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FORTBILDUNG
Diuretische Therapie bei Herzinsuffizienz
Die kompetente Anwendung von Diuretika ist für ein erfolgreiches Management der Herzinsuffizienz unabdingbar. In einem Review erläutern amerikanische Wissenschaftler die Prinzipien der diuretischen Therapie. Des Weiteren geben sie Hinweise zur Vorgehensweise bei akuter dekompensierter Herzinsuffizienz und bei Diuretikaresistenz.
New England Journal of Medicine
Bei einer Herzinsuffizienz kommt es häufig zur Retention und Stauung von Flüssigkeit. Angesichts der zentralen Bedeutung der Entstauung bezüglich der Symptomatik und der klinischen Ergebnisse gehören Diuretika zu den Eckpfeilern der Behandlung dieser Erkrankung. Die Schleifendiuretika Furosemid (Lasix® und Generika), Bumetanid (Burinex®, in der Schweiz ausser Handel) und Torasemid (Tore® und Generika) binden an die extrazelluläre Oberfläche von Natrium-Kalium-Chlorid-Kotransportern (NKCC) und blockieren so den Ionentransport. Schleifendiuretika hemmen reversibel den NKCC2 im dicken aufsteigenden Schenkel der Henle-Schleife. Dadurch werden bis zu 25 Prozent des gefilterten Natriums reabsorbiert. Dieser Effekt ist für den grössten Anteil der natriuretischen Wirkung von Schleifendiuretika verantwortlich. In der Macula densa der Niere werden die NKCC2-Symporter von Schleifendiuretika ebenfalls blockiert. Dadurch kommt es zu einer Stimulierung der Reninsekretion und zu einer Hemmung des tubuloglomerulären Feedbacks, das normalerweise die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) senkt, wenn der Salzgehalt zunimmt. So wird die GRF aufrechterhalten oder erhöht. Des Weiteren hemmen Schleifendiuretika die Transporterisoform NKCC1, die überall im Körper – auch im Ohr – vorkommt. Die Blockade des NKCC1 ist vermutlich für die Ototoxizität von Schleifendiuretika verantwortlich.
Pharmakokinetische Charakteristika
Schleifendiuretika sind mit einer steilen Dosis-WirkungsKurve verbunden, wobei oft bereits bei üblichen Dosierun-
gen ein Wirkplateau erreicht wird. Somit kann aufgrund des Ceiling-Effekts ab einer bestimmten Dosis keine Wirkungsverstärkung mehr erzielt werden. Dies trifft zwar auf die natriuretische Wirksamkeit zu, eine Dosiserhöhung über die Ceiling-Dosis hinaus kann jedoch über eine Verlängerung des Zeitraums, in dem die Plasmakonzentration des Medikaments mit einem natriuretischen Effekt verbunden ist, eine zusätzliche Natriurese bewirken.
Furosemid Furosemid ist bei oraler Applikation mit einer begrenzten und hoch variablen Bioverfügbarkeit (im Durchschnitt 50%, Bereich 10–90%) verbunden. Die Aufnahme von Nahrung verzögert die Absorption und verringert die Spitzenkonzentration. Da die Halbwertszeit der Ausscheidung kürzer ist als die gastrointestinale Absorptionsrate, werden die pharmakokinetischen Effekte von Furosemid durch die Absorption begrenzt. Bei Patienten mit intakter Nierenfunktion sind intravenöse Dosen (pro mg) etwa doppelt so wirksam als oral zugeführte Dosen. Besteht eine ausgeprägtere Natriumretention – wie bei einer akuten dekompensierten Herzinsuffizienz –, ist mitunter eine höhere Spitzenkonzentration für eine effektive Entwässerung erforderlich. Eine intravenöse Dosis kann in diesen Fällen um einiges wirksamer sein als eine orale. Intestinale Ödeme und ein geringer duodenaler Blutfluss beeinträchtigen die orale Bioverfügbarkeit meist nicht, verlangsamen jedoch die Absorption und reduzieren die Plasmaspitzenkonzentration. Dieser Effekt trägt zur Entwicklung einer diuretischen Resistenz bei (Kasten).
MERKSÄTZE
Schleifendiuretika bewirken über die Hemmung von NKCC eine Reabsorption von Natrium und eine Erhöhung der Harnausscheidung.
Schleifendiuretika weisen eine steile Dosis-Wirkungs-Kurve mit Ceiling-Effekt auf.
Bei längerfristiger Behandlung mit Schleifendiuretika kann es zu einer Diuretikaresistenz kommen.
Der Diuretikaresistenz kann mit einer Kombination von Diuretika verschiedener Klassen (sequenzielle Nephronblockade) entgegengewirkt werden.
