Transkript
STUDIE REFERIERT
Hyperurikämie bei Typ-2-Diabetes
Vermehrte Glukoseausscheidung verstärkt auch Harnsäureexkretion
In einer Metaanalyse zeigte sich, dass SGLT-2-Hemmer den Serumharnsäurespiegel von Patienten mit Diabetes Typ 2 senken. Die harnsäuresenkende Wirkung verringerte sich bei zunehmender Diabetesdauer, steigenden HbA1c-Werten und nachlassender Nierenleistung. Das Alter, das Geschlecht, der Body-Mass-Index und der Ausgangsharnsäurespiegel beeinflussten die Grössenordnung der Harnsäuresenkung dagegen nicht.
Diabetes Obesity Metabolism
Bei Patienten mit Diabetes Typ 2 entwickelt sich häufig eine Hyperurikämie. Diese resultiert aus einer verminderten renalen Harnsäureausscheidung, die mit der Insulinresistenz und der Hyperinsulinämie in Zusammenhang steht. Bei Typ-2-Diabetikern mit zentraler Adipositas beträgt die Prävalenz der Hyperurikämie 32,6 Prozent. In Studien hat sich eine Hyperurikämie als unabhängiger Prädiktor für die Entwicklung und Progression einer diabetischen Nephropathie erwiesen. Zudem stehen erhöhte Harnsäurespiegel bei Typ-2-Diabetikern mit einem erhöhten Risiko für Hypertonie und kardiovaskuläre Erkrankungen in Verbindung.
KURZ & BÜNDIG
SGLT-2-Hemmer senken bei Patienten mit Diabetes Typ 2 den Harnsäureserumspiegel in unterschiedlichem Ausmass.
Die harnsäuresenkende Wirkung verringert sich bei zunehmender Diabetesdauer, steigenden HbA1c-Werten und nachlassender Nierenleistung.
Bei einer eGFR < 60 ml/min/1,73 m2 bewirken SGLT-2-Hemmer keine Harnsäuresenkung mehr.
Alter, Geschlecht, BMI und Ausgangsharnsäurespiegel beeinflussen die Grössenordnung der Harnsäuresenkung nicht.
Die neuen oralen SGLT-(«sodium-glucose linked transporter»-)2-Hemmer bewirken über die Hemmung von SGLT2 im S1-Segment des proximalen Tubulus eine vermehrte Glukoseausscheidung mit dem Harn. Neben der glyk-ämischen Wirkung sind SGLT-2Hemmer aber auch noch mit weiteren günstigen Effekten verbunden. Sie senken den Blutdruck, fördern die Gewichtsabnahme, verbessern kardiovaskuläre Ergebnisse und schützen die Nieren. In Studien zeigte sich zudem, dass SGLT-2-Hemmer auch den Harnsäurespiegel senken.
Quantifizierung der Harnsäuresenkung
In einer Metaanalyse untersuchte eine chinesische Arbeitsgruppe die Auswirkungen verschiedener SGLT-2-Hemmer (Monotherapie oder Add-on) auf die Harnsäureserumspiegel von Patienten mit Diabetes Typ 2. Dazu werteten die Wissenschaftler 62 englischsprachige randomisierte, kontrollierte Studien aus, an denen insgesamt 34 941 Patienten teilgenommen hatten. Als Endpunkt definierten die Forscher die Veränderung des Harnsäureserumspiegels im Vergleich zu Baseline. Die ausgewerteten Studien stammten aus dem Zeitraum von 2009 bis 2017. Die Beobachtungsdauer variierte zwischen 4 und 206 Wochen, und das durchschnittliche Alter der Teilnehmer reichte von 49,1 bis zu 68,5 Jahren. Alle sechs untersuchten SGLT-2-Hemmer (siehe Kasten) senkten den Harnsäureserumspiegel signifikant im Vergleich zu Plazebo oder einer aktiven
