Transkript
STUDIE REFERIERT
DPP-4-Hemmer
Kein höheres Herzinfarktrisiko unter Saxagliptin
Seit einigen Jahren fordert die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) die Evaluierung kardiovaskulärer Risiken neuer antihyperglykämischer Medikamente nach der Zulassung. Aus einer prospektiven Anwendungsbeobachtung geht hervor, dass Saxagliptin innerhalb der ersten fünf Jahre nach der Zulassung nicht mit einem höheren Risiko für einen akuten Herzinfarkt verbunden war als Sitagliptin, Pioglitazon, Sulfonylharnstoffe der zweiten Generation oder lang wirksames Insulin.
Diabetes Care
Der DPP-(Dipeptidylpeptidase-)4-Hemmer Saxagliptin (Onglyza®) wurde im Jahr 2009 von der FDA als antihyperglykämisches Medikament zugelassen. Entsprechend den Sicherheitsanforderungen der Behörde wurde im Jahr 2010 dann zunächst die kardiovaskuläre Sicherheit von Saxagliptin im Vergleich zu Plazebo in der PostmarketingStudie SAVOR-TIMI (Saxagliptin Assessment of Vascular Outcomes Recorded in Patients with Diabetes Mellitus-Thrombolysis in Myocardial Infarction) 53 evaluiert. Ergänzend untersuchten Sengwee Toh von der Harvard Medical School in Boston (USA) und ihre Arbeitsgruppe jetzt in einer prospektiven Anwendungsbeobachtung das Herzinfarktrisiko von Saxagliptin im Vergleich zu anderen Blutzuckersenkern. Als Komparatoren wählten die Forscher Medikamente, die im klinischen Alltag als Zweit- oder Drittlinienantidiabetikum eine potenzielle Alternative zu Saxagliptin darstellen.
Prospektive Überwachung – Mini-Sentinel
Im Rahmen ihrer Studie verglichen die Forscher das Herzinfarktrisiko von Saxagliptin separat paarweise mit demjenigen von Sitagliptin (Januvia®, Xelevia®), Pioglitazon (Actos® und Generika), Sulfonylharnstoffen der zweiten Generation und lang wirksamem Insulin. Alle Teilnehmer wurden mit dem jeweiligen Medikament im Zeitraum von August 2009 bis August 2014 das erste Mal behandelt. Zur Adjustierung von potenziellen Störgrössen wie demografischen Faktoren, der medizinischen Vorgeschichte, der weiteren Medikation oder kardiovaskulären Risikofak-
toren nahmen die Forscher eine Stratifizierung entsprechend dem Disease Risk Score (DRS), basierend auf dem Herzinfarktrisiko der Patienten bei Studienbeginn, und ein Propensity-Score(PS-)Matching für jeden paarweisen Vergleich vor. Für die Durchführung ihrer Anwendungsbeobachtung standen den Forschern elektronische Gesundheitsinformationen aus Datenbanken des Pilotprojekts Mini-Sentinel zur Verfügung, das von der FDA zur prospektiven Überwachung der Arzneimittelsicherheit nach der Zulassung initiiert wurde.
Kein erhöhtes Herzinfarktrisiko
Im Rahmen ihrer Studie identifizierten die Forscher 82 264 Saxagliptinanwender und über 1,5-mal mehr Personen, die mit den jeweiligen Vergleichsmedikamenten behandelt wurden. Die entsprechend dem DRS stratifizierte Hazard Ratio (HR) betrug beim Vergleich mit Sitagliptin 1,08 (95%Konfidenzintervall [KI]: 0,90–1,28), beim Vergleich mit Pioglitazon 1,11 (0,87–1,42), beim Vergleich mit Sulfonylharnstoffen 0,79 (0,64–0,98) und beim Vergleich mit lang wirksamem Insulin 0,57 (0,46–0,70). Die HR nach dem PS-Matching wiesen eine ähnliche Grössenordnung auf. Beim Vergleich mit Sitagliptin ergab sich eine HR von 0,96 (0,77–1,18), beim Vergleich mit Pioglitazon lag sie bei 1,17 (0,86–1,57), beim Vergleich mit Sulfonylharnstoffen bei 0,70 (0,53–0,91) und beim Vergleich mit lang wirksamem Insulin bei 0,54 (0,41–0,71). Insgesamt gelangten die Forscher somit zu dem Ergebnis, dass unter Saxagliptin innerhalb der ersten fünf Jahre nach
der FDA-Zulassung kein höheres Ri-
siko für einen akuten Herzinfarkt be-
stand als bei einer Behandlung mit den
ausgewählten Vergleichsmedikamenten.
Als Stärke ihrer Untersuchung werten
die Autoren, dass im Rahmen des Mini-
Sentinel-Pilotprojekts Patientendaten
aus dem klinischen Alltag vom Zeit-
punkt des Behandlungsbeginns pro-
spektiv analysiert werden konnten. So
standen nach der Zulassung von Saxa-
gliptin schneller Sicherheitsinformatio-
nen zur Verfügung, als dies mit kon-
ventionellen retrospektiven Studien
möglich gewesen wäre. Die speziell
ausgewählte Kohorte der Erstanwen-
der ermöglichte die Ermittlung von
Störfaktoren, die bereits vor Behand-
lungsbeginn vorlagen.
Die Ergebnisse ihrer Anwendungsbe-
obachtung sollten nach Ansicht der
Wissenschaftler jedoch im Kontext ver-
schiedener Limitationen interpretiert
werden. So konnten die Dauer und die
Schwere der Diabeteserkrankung auf-
grund fehlender Daten nicht berück-
sichtigt werden. Auch zur antihyper-
glykämischen Behandlung, die länger
als ein Jahr zurücklag, waren keine In-
formationen vorhanden.
PS L
Quelle: Toh S et al.: Prospective postmarketing surveillance of acute myocardial infarction in new users of saxagliptin: a population-based study. Diabetes Care 2017, Nov 9; pii: dc170476; doi: 10.2337/dc17-0476.
Interessenlage: Die referierte Mini-Sentinel-Studie wurde von der FDA finanziert. Zu den Interessenkonflikten der zwölf Studienautoren sind keine Angaben vorhanden.
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ARS MEDICI 5 | 2018