhesien bestehen.
… bis zu Infekten, rheumatischen Erkrankungen und Tumorleiden
Bei Hüftschmerzen im Rahmen eines Infekts mit erhöhten Entzündungszeichen ist eine septische Streuung in das Hüftgelenk eine mögliche Ursache. Ein besonders hohes Risiko (bis zu 30%) besteht bei septischen Zustandsbildern und dem Vorhandensein von Kunstgelenken. Entsprechend sollten diese bei fieberhaften Zuständen ein spezielles Augenmerk erhalten. Bei unspezifischen multilokulären Beschwerden mit Schmerzen insbesondere in Ruhe sollte auch eine Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis mit in Betracht gezogen werden. Unter langjähriger Bisphosphonattherapie treten gehäuft Spontanfrakturen in der subtrochantären
Region des proximalen Femurs mit zunehmenden belastungsabhängigen Schmerzen in diesem Bereich auf. Seltenere Ursachen können Insuffizienzfrakturen im Beckenbereich, Senkungsabszesse der Psoasloge, ein M. Paget sowie ein Tumorleiden sein. Entsprechend sollte auch nach einer B-Symptomatik gefragt werden.
Systematische Untersuchung für die Abklärung wesentlich
Die Untersuchung stellt den entscheidenden Teil der Abklärung dar und lässt sich nicht durch Bildgebung ersetzen. Sie sollte systematisch erfolgen, um keine Veränderung zu übersehen. Insbesondere ist zu beachten, dass mehrere Schmerzursachen zeitgleich vorliegen können und diese nur klinisch in ihrer Signifikanz beurteilt werden können. Der klassische Untersuchungsgang beinhaltet – wie auch bei den anderen Körperregionen – die Inspektion und die Palpation, eine Funktionsuntersuchung sowie eine kurze neurologische Beurteilung. L Inspektion: Diese beginnt mit einer Beurteilung im Stand.
Dabei wird auf Symmetrie, Atrophien, Beinachsen, Beckenkippung sowie Stellung der Wirbelsäule (Lordose, Skoliose) geachtet. Auch sollte die spontane Haltung beachtet werden. Häufig ist das von Schmerzen betroffene Bein zur Entlastung etwas flektiert und wirkt dadurch kürzer. L Beurteilung des Gangbilds: Typisch für eine Koxalgie ist die verkürzte Standphase auf der betroffenen Seite. Zusätzlich versucht der Patient häufig, durch ein seitliches Schwingen über den Mittelpunkt des betroffenen Hüftgelenks, eine Gewichtsentlastung zu erreichen (Duchenne-Hinken). Das Trendelenburg-Hinken mit Absinken des Beckens auf der kontralateralen Seite ist hingegen meist ein Zeichen einer Schwäche der Glutealmuskulatur. Weitere Ursachen von Hinken können Beinverkürzungen, Lähmungen (Peroneusparese etc.) sowie Kontrakturen darstellen. Eine vaskuläre Ursache im Sinne einer Claudicatio intermittens sollte immer zusätzlich ausgeschlossen werden. Ein nach vorne gebeugtes Gangbild kann als Ausdruck einer fortgeschrittenen Koxarthrose aufgrund einer eingeschränkten Extension im Hüftgelenk auftreten. Durch diese kann es durch die kompensatorische Hyperlordosierung in der Lendenwirbelsäule zusätzlich zu lumbospondylogenen Schmerzen und damit zu einer Mischsymptomatik aus koxogenen und lumbalen Schmerzen kommen (in bis zu 50% der Fälle vorhanden). G Einbeinstand: Dieser erlaubt eine sichere Beurteilung des Trendelenburg-Zeichens. Im positiven Fall kommt es zum Absinken des Beckens auf die Gegenseite. Auf diese Weise kann bei Schmerzen im äusseren Hüftbereich auch zwischen einer Bursitis trochanterica und einer symptomatischen Läsion der Glutealmuskulatur unterschieden werden. Beinlängendifferenzen sollten sowohl im Stehen als auch im Liegen beurteilt werden. Eine Diskrepanz kann ein Zeichen für eine funktionelle Störung, wie eine Beckenverwringung, beispielsweise bei Blockade eines Iliosakralgelenks, sein.