Bumetanid und Torasemid Bumetanid und Torasemid sind mit einer höheren und konsistenteren oralen Bioverfügbarkeit (> 90 Prozent) verbunden und weisen auch keine absorptionslimitierte Kinetik auf, sodass orale und intravenöse Applikationen etwa gleich wirksam sind. Torasemid ist bei Patienten mit Herzinsuffizienz mit einer längeren Halbwertszeit verbunden (6 h) als Furosemid (2,7 h; Halbwertszeit verlängert sich bei chronischer Nierenerkrankung) oder als Bumetanid (1,3 h).
Postdiuretische Natriumretention und Breaking-Phänomen
Das Ziel einer Behandlung mit Schleifendiuretika besteht bei einer Herzinsuffizienz kurzfristig in der Entstauung und langfristig in der Verminderung des extrazellulären Flüssigkeits-
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ARS MEDICI 3 | 2018
FORTBILDUNG
Kasten:
Ursachen einer Diuretikaresistenz
(nach Ellison und Felker, 2017)
ungeeignete Dosierung von Diuretika mangelnde Therapietreue
– unterlassene Einnahme – hohe Natriumzufuhr pharmakokinetische Faktoren – langsame Absorption von Diuretika aufgrund intestinaler Ödeme – beeinträchtigte Sekretion von Diuretika in das Tubuluslumen – chronische Nierenerkrankung – Alterungsprozess – Medikamente: nicht steroidale Antirheumatika (NSAR),
Probenecid (Santuril®) Hypoproteinämie Hypotonie nephrotisches Syndrom Medikamente mit antinatriuretischer Wirkung
– NSAR – Antihypertensiva geringer renaler Blutfluss Nephron-Remodelling neurohormonale Aktivierung
volumens. Bei der Entwässerung mit Schleifendiuretika kann es jedoch zu verschiedenen adaptiven Reaktionen kommen. Die Applikation eines Schleifendiuretikums erhöht zunächst über mehrere Stunden die Ausscheidung von NaCl, anschliessend folgt jedoch ein Zeitabschnitt mit sehr geringer NaCl-Exkretion, der als postdiuretische Natriumretention bezeichnet wird. Bei einer hohen NaCl-Zufuhr mit der Nahrung setzt die postdiuretische Natriumretention die anfängliche Natriurese ausser Kraft. Eine geringe Kochsalzzufuhr ermöglicht dagegen eine im Vergleich zur Aufnahme höhere Natriumausscheidung. Diese Effekte weisen auf die besondere Bedeutung der Kochsalzaufnahme, der Medikamentenhalbwertszeit und des Dosierungsintervalls im Rahmen der diuretischen Behandlung hin. Nimmt das extrazelluläre Flüssigkeitsvolumen im Rahmen einer längerfristigen Behandlung ab, kommt es zu einer weiteren Adaptionsreaktion, bei der sich das natriuretische Ansprechen nach jeder Applikation verringert. Dieses sogenannte Breaking-Phänomen kann mit einer Aktivierung des sympathischen Nervensystems und des Renin-AngiotensinAldosteron-Systems sowie mit einem Nephron-Remodelling verbunden sein.
Schleifendiuretika bei akuter dekompensierter Herzinsuffizienz
Zur Anwendung von Schleifendiuretika bei akuter dekompensierter Herzinsuffizienz liegt nur eine begrenzte Evidenz
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Tabelle:
Stufenweises Vorgehen bei Diuretikaresistenz1
(nach Ellison und Felker 2017)
Stufe
1 2 3 4
vorherige orale Dosis3 ≤ 80 mg 81–161 mg 161–240 mg > 240 mg
Furosemid Bolus 40 mg 80 mg 80 mg 80 mg
Infusionsrate 5 mg/h 10 mg/h 20 mg/h 30 mg/h
Metolazon2 orale Dosis nicht anwendbar 5 mg täglich 5 mg 2-mal täglich 5 mg 2-mal täglich
1 Das Behandlungsziel besteht in einer täglichen Harnmenge von 3–5 l, bis eine klinische Euvolämie erreicht ist. Zu Beginn kann eine intravenöse
Applikation (in 2 Dosen) der 2,5-fachen vorherigen täglichen oralen Furosemiddosis oder eine Infusion, wie oben beschrieben, vorgenommen werden.
