Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
So weit sind wir schon: Die ersten, die Ihnen bereits früh am Morgen zum Geburtstag gratulieren, sind Zalando, Stay Friends, Xing und bei etwas Glück Ihr Banker. Geben Sie’s zu: Von solchen Mails empfangen, fühlen auch Sie sich gleich etwas weniger allein. Schöne neue Welt.
LLL
Apropos morgendliches Aufwachen: Sind Sie auch schon aufgewacht und haben vor Freude darüber, am Leben zu sein, den Menschen, der neben Ihnen lag und schlief, lange und innig geküsst? Ein guter Freund hat’s getan. Jetzt darf er nicht mehr mit dieser Airline fliegen.
LLL
Shit happens. Besonders viel shit passiert Schweizer Jägern in letzter Zeit. Aber wer weiss, vielleicht täuscht man sich ja und Juristen, Lehrern und Ärzten passieren gleich viele grobe Missgeschicke, nur ohne dass man davon hört. Aber bedenklich ist’s halt schon, wenn Leute mit Schrotflinten und Winchester Esel, Hunde und Schafe mit Hirschen, Füchsen und Wildschweinen verwechseln. Wobei, von richtigem shit sollte man vielleicht erst sprechen bei Fällen wie jenem im Sanktgallischen, wo ein Jäger ein aufrecht stehendes Bienenhäuschen mit jagdbarem Wild verwechselte und es zu erschiessen versuchte. Dass er dabei nur Fensterläden erlegte, tja, es gibt Schlimmeres. Humor hätte der Jäger übrigens bewiesen, wenn er den Fensterladen in seinem Wohnzimmer als Trophäe aufgehängt hätte. Aber es ist zu befürchten, dass es Jägern mit Sehstörungen auch an Humor mangelt.
LLL
Möchten Sie mal wieder eine richtig zünftige Floskel hören, bullshit vom Feinsten? Voilà: «Da wo politische oder gesetzliche Veränderungen nötig sind,
werden wir schnellstens die notwendigen Massnahmen in die Wege leiten und umsetzen.»
LLL
Das kommt dem ersten Teil der fiktiven Rede Loriots vor dem Parlament schon sehr nahe. Die beginnt so: «Politik bedeutet, und davon sollte man ausgehen, das ist doch, ohne darum herum zu reden, in Anbetracht der Situation, in der wir uns befinden. Ich kann meinen politischen Standpunkt in wenigen Worten zusammenfassen: Erstens das Selbstverständnis unter der Voraussetzung, zweitens, und das ist es, was wir unseren Wählern schuldig sind, drittens die konzentrierte Beinhaltung als Kernstück eines zukunftweisenden Parteiprogramms.» Da kann man nur ergänzen: Wie wahr …!
LLL
Einsamkeit? Kein Problem! Die Briten geben neuerdings sogar Geld aus gegen die Einsamkeit. Genauer: für ein «Ministerium für Einsamkeit». Das neue Amt ist Folge eines Berichts der «Jo Cox Commission on Loneliness», die herausfand, dass rund neun Millionen Engländer an Alleinsein (loneliness) leiden. Zwar ist Einsamkeit (noch?) keine Krankheit (kann ja noch kommen: Alleinsein mit Krankheitswert oder so), sie kann aber so schädliche Auswirkungen haben wie Rauchen und kommt einer sozialen Epidemie gleich, wie Tracey Crouch, die Ministerin «for the lonely», meint. Na denn: Dum-dum-dum-dumdy-doo-wah /Ooh-yay-yay-yay-yeah/Oh-oh-oh-ohwah/Only the lonely (Roy Orbison).
LLL
Einsam sind auch manche Franzosen. Wer keinen Partner mehr hat, keine Kinder, die zu Besuch kommen, und weder Hund noch Katze, die geduldig zuhören und verstänisvoll oder auch -los
maunzen oder bellen, dem/der hilft neuerdings der französische Pöstler. Für € 19.90 pro Monat nimmt sich der Briefträger ein- bis sechsmal pro Woche etwa zehn Minuten Zeit für den einsamen Papi oder das einsame Grosi. Plaudert, macht beim Kafichränzli mit, fragt nach Einkaufswünschen oder liest aus dem Roman «The postman always rings twice» (gibt’s auch als Film!) vor. So ein einsamkeitslinderndes Abo tönt ziemlich absurd, aber ist vielleicht besser als verständnisvoll blickende und quakende Roboter wie in Japan.
LLL
Danken Sie daran: Wenn das Gras auf der andern Seite des Zauns grüner scheint, kann’s auch daran liegen, dass es mit bullshit gedüngt wurde.
LLL
Und das meint Walti: Verlustängste lassen sich überwinden, indem man die Menschen, die man liebt, in den Keller sperrt.
Richard Altorfer
74 ARS MEDICI 3 | 2018