Kontrollmedikation. Die gesamte gewichtete mittlere Differenz (WMD) betrug −37,73 µmol/l (95%-Konfidenzintervall [KI]: −40,51 bis −34,95). Unter Empagliflozin wurde die ausgeprägteste Reduzierung der Harnsäurespiegel beobachtet (WMD: −45,83 µmol/l, 95%-KI: −53,03 bis −38,63), es folgten Canagliflozin (WMD: −41,22 µmol/l, 95%-KI: −45,03 bis −37,42), Dapagliflozin (WMD: −36,99 µmol/l, 95%-KI: −41,73 bis −32,25), Luseogliflozin (WMD: −28,20 µmol/l, 95%-KI: −34,73 bis −21,67), Tofogliflozin (WMD: −21,48 µmol/l, 95%-KI: −35,15 bis −7,81) und Ipragliflozin (WMD: −17,40 µmol/l, 95%-KI: −23,78 bis −11,02). Bei Dapagliflozin nahm die Senkung des Harnsäurespiegels mit steigender Dosis zu (5–50 mg, p = 0,014). Bei den anderen SGLT-2-Hemmern zeigte sich dagegen keine signifikante Verbindung zwischen dem Ausmass der Harnsäuresenkung und der Dosierung oder der Dauer der Behandlung. In Untergruppenanalysen verringerte sich die harnsäuresenkende Wirkung mit zunehmender Diabetesdauer, dem Anstieg der HbA1c-Werte und der Abnahme der geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR). Bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung (eGFR < 60 ml/min/1,73 m2) wurde gar keine Harnsäuresenkung mehr beobachtet. Das Alter, das Geschlecht, der BodyMass-Index (BMI) und der Harnsäurespiegel zu Baseline beeinflussten die harnsäuresenkende Wirkung der SGLT-2-Hemmer dagegen nicht.
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STUDIE REFERIERT
Kasten:
SGLT-2-Hemmer (Handelsname)
® Canagliflozin (Invokana®) ® Dapagliflozin (Forxiga®, Farxiga®) ® Empagliflozin (Jardiance®) ® Ipragliflozin (in der Schweiz noch nicht
registriert) ® Luseogliflozin (nicht im AK der Schweiz) ® Tofogliflozin (in der Schweiz noch nicht
registriert)
Klinische Relevanz näher untersuchen
In der hier vorgestellten Metaanalyse konnten die harnsäuresenkenden Effekte verschiedener SGLT-2-Hemmer quantifiziert werden. Ähnliche Effekt-
grössen dieser Substanzklasse wurden auch in zwei älteren Metaanalysen beobachtet. Die harnsäuresenkende Wirkung der SGLT-2-Hemmer ist nach derzeitiger Annahme darauf zurückzuführen, dass die vermehrte Ausscheidung von Glukose auch die Harnsäureausscheidung mit dem Urin verstärkt. Als Limitation ihrer Metaanalyse werten die Autoren, dass keine Informationen vorlagen, ob die Patienten zusätzlich Medikamente zur Behandlung von Gicht oder andere Wirkstoffe eingenommen hatten, die den Harnsäurespiegel senken. In Studien wurde dies bei Losartan (93,39 µmol/l; Cosaar® und Generika), Atorvastatin (39,62 µmol/l; Sortis® und Generika), Simvastatin (5,95 µmol/l; Zocor® und Generika) und Fenofibrat (11,11 µmol/l; Lipanthyl®) beobachtet.
Die klinische Relevanz der harnsäure-
senkenden Wirkung der SGLT-2-Hem-
mer und die Frage, in welchem Aus-
mass die Harnsäuresenkung zu den
blutdrucksenkenden oder den nephro-
protektiven Eigenschaften dieser Medi-
kamentenklasse beiträgt, sollte nach
Ansicht der Autoren in weiteren Stu-
dien untersucht werden.
PS L
Quelle: Zhao Y et al.: Effects of sodium-glucose co-transporter 2 (SGLT2) inhibitors on serum uric acid level: A meta-analysis of randomized controlled trials. Diabetes Obes Metab 2018; 20(2): 458–462.
Interessenlage: Die Autoren der referierten Originalstudie erklären, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
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