Die Harnausscheidung kann täglich durch den Übergang zu einer höheren Stufe erhöht werden, wenn die ausgeschiedene Menge weniger als 3 l beträgt. 2 Statt Metolazon kann auch Hydrochlorothiazid (Esidrex®; 50 mg 2-mal täglich) oder Chlorthalidon (Hygroton®, seit 2014 nicht mehr im Handel;
50 mg täglich) gegeben werden. 3 Eine Dosis von 40 mg Furosemid entspricht 1 mg Bumetanid oder 20 mg Torasemid.
vor. In der Studie DOSE (Diuretic Optimization Strategies Evaluation) untersuchten Wissenschaftler die Effekte der Dosierung und der Applikationsroute von Diuretika bei Patienten mit akuter dekompensierter Herzinsuffizienz. Hier erhielten 308 Patienten eine intravenöse Furosemidbehandlung, die randomisiert als Bolus (2-mal täglich) oder als kontinuierliche Infusion verabreicht wurde. Gleichzeitig erhielten sie entweder eine niedrige Dosis (äquivalent zur vorherigen oralen Dosis) oder eine hohe Dosis (2,5-fach höhere Dosis als die vorherige orale Dosis) des Schleifendiuretikums. Im Hinblick auf den primären Endpunkt der Gesamtsymptomatik (patients’ global assessment of symptoms) erreichten die Unterschiede zwischen niedriger und hoher Dosierung keine statistische Relevanz. In der Hochdosisgruppe wurden jedoch günstigere Ergebnisse im Hinblick auf sekundäre Endpunkte wie das Ausmass der Dyspnoe, der Gewichtsveränderung und des Nettoflüssigkeitsverlusts beobachtet. In der Hochdosisgruppe kam es zwar tendenziell häufiger zu einer vorübergehenden Verschlechterung der Nierenfunktion innerhalb von 72 Stunden (zweiter primärer Endpunkt), in einer Post-hoc-Analyse dieser Studie war der initiale Anstieg des Serumkreatinins jedoch mit eher günstigen klinischen Langzeitergebnissen verbunden. Beide Applikationswege erwiesen sich in der DOSE-Studie als gleichwertig. Bezüglich der primären Endpunkte zeigte sich kein Unterschied zwischen der Bolusapplikation und der kontinuierlichen Zufuhr.
Behandlung bei Diuretikaresistenz
Bei der Langzeitbehandlung mit hoch dosierten Schleifendiuretika erhöht sich die reabsorptive Kapazität des distalen Nephrons durch eine Aktivierung des thiazidsensitiven NaCl-Kotransporters und des epithelialen Natriumkanals. Dieses Nephron-Remodelling trägt somit zur Entwicklung einer Diuretikaresistenz bei. Definitionsgemäss liegt eine Resistenz vor, wenn ein Diuretikum trotz maximaler Dosierung keine Entstauung mehr bewirkt. Die Diuretikaresistenz manifestiert sich durch eine niedrige Natriumkonzentration im Harn trotz Verabreichung der maximalen Dosis.
Für Patienten mit Diuretikaresistenz wird häufig eine konti-
nuierliche Diuretikainfusion empfohlen. Aus einer Post-hoc-
Analyse geht jedoch hervor, dass eine stufenweise intensi-
vierte diuretische Therapie, mit der die tägliche Ausschei-
dung eines Harnvolumens von 3 bis 5 Litern angestrebt wird,
wirksamer sein kann als die Standardbehandlung mit hoch
dosierten Schleifendiuretika (Tabelle).
In Studien hat sich gezeigt, dass bis zu 75 Prozent der Diure-
tikaresistenz bei akuter dekompensierter Herzinsuffizienz
auf die Aktivierung des Natriumchloridtransports im dista-
len Nephron aufgrund des Nephron-Remodellings zurück-
zuführen sind. Deshalb können Medikamente, welche die
Natriumchloridreabsorption blockieren (z.B. Metolazon
[Metolazon® Galepharm, Original ist nicht mehr erhältlich]
oder Thiaziddiuretika), zusätzlich im Rahmen einer sequen-
ziellen Nephronblockade angewendet werden. Die Kombi-
nation von Schleifen- und Thiaziddiuretika kann allerdings
mit einer massiven Natriurese und Kaliurese verbunden sein.
Deshalb ist bei längerfristiger Behandlung eine sorgfältige
Überwachung des Patienten erforderlich. Amilorid (nur in
Kombination mit Hydrochlorothiazid erhältlich; Modure-
tic®) kann zur Blockade der aktivierten Natriumkanäle eben-
falls angewendet werden.
Im Hinblick auf den besten Zeitpunkt für den Beginn mit der
sequenziellen Nephronblockade liegen keine Informationen
vor. Traditionell wird nach der Resistenzentwicklung gegen-
über einem ersten Diuretikum ein weiteres aus einer anderen
Klasse hinzugefügt. Alternativ könnte aber auch eher mit
einer niedrig dosierten sequenziellen Blockade begonnen
werden.
L
Petra Stölting
Quelle: Ellison DH, Felker GM: Diuretic treatment in heart failure. N Engl J Med 2017; 377: 1964–1975.
Interessenlage: Zu den Interessenkonflikten der beiden Autoren der referierten Studien liegen keine Informationen vor.
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