Schmerz vor der Untersuchung lokalisieren lassen
Es ist sehr sinnvoll, sich vor Beginn der manuellen Untersuchung vom Patienten die Schmerzlokalisation(en) mit einem
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Finger zeigen zu lassen. Im Anschluss sollte eine systematische Palpation von Lendenwirbelsäule (LWS), Iliosakralgelenk (ISG), Ischium, Schambeinästen, Tuber ischiadicum, Spinae, Trochanter major, Symphyse sowie Muskelbäuchen erfolgen. Die Schmerzgegend sollte konsequenterweise erst zum Ende palpiert werden – dies verbessert die Sensitivität der Untersuchung und schafft zudem Vertrauen beim Patienten. Die Beurteilung der passiven Beweglichkeit kann bereits deutliche Hinweise für eine Hüftgelenksproblematik liefern. Über einen Ausgleich der Lendenwirbelsäulenlordose durch eine Beugung der Hüfte der Gegenseite kann eine Flexionskontraktur erkannt werden (Thomas-Handgriff). Sowohl die Koxarthrose als auch das Impingement des Hüftgelenks gehen in den meisten Fällen mit einer eingeschränkten passiven Innenrotations- und Flexionsfähigkeit einher. Schmerzen bei 90°-Flexion und Innenrotation (ImpingementTest) sind zwar bezüglich einer koxogenen Schmerzsymptomatik sehr sensitiv, nicht aber sehr spezifisch. Weniger sensitiv, dafür deutlich spezifischer für eine Hüftgelenksproblematik ist die Innenrotation in Extension (Log- Roll-Test).
Drei-Stufen-Test hilft bei der Differenzierung weiter
Zusätzlich hilfreich bei der Unterscheidung zwischen lumbospondylogenem und koxogenem Schmerz kann der sogenannte Drei-Stufen-Test sein, mit dem sich relativ einfach koxogene, ISG- und lumbale Problematiken unterscheiden lassen (siehe Kasten). Weitere Zeichen für eine ISG-Problematik sind ein positiver Vorlauftest sowie eine schmerzhafte Aussenrotation (Vierer-Zeichen/Patrick-Test). Bei einer Adduktorenproblematik fällt neben der typischen Schmerzlokalisation im Bereich der unteren Schambeinäste eine Schmerzhaftigkeit bei Adduktion gegen Widerstand auf. Eine Untersuchung der Wirbelsäule mit Lasegue-(SLR-)Test und eine Beurteilung von Sensibilität und Krafttestung sollte standardmässig durchgeführt werden. Bei Verdacht auf einen Infekt des Hüftgelenks sollte zeitnah und vor Gabe von Antibiotika eine diagnostische Punktion erfolgen. Sollten weiter Unklarheiten bezüglich der Schmerzlokalisation bestehen, hat sich die Testinfiltration im Bereich des Hüftgelenks und des Rückens als sehr hilfreiches Instrument insbesondere vor der Planung von Eingriffen erwiesen.
Bildgebung: Was kommt wann infrage?
Bei der bildgebenden Darstellung des Hüftbereichs ist die Beckenübersichtsaufnahme Standard. Ergänzt wird diese durch
Kasten:
Drei-Stufen-Test
Der Drei-Stufen-Hyperextensionstest dient einer Differenzierung der Schmerzursache in koxogene, vom Iliosakralgelenk ausgehende oder lumbal bedingte Schmerzen. Dabei wird der Patient auf dem Bauch gelagert, und das gestreckte Bein wird angehoben. In Stufe 1 wird das Sitzbein fixiert, in Stufe 2 das Sakrum und in Stufe 3 die LWS. Ein Schmerz gilt entsprechend als Hinweis auf eine koxogene, ISG- oder lumbal bedingte Symptomatik.
eine axiale Einstellung. Auf einseitige Aufnahmen des Beckens sollte verzichtet werden, da die Symmetrie wichtige Hinweise auf einseitig auch übersehbare Pathologien liefert. Manchmal ist es sinnvoll, die Lendenwirbelsäule in die Bildgebung miteinzubeziehen. Weiterführende radiologische Untersuchungen sollten nur bei speziellen Fragestellungen durchgeführt werden, da die Gefahr besteht, in Folge dieser klinisch irrelevanten, aber radiologisch auffälligen Befunde zu behandeln. Die Sonografie ist insbesondere bei Akutverletzungen von Sehnen(-ansätzen) (Hamstrings, Adduktoren) und Muskulatur hilfreich. Auch ein Erguss des Hüftgelenks bei einer Koxitis kann mittels Sonografie sicher nachgewiesen werden. Zur genauen Beurteilung der Weichteile wird aber aufgrund der guten Reproduzierbarkeit meist das MRI bervorzugt. Mit dem nativen MRI kann zusätzlich eine beginnende im konventionellen Röntgen nicht sichtbare Osteonekrose nachgewiesen werden. Bei einer gewünschten Beurteilung in Hinblick auf ein Impingement oder eine Labrumläsion sollte die Untersuchung immer mit intraartikulärem Kontrastmittel und speziellen radiären Schichtungen erfolgen. Die Computertomografie dient zum Nachweis von Knochentumoren und konventionell radiologisch okkulten Frakturen. Szintigrafische Bildgebungen (nativ/SPECT-CT) können insbesondere zum Nachweis von Prothesenlockerungen dienen.
Therapie dient der Wiederherstellung der Beweglichkeit
Bei der symptomatischen Koxarthrose ist es neben der Aufklärung des Patienten am wichtigsten, die Bewegungsfähigkeit wiederherzustellen. Die Bewegung ist der entscheidende Faktor, um den Krankheitsverlauf zu kontrollieren und positiv zu beeinflussen. Entsprechend können passager Analgetika eingesetzt werden. Paracetamol kann im Gegensatz zu den NSAR bei der Behandlung der Koxarthrose allein kein signifikanter Effekt zugesprochen werden (1, 2). Antiphlogistika sollten aber wegen der bekannten Nebenwirkungen, wenn möglich, nur für Schmerzspitzen und entsprechend der Verträglichkeit des individuellen Patienten eingesetzt werden. Chondroitinsulfat konnte in Studien zumindest eine leichte kurz- bis mittelfristige Besserung der Schmerzsymptomatik beweisen. Da kaum Nebenwirkungen bekannt sind, ist dieses in beginnenden Fällen als Einstieg in die medikamentöse Behandlung geeignet (3). Eine sinnvolle Möglichkeit insbesondere bei aktivierten Stadien der Koxarthrose ist die intraartikuläre Infiltration des Hüftgelenks mit einem Steroid. Daneben kann die Infiltration auch als wichtiger Test bei unklaren lumbalen und koxogenen Beschwerden zur Differenzialdiagnose dienen.
Wann helfen Physiotherapie, Gewichtsabnahme und Infiltration?
Durch die Physiotherapie kann vor allem der periartikuläre, weniger der artikuläre Schmerz positiv beeinflusst werden. Eine Gewichtsreduktion sollte bei Übergewicht unbedingt auch angesprochen werden. In Studien am Kniegelenk hat sich gezeigt, dass neben der gewichtsbedingten Mehrbelastung die Fettzellen auch Zytokine freisetzen, die ein Fortschreiten der Degeneration des Gelenkknorpels begünstigen (4). Bereits mässige Gewichtsreduktionen scheinen in
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der Schmerzbehandlung und Progression der Arthrose beim Kniegelenk sehr effektiv zu sein (5). Eine Femurkopfnekrose ohne Gelenkdeformation lässt sich in den meisten Fällen durch eine konservative Behandlung mit schmerzadaptierter Belastung in den Griff bekommen. Insbesondere Alendronat hat sich in Kombination mit Vitamin D3 und Kalzium laut mehreren Studien als sehr wirkungsvoll erwiesen (6). In Spätstadien der Femurkopfnekrose mit Einbruch des Gelenks ist meist die Hüfttotalprothesenimplantation das Mittel der Wahl. Die Bursitis trochanterica kann neben der Physiotherapie auch durch eine einmalige Infiltration mit einem Kortikosteroid dauerhaft positiv beeinflusst werden. Bei der Coxa saltans ist insbesondere die Aufklärung des Patienten über die Ungefährlichkeit des Befunds wichtig. Therapeutische Massnahmen sind eher selten erforderlich. Bei einem schmerzhaftem Iliosakralgelenk sollte vor allem eine ursächliche Beinlängendifferenz in Betracht gezogen und gegebenenfalls ausgeglichen werden. Ansonsten reagiert dieses gut auf Physiotherapie oder Eigenübungen. Besonders eine Beübung der Bauch- und Rückenmuskulatur kann prophylaktisch sinnvoll sein.
Konservativ oder operativ vorgehen?
Auch bei femoroazetabulärem Impingement und Labrumläsionen ist, abgesehen von sehr ausgeprägten Befunden, eine konservative Behandlung möglich. Eine diagnostisch-therapeutische Infiltration kann neben der Behandlung auch zur Diagnosesicherung sehr sinnvoll sein. Bei ausgeprägten Befunden oder einer anhaltenden Problematik ist je nach Befund entweder eine arthroskopische oder offene Behandlung (Mini-open oder chirurgische Hüftluxation) indiziert. Bei arthrotischen Veränderungen hat sich die Hüftarthroskopie allerdings als nicht nachhaltig erfolgreich erwiesen. Im Fall von zunehmendem Beschwerden bei einer manifesten Koxarthrose ist die Indikation für eine Hüfttotalprothesenimplantation zu überprüfen. Der Entscheid wird bei korrekter Diagnose aufgrund des Leidensdrucks des Patienten gestellt. Der Eingriff sollte von einem in der Prothetik geübten Operateur in einer muskelschonenden Technik durchgeführt werden. Des Weiteren sollten erprobte Implantate mit nachgewiesenen Haltbarkeiten eingesetzt werden. Schmerzen in der kurz- bis mittelfristigen Folge nach Hüfttotalprothesenimplantationen sind eher selten. Sie sollten generell abgeklärt werden. Häufig zeigen sich lumbale oder ISG-Problematiken.
Bei wirklich koxogenen Schmerzen sollte neben der Lockerung auch ein Low-Grade-Infekt als Ursache sicher ausgeschlossen werden. Weitere Ursachen können eine Pathologie der Glutealmuskulatur, eine Metallose oder ein Impingement des Implanats mit der Iliopsoassehne sein. Ein Revisionseingriff sollte erst nach genauer Analyse der Schmerzursache erwogen und in einem Zentrum für Prothetik durchgeführt werden, um ein möglichst verlässliches Ergebnis erreichen zu können. Bei Nachweis eines Infektes muss zwingend zeitnah eine Spülung/ein Débridement des Gelenks erfolgen.
Fazit
Aufgrund der möglichen Schmerzprojektionen anderer Re-
gionen in den Hüftbereich kommen insbesondere der Ana-
mnese und der systematischen klinischen Untersuchung eine
entscheidende Bedeutung bei der Suche nach der korrekten
Diagnose zu. In der Regel sind diese der Schlüssel zur erfolg-
reichen Behandlung des Hüftschmerzes.
L
Dr. med. Christian Graf
Facharzt Orthopädische Chirurgie und Traumatologie
des Bewegungsapparates FMH
Leitender Arzt Hüftchirurgie Kantonsspital Baselland
Leiter Orthopädie Standort Laufen
Klinik für Orthopädie
E-Mail: christian.graf@ksbl.ch
Internet: www.ksbl.ch
Interessenkonflikte: keine deklariert.
Referenzen: 1. da Costa BR et al.: Effectiveness of non-steroidal anti-inflammatory
drugs for the treatment of pain in knee and hip osteoarthritis: a network meta-analysis. Lancet 2017; 390(10090): e21–e33. 2. Eccleston C et al.: Non-steroidal anti-inflammatory drugs (NSAIDs) for chronic non-cancer pain in children and adolescents. Cochrane Database Syst Rev 2017; 8: CD012537. 3. Singh JA et al.: Chondroitin for osteoarthritis. Cochrane Database Syst Rev. 2015; 1: CD005614. 4. Loeser RF et al.: Effects of dietary weight loss with and without exercise on interstitial matrix turnover and tissue inflammation biomarkers in adults with knee osteoarthritis: The Intensive Diet and Exercise for Arthritis trial (IDEA). Osteoarthritis Cartilage 2017; 25(11): 1822–1828. 5. Gersing AS et al.: Is weight loss associated with less progression of changes in knee articular cartilage among obese and overweight patients as assessed with mr imaging over 48 months? Data from the osteoarthritis initiative. Radiology 2017; 284(2): 508–520. 6. Lai KA, Shen WJ, Lin RM.: The use of alendronate to prevent early collapse of the femoral head in patients with nontraumatic osteonecrosis. A randomized clinical study. J Bone Joint Surg Am 2005; 87(10): 2155–2159.
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